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New York: Big Apple zum Anbeißen

New York ist ein Ansturm auf die Sinne: Keine andere Stadt der Welt bietet auf so engem Raum eine so große Vielfalt an Eindrücken wie NYC.

Die Tür klemmt ein bisschen, wie bei vielen alten New Yorker Gebäuden. Mit jedem Schritt vermischt sich das Knarzen des Holzbodens mit der Klaviersonate Nr. 6 von Mozart, die das Internetradio Pandora im Hintergrund abspielt. Es riecht leicht süßlich nach Kakao. Schokolade in allen Variationen, exquisit zu kleinen Geschenken und Mitbringseln verpackt, quillt aus alten Glasvitrinen. Verspielte Luster baumeln von der hohen Decke, die Wände sind in Türkis und Gold gestrichen. Ein Schild weist auf eine versteckte Kakaobar im Hinterzimmer hin.

Erlebnis für die Kunden

»Alles muss zuerst visuell sein. Mit einem Schuss Humor«, erklärt David Condo, der Geschäftsführer des Ladens namens MarieBelle, einem Schokoladentraum für Erwachsene: »Die romantische Atmosphäre soll ein Erlebnis für die Kunden schaffen.« In der Vitrine unter der Kasse warten wohlkalkuliert unzählige Stücke Ganache mit verschiedenen Bildern aus Kakaobutter und Lebensmittelfarbe. Sie zeigen Liebespaare oder Menschen, die Yoga machen, und sie erzählen alle eine Geschichte, besondere Momente von Maribel Lieberman, der Gründerin. Sie schmecken nach Matcha mit weißer Schokolade, Passionsfrucht, nach Basilikum oder Whisk(e)y. 40 verschiedene Sorten lassen wahrscheinlich kaum einen Wunsch offen. Die Kakaobohnen stammen aus Honduras, wo Maribel aufgewachsen ist. Billig ist das Einkaufserlebnis im Schoko-Fantasieland nicht. Dafür steigt die Stimmung garantiert. Kleine, wunderschöne Geschäfte wie dieses machen New York aus, vor allem SoHo. South of Houston Street war früher ein Künstler- und Handwerker-Viertel, heute ist es eine der beliebtesten Shopping-Gegenden der Stadt.
Opulent liebt es auch der Künstler Julian Schnabel. Um das zu erkennen, muss man nicht extra in ein Museum gehen. Schnabel ist nicht nur Maler und Regisseur (sein Van-Gogh-Film kommt demnächst ins Kino), er hat auch dem »Gramercy Park Hotel« seinen unvergleichlichen Stempel als Designer aufgedrückt, und Bilder von unschätzbarem Wert von ihm, Andy Warhol, Keith Haring oder Damien Hirst hängen dort an den Wänden. In dem glamourösen Hotel sind schon die Beatles, die Kennedys und viele andere VIPs abgestiegen. Für manche Gäste ist aber nicht das Design, sondern ein simpler Schlüssel das Highlight: der Schlüssel zum Gramercy Park. Ein Juwel mitten in der Stadt, zu dem sonst nur Anwohner Zutritt haben.

In Little Bohemia, wie der westliche Teil von Greenwich Village mit seinem dörflichen Charakter und den Backsteinfassaden genannt wird, lebt und arbeitet Schnabel in der 11th Street/Ecke Washington Street. Sein rosa Märchenpalast befindet sich nur ein paar Schritte von Kurt Gutenbrunners Sterne-Restaurants »Wallsé«, wo man mit etwas Glück nicht nur den Künstler, sondern auch Musikerin Laurie Anderson (Witwe von Lou Reed) oder Schauspieler Hugh Grant antreffen kann. Die TV-Serie »Sex and the City« wurde zum Teil eine Straße weiter in der Perry Street gedreht. Wie im Film kommen Schuhliebhaber bei High-Heels-Gott Christian Louboutin in der Horatio Street auf ihre Kosten. Ganz nebenbei lässt sich auch schon mal beobachten, wie persönliche Shopping-Assistenten für VIPs Schuhe kaufen und per Telefon rückchecken. »Oh darling, these would look fabulous on you …«

