Strahlend violette Lavendel-Felder säumen den Weg durch die Provence.

Strahlend violette Lavendel-Felder säumen den Weg durch die Provence.
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Südfrankreich: Eine Reise durch die Provence

Eingebettet zwischen dem Var und dem Rhône-Delta mit der malerischen Camargue entdeckt man selbst in ländlich abgeschiedenen Gegenden eine Küche von Gourmetformat.

Nach ein paar Handgriffen läuft der Motor des alten Ci­troën 2CV, als wäre nichts gewesen und als hätte er nicht schon Jahre, nein, sogar Jahrzehnte auf dem Buckel. Um genau zu sein, ist die Ente mit 55 Jahren sogar genauso alt wie ihre Besitzerin, Gabrielle Choisy, und soll auf dem heutigen Ausflug für einen Nostalgieschub sorgen. Denn was ­ist schließlich bilderbuchfranzösischer, als im sogenannten »Deux Cheveaux«, also einer Ente mit »zwei Pferdestärken«, durch das Var zu brausen und einige der kulinarischen Besonderheiten der Provence zu entdecken?

Die Genusstour führt durch enge Straßen und malerische Dörfer mit traditionellen Steinhäusern, vorbei an Weinbergen, Feldern und leuchtend roten Mohnblumen-Tupfern. Und immer wieder legt Gabrielle auf dem Weg Zwischenstopps ein: Ein Ziegenhirte erklärt die Produktion seines Käses. Eine Imkerin bieten ihren Lavendelhonig zur Verkostung an – und so viele weitere Sorten, wie man mag. Dabei hat man mit Gabrielle eine Begleitung, die gern und viel lacht und einiges über das Var erzählt. Dessen Farben und Gerüche liebt die Önologin schließlich genauso wie das Essen und den Wein.

Die vielen Farben der Provence

Die Provence, das erkennt man schnell, ist in mehrfacher Hinsicht vielseitig. Zwar kommen einem beim Gedanken an die Landschaft zunächst mit großer Wahrscheinlichkeit die berühmten Lavendelfelder in den Sinn. Doch die Provence reicht von den Bergen der Haute-Provence bis zum Mittelmeer. Sie erstreckt sich von der Côte d’Azur im Osten bis deutlich über Marseille hinaus – das nicht nur kulturell, sondern auch in Sachen Bouillabaisse –, die provenzalische Hauptstadt ist. Entsprechend groß ist die Palette der Zutaten, mit denen das Savoir-vivre hier zelebriert wird: von Wildfleisch bis Fisch, von frischen Kräutern, Obst und Gemüse bis zu Trüffeln. Ganz zu schweigen natürlich vom Wein.

»Hier gibt es ungewöhnlich viele Bio-Produzenten«, erzählt Gabrielle, die mit einem reizenden Akzent Deutsch spricht, als sie durch die Gassen des Städtchens Correns fährt. Der dortige Bürgermeister schlug vor zwanzig Jahren bereits vor, komplett auf Bio-Anbau umzusteigen – und hatte damit Erfolg. Heute ist Correns dem eigenen Slogan zufolge »Frankreichs erstes Bio-Dorf« und animierte in der Umgebung viele Produzenten, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. »Die Region ist nicht sehr reich«, erklärt die Französin. »Die wichtigsten Einnahmequellen sind Wein und Blumen.« Bio-Produkte seien daher eine Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzusetzen.

Im Gut Gasqui wird sogar zertifiziert biodynamisch produziert. Winzer François öffnet zum Picknick, das Gabrielle während ihrer Ententour aufbaut, dann ein paar seiner hervorragenden Weine. Dazu gibt es Gabrielles Zucchini-Tarte und Olivenpaste, alles selbst gemacht, etwas Brot und Ziegenfrischkäse. François stellt noch frischen Kirschkuchen und Olivenöl aus Eigenproduktion dazu. Nicht nur hier, auch sonst stehen die köstlichen Erzeugnisse der regionalen Bauern im Zentrum der provenzalischen Küche.

