Im Allas Sea Pool kann man das ganze Jahr über seine Runden drehen. Den Drink danach genießt man mit herrlichem Blick auf den Hafen und die Altstadt.

Im Allas Sea Pool kann man das ganze Jahr über seine Runden drehen. Den Drink danach genießt man mit herrlichem Blick auf den Hafen und die Altstadt.
© Eetu Ahanen

Long Weekend Helsinki: Mehr als geselchter Elch

»Die weiße Stadt« ist ein Schmelztiegel aus Cappuccino und Zimtschnecken, Champagner und Rentier, Erdbeeren und Cloudberry-Likör.

Freitag

Im 1937 eröffneten eleganten »Savoy« am Park Esplanade stammt die gesamte Einrichtung von Architektenlegende Alvar Aalto.
In den meisten Köpfen steckt: Samstag ist Markttag – doch das ist Unsinn. Im Regelfall wird man da von Menschenmassen erdrückt, wir sagen daher: Freitag ist Markttag. 
An keinem anderen Ort genießen die Finnen ihr Frühstück so üppig wie am Kauppatori, dem großen Marktplatz am Hafen, wo ausgezeichneter Kaffee und die Nationalsüßspeise »Korvapuusti« (Zimtschnecken) gereicht werden. Bei schönem Wetter gibt es kaum einen herrlicheren Tagesbeginn: Man sitzt unter Sonnenschirmen, genießt den Blick aufs Meer und zieht mit der freundlichen Gelassenheit der Finnen mit. Dieser charmante Wesenszug der zu Unrecht als verschlossen geltenden Menschen wird den Besucher für die nächsten 72 Stunden nicht so bald loslassen.

Bei Schlechtwetter bietet die denkmalgeschützte historische Kauppahalli (Markthalle) gleich daneben Zuflucht. Hier gönnt man sich einen Toast Skagen – ein Snackklassiker mit Krabben, Sauerrahm und Dille; man findet herrlichste Lachse und Heringe sowie deren Kaviar, abgefüllt in großen, transparenten Gläsern. »Rapu« werden die kleinen Süßwasserkrebse genannt, die vor allem zwischen Juhannus, dem Mittsommerfest im Juni, und Frühherbst genossen werden. Schade, dass man nichts davon mit heim nehmen kann, für kulinarische Transporte eignen sich höchstens das spezielle Roggenbrot (»Ruisleipä«) oder der Hartkäse »Turunmaa«. Für festere, nicht zu üppige Nahrung deckt die wenige Gehminuten entfernte Gastrobar »Emo« den idealen Mittagstisch. Die Karte umfasst ein Dutzend Speisen (Baltic Hering, Zwergmaräne, Hirschfilet), die Preise sind moderat. Abends der erste kulinarische Pflichtbesuch – im »Savoy«. Die Küche ist auf gehobenem Niveau traditionell; wirklich kultig ist das Interieur. Das »Savoy« wurde 1937 eröffnet und komplett mit Möbeln und Accessoires von Architekten-legende Alvar Aalto bestückt. Für Designlieb-haber ein Ausflug ins Paradies! Jeder Tisch ist übrigens mit der berühmten wellenförmigen Vase Alvar Aaltos geschmückt; sie heißt genauso wie das Restaurant: »Savoy«.

Samstag

Der Helsinkier schafft es mit wenigen, aber sorgsam gewählten Mitteln selbst eine grüne Wiese in einen hippen Ort zu verwandeln.
So unprätentiös wie der Helsinkier selbst ist sein Zugang zum Genuss. Design ist in der Stadt sowieso omnipräsent – vor fünf Jahren wurde Helsinki zur Welt-Designhauptstadt gekürt, es gibt ein sehenswertes Design-Museum und einen Design-District. Also bewegt sich der Bewohner dieser Stadt durch die schicksten Orte wie unsereins durch Heurigen, Schanigarten oder Wirtshaus. Und er schafft es mit wenigen, aber sorgsam gewählten Mitteln, selbst eine grüne Wiese in einen hippen Ort zu verwandeln. Bei schönem Wetter besorgt er sich einen Picknickkorb, den er in der Kauppahalli mit Champagner, gebeiztem Lachs und frischen Erdbeeren befüllt. Danach geht es mit dem Wasserbus zur Seefestung Suomenlinna, einem der populärsten Ausflugsziele der Stadt. Es gilt also: Do as the Helsinkiers do!