Von hier aus gibt es mehrere Möglichkeiten für einen netten (Verdauungs-)Spaziergang: Zum Beispiel auf der High Line, einer alten Gütertrasse zehn Meter über der Straße. Zwischen 1934 und 1980 sind hier Güterzüge gefahren. Heute ist die verwitterte Hochbahnlinie eine der Hauptattraktionen in New York und erstreckt sich von der Gansevoort Street im Meatpacking District bis zur 34. Straße auf der West Side. Im Sommer ist sie eine grüne Oase im urbanen Alltagsgrau. Die High Line ist durch eine Nachbarschaftsinitiative und die Hilfe von Designerin Diane von Fürstenberg zustande gekommen. Sie kümmert sich derzeit schon wieder um ein neues Projekt – die Finanzierung eines multimedialen Museums über die Freiheitsstatue auf Liberty Island.

Vielfältiger Chelsea Market

Ein paar Straßen weiter kann man den Chelsea Market in der alten Nabisco-Keksfabrik durchstöbern. Der Markt beherbergt ein buntes Sammelsurium: von einem hervorragenden Fischgeschäft über Restaurants und Highend-Take-outs bis zu Shops und Bäckereien. Ganz nach dem Motto »Eat, drink, shop.«
Lieber ein Abstecher auf die berühmte Bleecker Street mit ihren vielen kleinen Bars, Comedy-Clubs und Shops? Beim Flanieren stößt man unweigerlich auf Murray’s Cheese (Nr. 254). New Yorker kaufen hier hauchdünn ge-schnittenen Prosciutto, Mortadella und köstlichen Käse ein. Wer hungrig ist, kann sich auch ein Sandwich machen lassen und es auf einem der Barstühle verzehren.

Mekka für Gourmetköche

Ein Schild vor dem Laden bringt das hektische Leben vieler Menschen hier auf den Punkt: »New Yorkers do not cook.« Aber das braucht man auch gar nicht, denn New York ist das Mekka der Gourmetköche und ein Dorado für Foodies und Sternejäger. In kaum einer anderen Metropole gibt es so viele Sternerestaurants wie im Big Apple. Manche sind wegen ihrer einzigartigen Küche sogar eine längere Reise wert.
In der Stadt, die niemals schläft, gibt es fünf Gourmettempel mit drei Sternen, elf mit zwei Sternen und 56 Restaurants mit einem Michelin-Stern. Zu den Drei-Sternern zählen »Chef’s Table at Brooklyn Fare« (wieder nach Manhattan übersiedelt), »Eleven Madison Park«, »Le Bernardin«, »Masa« und »Per Se«. Besonders erwähnenswert ist dabei das »Masa« von Chef Masa Takayama am Columbus Circle, weil hier eigene Gesetze gelten. Es gibt keine Speisekarte, sondern ein fixes Menü. Fix ist auch der Preis. Es kostet pro Person 595 US-Dollar (515 Eu-ro), ohne Getränke, ohne Steuer. Trinkgeld nimmt das »Masa« nicht, weder in bar noch per Kreditkarte. Das sei Teil des Erlebnisses hier, heißt es schon auf der Homepage.
Apropos Erlebnis: Wer zu Hause etwas erzählen will, sollte unbedingt im »Gem« vorbeischauen. Ebendort kocht mit Flynn McGarry ein gerade einmal 19-Jähriger groß auf, der ob seines Alters auch »Justin Bieber des Essens» genannt wird – wobei McGarry, der sein Handwerk bei Daniel Humm im »Eleven Madison Park« und bei Rasmus Kofoed im »Geranium« in Kopenhagen gelernt hat, weit weniger polarisiert. Seine Gäste lieben das lockere Ambiente im »Gem«, seine außergewöhnlichen Kreationen (Seeigel mit Karotte und Kaffee beispielsweise) und die moderaten Preise – für ein 12- bis 15-gängiges Menü verlangt der sogar von der gestrengen »New York Times« hochgelobte Teenie gerade einmal 155 Dollar inklusive Trinkgeld.