Auf der Weiterfahrt Richtung Westen und Vaucluse möchte man entlang der Landstraße am liebsten alle paar hundert Meter anhalten. Kirschen, Spargel, Erdbeeren bieten die Bauern an ihren Ständen an. Klar, dass sich da ein Konzept wie im Bistro »40 K« im Hotel »Crillon le Brave« förmlich aufdrängt: Alle Produkte müssen aus einem Umkreis von vierzig Kilometern kommen. Auch im Gourmet-Restaurant, das gleich nebenan in ehemalige Ställe gebaut wurde, ist das das Ziel. Im Kern steckt darin auch die Tradition der Provence, die einst armes Bauernland war. »Hier gab es einfache Küche, keine teuren Zutaten. Man verwendete das, was unter den Füßen wuchs«, sagt Chefkoch Jérôme Blanchet.

Seine Küche ist dabei trotzdem alles andere als einfach. Je nach saisonalem Angebot überlegt er sich immer wieder neue Gerichte. Heute sind es Fois-gras-Würfel auf Pistazien-Süßteilchen mit Erdbeermus vorweg. Zum Hauptgang kündigen sich die Lamm-Carrés schon durch den Geruch des glimmenden Thymian-Zweigs an, bevor das Fleisch am Tisch in Scheiben geschnitten wird.

Vor der Terrasse des Hotels entfaltet sich ein atemberaubend weites Panorama über das Tal bis zum knapp 2000 Meter hohen Mont Ventoux. Nicht weit entfernt liegt mit dem Luberon auch ein Landstrich, der vor über zwanzig Jahren zum Naturpark erklärt wurde und für seine Trüffel bekannt ist. Gleich mehrere Dörfer hier zählen zu den schönsten Frankreichs. Doch selbst wenn es noch so abgeschieden und beschaulich ländlich ist, stößt man auf Gourmetküche. Im Resort »Coquillade«, malerisch versteckt in einem alten Weinberganwesen, wurde das Restaurant auch gleich »Le Gourmet« genannt. Thierry Enderlin kocht dort mit Sterneambi­tionen und vielen regionalen Produktionen seine feinen mediterranen Kreationen. Allein seine samtig-cremige Fischsuppe als Vorspeise ist zum Niederknien.

Pures Sonnen-Essen

Die Tour durch die Provence führt aber natürlich nicht nur übers Land. Es gibt einige Städte mit viel Geschichte und historischen Baudenkmälern, die teils bis in die Antike zurückreichen: Avignon mit seiner Brücke Saint-Bénézet oder Aix-en-Provence mit seinem prächtigen Boulevard Cours Mirabeau. Arles hingegen ist berühmt für seine römische Arena und das antike Theater. Beides liegt unübersehbar wuchtig im gemütlichen Stadtzen­trum. Genauso ungewöhnlich erscheint es, in solch einer kleinen Stadt einen mit zwei Michelin-Sternen dekorierten Koch anzutreffen. In einer unscheinbaren Gasse, nur einen Steinwurf von den antiken Attraktionen entfernt, betreibt Jean-Luc Rabanel gleich zwei Restaurants. Das ältere ist »L’Atelier«, sein Gourmettempel, wo es gern mal experimenteller zugeht. In seinem Bistro »A Coté«, sozusagen »nebenan«, steht bodenständigere Küche auf der Karte. Dort feiert der 53-Jährige die Küche der Provence in Bioqualität und sucht die traditionellen Geschmäcker. So wie bei seiner Pissaladière, die er mit groben Zwiebelstücken, Tomaten, Sardellen, Thymianzweigen, einem Strich grünem Pesto und einem pochierten Ei anrichtet.