Spätestens abends verlangt diese Bodenständigkeit nach einem Gegenprogramm: Das »Olo«, Träger eines Michelin-Sterns, zählt zu den besten, innovativsten (und teuersten) Adressen der Stadt – weitere Player in der Liga sind das »Demo«, das »Ask« und das »Chef & Sommelier«. Bei allen vieren sollte man unbedingt Tage im Voraus reservieren! Am Herd des »Olo« steht Jari Vesivalo, einer der Protagonisten der Nordic-Top-Chefs. Speisen wie Lammtatar mit Grünkohl oder Emmergrieß mit Rentierherz serviert er unkonventionell auf Holzrinden, »Keramikscherben« oder auch schon mal im Kleie-Kistchen. Von ihm bekannte Statements, wie »Mir ist egal, ob einer weiß, wie man die Gabel hält, Hauptsache, es schmeckt ihm!«, müssen nicht als Aufforderung verstanden, dürfen aber persönlich genommen werden.

Sonntag

Das »Elite« ist ein nordisches Gegenstück zu Lokalen wie dem »Colombe d’Or« in Südfrankreich oder der »Kronenhalle« in Zürich.  
Jede Stadt hat ihre magischen Orte – in Helsinki zählt die evangelische Temppe-liaukio-Kirche dazu. Man muss kein religiöser Mensch sein, aber dem Zauber dieses ungewöhnlichen Ovals, das in den 1960er-Jahren mitten in einen nackten Fels hineingehauen wurde, kann man sich nur schwer entziehen. Tageslicht strömt über 180 schmale, langgezogene Fenster herein, die wie Sonnenstrahlen rund um die gigantische Kupferkuppel angebracht sind. 
Festen Boden nach der Erleuchtung von oben gewinnt man bei dem etwa 15-minütigen Spaziergang zum »Farang«, dem besten Asiaten der Stadt. Erfreulicherweise hat dieser bis 17 Uhr offen und eignet sich damit auch für einen Late Lunch. Geschmacklich siedelt sich die Küche des »Farang« in Südostasien an. Vor allem Vegetarier erleben hier ihre Freude, da es eine bemerkenswerte Auswahl an fisch- und fleischfreien Speisen gibt. Ein weiteres Goodie: Das »Farang« liegt in der Kunsthalle Helsinki – nachdem man es mit leichtem Magen verlassen hat, bleibt noch genug Energie für einen Rundgang durch die Ausstellungen. 

Wie in fast allen europäischen Metropolen gestaltet sich auch in Helsinki der Sonntagabend nicht ganz einfach. Im »Elite« aber bringt man einen kulturreichen Tag perfekt zum Ausklang. Musiker, Schriftsteller und Schauspieler laben sich im 30er-Jahre-Ambiente an der traditionellen Lachssuppe, die mit groben Erdäpfelstücken und Dille serviert wird, an »Pyttipannu«, einem Resterlessen aus Erdäpfeln, Wurststücken, Karotten und Zwiebeln, oder an einem Sirloin-Steak mit cremigen Zwiebeln. Das »Elite« ist ein nordisches Gegenstück zu Lokalen wie dem »Colombe d’Or« in Südfrankreich oder der »Kronenhalle« in Zürich – an den Wänden hängen Bilder berühmter skandinavischer Künstler, was erheblich zur einzigartigen Atmosphäre dieses Platzes beiträgt.

Aus Falstaff Magazin Nr. 04/2017

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