Feinschmecker haben also die Qual der Wahl. New York City hat in Summe rund 18.000 Restaurants – das ist auch für eine Metropole dieser Größe nicht gerade wenig. Das Gute: Das hohe kulinarische Niveau kommt auch Besuchern mit schmälerem Geldbeutel zugute. In New York mit einem Restaurant über viele Jahre zu bestehen ist jedoch eine Kunst. Die Konkurrenz ist groß, permanent schießen neue Lokale aus dem Boden, genauso schnell verschwinden aber auch regelmäßig Lokale von der Bildfläche. Gute Mitarbeiter sind Mangelware. Dazu kommen horrende Mieten, die erst einmal verdient werden müssen. Viele Restaurants haben in den letzten Jahren zugesperrt, weil der Vermieter bei Ablauf des alten Mietvertrags wesentlich mehr Geld gefordert hat.
Jetzt ist aber Zeit für eine Pause. Einen Steinwurf vom überlauten, hektischen Broadway entfernt weist nur ein Minischild auf das Boutique-Hotel »The Broome« hin. Und das wollen die Besitzer auch nicht ändern. Im Eingangsbereich duftet es nach Lavendel. Der marokkanisch gestaltete Innenhof ist eine Oase der Ruhe. Die Gäste tauchen in eine komplett andere Welt ein. Vier der 14 Zimmer gehen in den Innenhof, der Rest auf die Straße. Schallschutzfenster blocken Lärm ab. Entzückend auch das Café, in dem Eduardo den Gästen morgens Frühstück zubereitet. Dass Platz in New York Mangelware ist, spiegelt sich jedoch auch in der Zimmergröße und im Preis wider. Je nach Saison legt man für ein – freundlich ausgedrückt – nicht gerade großes Zimmer pro Nacht schon mal 200 bis 400 US-Dollar ab.

Ein Garten für den Gast

Ebenfalls ruhig inmitten des Geschehens geht es im »The Crosby Street Hotel« wenige Meter weiter zu. Es wurde vom Designer-/Architekten-Paar Kit und Tim Kemp gestaltet. Während im Restaurant auch Nicht-Hotelgäste speisen können, ist der Skulpturen-Garten im Innenhof nur Hotelgästen zur inneren Einkehr vorbehalten. Die Zimmer hat Kit jeweils unterschiedlich gestaltet. Eines haben jedoch alle gemeinsam: Die Betten haben ein hohes Kopfteil und das gleiche Dekor wie eine Schneiderpuppe, auf der man zum Beispiel sein Sakko aufhängen kann. Und die Meadow-Suite bietet etwas, das wohl sonst kaum ein Hotel in einer Millionen-Metropole zu bieten hat: Wer hier übernachtet, kann im Sommer exklusiv im eigenen Garten die Zehen ins Gras stecken und im Winter einen Schneemann bauen. Im haus-eigenen Kinosaal werden sonntags Filme ge-zeigt. Das »Crosby« ist mit rund 100 Zimmern jedoch größer und teurer als beispielsweise das »Broome«.  
Auch auf dieser Seite des Broadway stechen ein paar kleine Geschäfte für Feinschmecker heraus. »Harney and Sons« zum Beispiel, ein Teeladen, der viele Hotels und Restaurants beliefert und auch ein Stück SoHo zum Mitnehmen verkauft: den »SoHo Blend«. Chinesischer schwarzer Tee mit Schokolade, der nach Vanille und Kokosnuss riecht. Wunderschöne orange-rote Amaranth-Blütenblätter geben dem Tee einen optischen Kick. Ein Säckchen mit etwas mehr als 110 Gramm gibt es für 9 Dollar. Neben dem SoHo-Tee ist auch der »Celebration Tea« ein Bestseller. Weniger wegen des Geschmacks nach Aprikosen, Haselnuss und Zimt, sondern offenbar auch hier wegen der Optik. »Die blauen Kornblumen schauen hübsch aus und ziehen viele an«, erklärt Jack, einer der Mitarbeiter. Wer will, kann pro Person eine Teesorte nach Wunsch gratis verkosten.

Filmreif

Erinnern Sie sich noch an »Harry und Sally«? Den Kinoklassiker, in dem Meg Ryan als Sally ihrem Harry (Billy Crystal) einen Orgasmus vorspielt und ein anderer Gast daraufhin genau das haben will, was sie auch bestellt hat? Diese Szene spielt im »Katz’s Deli« auf der Lower East Side, einer echten Institution (seit 1888). Der Film ist zwar schon Jahre her, doch die Fans rennen dem alten jüdischen Restaurant noch immer die Türen ein. An manchen Tagen ist die Schlange draußen richtig lang, während drinnen Oktoberfest-Stimmung herrscht. An der Theke kann man Pastrami-Sandwiches ebenso ordern wie Kosher Style Corned Beef.
Bei »Russ and Daughters« wenige Meter weiter steht Fisch im Mittelpunkt. Ebenfalls ein alter jüdischer Gourmet-Laden – Bagel mit Cream Cheese und Lox ist ein Bestseller. Die Frage ist nur, welcher Cream Cheese? Mit Kaviar, Ziegenkäse oder doch Whitefisch & Baked Salmon? Aber die Kunden haben ohnehin jede Menge Zeit zum Überlegen. Denn der Andrang ist groß, und jeder muss zunächst einmal eine Nummer ziehen.