Beim Stichwort provenzalische Küche kommt Rabanel sofort ins Schwärmen: Der Boden! Das Klima! Vor allem aber die Sonne hätte Einfluss auf die Produkte und damit natürlich auf das Essen. Eigentlich braucht ­es für den Koch nur frisches Gemüse, dazu etwas Olivenöl und Salz. »Mmh, eine Geschmacksexplosion«, ruft er verzückt. »Doch weil die Küche einfach ist, muss man präzise vorgehen. Wie bei einem hervorragenden Golfer, bei dem der Schlag sitzt – das sieht einfach aus, ist aber trotzdem harte Arbeit.« Rabanel hat seinen eigenen Garten nur wenige Kilometer vor den Toren der Stadt. Dort landet man auch gleich in der Camargue, einem außergewöhnlichen Landstrich mit ganz eigenen Traditionen. Hier ist französisches Cowboy- und Stier-Country. Auf den Ranches wie der von Frédéric Bon halten die sogenannten »Gardians« auf ihren weißen Pferden und in ihrer Cowboy-Montur aus Hut, Stiefeln und Blümchenmusterhemden die Stiere in Schach.

Bei einem Camargue-Tag können Besucher außerdem einen typischen Stierkampf sehen. Die Tiere werden dabei aber nicht getötet. Die weiß gekleideten Raseteurs versuchen vielmehr, ihnen an die Hörner gebundene Bändchen zu stibitzen. »Nur die Tiere, die nicht für den Stierkampf geeignet sind, werden geschlachtet«, sagt Bauer und Hotelbetreiber Bon. Stierfleisch ist schließlich eine Spezialität dieser Region und steht am Abend auf dem Menü: ein Rib-Eye mit in Olivenpulver gewendeten Karotten, dazu eine mit Stierragout gefüllte Zwiebel und eine gran­diose Stier-Rotwein-Soße. »Das ist angelehnt an ein typisches Gericht der Region: Gardianne«, erklärt Koch Grégory Bousse, der
die traditionelle Küche gern modern interpretiert.

Wie im Hotel »Mas de Peint« geht es in der Camargue generell sehr gemütlich zu. Die Landschaft dort ist so flach wie eine Crêpe und wird vom Flussdelta der Rhône geprägt. Überall ist Wasser: auf den Feldern, auf denen Bauern im Frühjahr den berühmten roten und schwarzen Naturreis aussäen. In den kleinen Kanälen und den Seen so­wieso, in denen Tausende Flamingos stehen. Und an der Küste wird in den teils rosa schimmernden Salinen Salz gewonnen.

Ein üppiger Garten aber, wie Sternekoch Armand Arnal ihn für das Sterne-Restaurant »La Chassagnette« angelegt hat, ist in der landschaftlich eher kargen Camargue die Ausnahme. »Und eine Herausforderung«, sagt Arnal über dieses Paradies aus Obst, Gemüse, Kräutern und ein paar Blumentupfern, durch das man nach dem Essen spazieren kann. Auch das Getränke-Pairing ist ungewöhnlich: Statt Weinen gibt es Obst- und Gemüsesäfte zum Gemüse-Menü.

© Sascha Rettig

Dabei sind die Gerichte nicht nur wunderschön angerichtet, kreativ und mit Liebe zum Detail, sie machen vor allem eigene Erzeugnisse zum Ereignis: Unter dem frischen Al-dente-Gemüse mit Bohnen und gelben Tomaten versteckt sich eine Reis-Creme. Und das Dessert besteht aus Schichten von Verbenenparfait und pochiertem Rhabarber. Vor allem aber die Vorspeise bleibt im Gedächtnis. Die Rote-Rüben-Gazpacho auf Pak-Choi-Püree ist ein Fest der Sinne in intensivsten Farben, die unter der südfranzösischen Sonne noch einmal intensiver leuchten.

Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2017

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A Côté de Jean-Luc Rabanel
Bereits mit zwei Michelin-Sternen wurde Koch Jean-Luc Rabanel ausgezeichnet, der in einer Gasse im...
21 Rue des Carmes, 13200 Arles
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