Speakeasy und Rooftop

Zeit für einen Drink? Das »PDT« ist keine gewöhnliche Bar, sondern eine Speak­easy-Bar. Versteckt hinter einer Telefonzelle in einem Lokal befindet sich die eigentliche Bar. Also, rein in die Telefonzelle, Hörer abnehmen. Dann öffnet eine Hostess die Tür zur Bar. In Zeiten der Prohibition durften nur Eingeweihte wissen, wo Alkohol ausgeschenkt wird – eben in geheimen Hinterzimmerbars, eingerichtet von Mafiabossen.
Wem das zu viel des Guten ist, dem sei der Weg aufs Dach empfohlen. Rooftop-Bars sind für New-York-Besucher fast schon ein Muss, teilweise ersetzen sie sogar bereits Nachtclubs. Manche sind das ganze Jahr über offen und es wert, vorbeizuschauen. Zum Beispiel das »230 Fifth Avenue« – hier kann man nicht nur ein Super-Selfie mit dem Empire State Building im Hintergrund machen, sondern auch rundherum gehen. Nach eigenen Angaben ist das »230 Fifth Avenue« die größte Rooftop-Bar New Yorks. Und im Winter können Gäste auch in Iglus draußen sitzen – nach dem Motto »Bubbles in a bubble«.


Maximilian Riedels Lieblings-Restaurants

Die Liebe traf ihn mitten ins Herz, da war Maximilian Riedel gerade einmal 23 Jahre alt: Nach einem Zwischenstopp in Paris übersiedelte der heutige Chef der Kufsteiner Glasmacher-Dynastie nach New York, um dort das US-Management von Riedel Crystals zu übernehmen. Riedel profitierte von der wachsenden Weinliebe der Amerikaner und konnte im Laufe seines Aufenthalts die Verkaufszahlen in den USA und Kanada mehr als versechsfachen. Die von Riedel entworfene Glasserie »O« (ohne Stiel) erhielt in den Vereinigten Staaten eine Vielzahl an Auszeichnungen, unter anderem vom Museum Of Modern Art in New York. Noch heute reist der 41-Jährige regelmäßig nach New York – nicht nur, weil viele der Kulinarik-Hotspots im Big Apple auf seine Ware setzen. Uns hat der zweifache Familienvater seine Gourmet-Geheim-Tipps verraten.

  • The Four Seasons Restaurant – einer der neuesten Hotspots in New York, der erst im August aufgemacht hat. Das Restaurant bietet »Upscale American Cuisine«.
  • Eleven Madison Park – im Flatiron District, nur ein paar Blocks von unserem Showroom. Das Drei-Sterne-Restaurant ist aktuell die Nr. 4 unter den »World’s 50 Best«.
  • City Winery – verfügt über sechs Standorte in den USA, seit 2008 Riedel-Partner.
  • Locanda Verde – Geheimtipp in Tribeca. Klasse Atmosphäre, gutes Essen.
  • Maialino – klassische italienische Küche im  »Gramercy Park Hotel«.
  • Restaurant Daniel – Daniel Bouluds (2 Sterne) Flagship-Restaurant mit klassischer französischer Küche.
  • Union Square Café – das erste Restaurant von Chef Danny Meyer.
  • Marea – Central Park South, 2-Sterne-Restaurant mit erstklassiger italienischer Küche.
  • The Modern – in Midtown gelegenes 2-Sterne-Restaurant, ebenfalls von Danny Meyer. Geboten wird »new American cuisine«.
  • Wallse – im West Village. Kurt Gutenbrunner – ein langjähriger Freund – bietet moderne österreichische Küche. Perfekt, wenn man Heimweh hat.

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2018

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Angelika Ahrens
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