Von der Ostseeküste nicht wegzudenken: die hübschen reetgedeckten Häuser direkt hinterm Deich.

Von der Ostseeküste nicht wegzudenken: die hübschen reetgedeckten Häuser direkt hinterm Deich.
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Küstenglück an der Ostsee

Die Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern zieht jedes Jahr mehr Touristen an. Entlang der idyllischen Strände haben Köche einen unverkennbar nordischen Stil entwickelt.

Perlen, Ringe, Armreifen und 600 Silbermünzen – als zwei Hobby-Archäologen kürzlich auf einem Feld nahe Schaprode im Nordwesten Rügens auf einen sagenhaften Schatz des Dänenkönigs Harald Blauzahn (910–987) stießen, war die Sensation groß. Schon einmal hatte man auf der Nachbarinsel Hiddensee einen Goldfund gemacht, der ebenfalls dem Wikingerkönig zugeordnet wird. Die mecklenburg-vorpommersche Küste – eine einzige Schatztruhe? Dabei liegt der wahre Reichtum im Meer: Silbrig glänzen die Heringe, die Hornhechte und Dorsche, wenn sie den Kutterfischern ins Netz gehen. Lange Zeit haben diese gut von ihrem Fang leben können. Nun gehen die Fischbestände zurück und die Preise fallen. Schlechte Zeiten für Fischers Fritze! So manch einer sah sich schon auf Touristen- statt auf Fischfang gehen, um seinen Lohn einzuholen.
Einer, der das kulturelle, aber auch kulinarische Erbe Rügens bewahren will, ist Mathias Schilling. Der Landwirt und Gastronom sah die Fischkutter vor seinem Gasthof in Schaprode jeden Tag im Hafenbecken schaukeln. Er kaufte hier den Fisch für seine Gäste, man kam ins Gespräch. Schnell war eine Kooperationsidee geboren – ein Netzwerk aus Fischern, Produzenten, Händlern, Gastronomen und Genießern.  Im »Hiddenseer Kutterfisch – Konservenladen« stapelt sich das Ergebnis in den Regalen: Brathering in Gläser, Bückling in Dosen. Die Fische kommen frisch aus der Ostsee und werden dann in der letzten noch verbliebenen Konservenmanufaktur in Stralsund verarbeitet, bevor sie in hübsch designter Verpackung in den Shop kommen. Wer die regionalen Köstlichkeiten kauft, trägt dazu bei, dass es vielleicht auch morgen noch Menschen gibt, die mit ihren Kuttern hinausfahren, um das Silber des Meeres einzuholen.

Mathias Schilling, der vor einigen Jahren von Berlin auf die kleine Privatinsel Öhe – einen Steinwurf von Schaprode entfernt – zog, um dort die Rinderrassen Blonde d’Aquitaine und Limousin zu halten, ist zu einem Motor für innovative Foodkonzepte auf Rügen geworden. Und zu einem Bewahrer von kulinarischen Traditionen. Mit »Schillings Gasthof« hat er eine junge, frische und unkomplizierte Genussinstitution geschaffen. Vor allem die Burger aus dem Bio-Fleisch seiner auf Salzwiesen grasenden Rinder sind der Renner.
Gleich nebenan ist Schillings Hofladen entstanden, in dem das zu Wurst verarbeitete Fleisch sowie regionale Produkte wie Honig und Konfitüren verkauft werden. Auch eine reetgedeckte alte Kate verwandelte der 36-Jährige zusammen mit seiner Frau Nicolle in ein charmantes Urlaubsdomizil mit Ferienwohnungen. Mit »Tante Hedwig« hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner jetzt zudem ein Café mit tollem Kuchenangebot kreiert. Und im Sommer eröffnet der »Hafenkater« auf Hiddensee und mischt mit seinem modernen Konzept die Restaurantszene auf Rügens autofreier Nachbarinsel auf.
Von solch foodverrückten Enthusiasten gibt es viele an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern. Menschen, die etwas bewegen, die Traditionen wieder beleben, die regionale Schätze heben wollen – auch zum Wohl der Touristen, die das sonnenverwöhnte Bundesland im Nordosten Deutschlands immer öfter als Urlaubsziel wählen. Die treffen hier auf engagierte Produzenten und Köche, die aus regionalen Zutaten hochkreative Köstlichkeiten zaubern. Zwölf Restaurants sind vom Guide Michelin allein an der östlichen Ostseeküste mit einem Stern ausgezeichnet worden.

Vom Schwarzwald an die See

Einer, der sich schon seit Jahren um die neue norddeutsche Küche verdient macht, ist Ralf Haug. Der Koch, der im Badeort Binz mit seinem Restaurant »Freustil« begeistert, führt die Bestenliste auf Rügen unangefochten an. Seinen Stil beschreibt er selbst bescheiden als »Heimatküche«. Dabei ist das, was der gebürtige Schwarzwälder da kreiert, handwerklich subtil erstelltes, alle Sinne ansprechendes Genusskino – und zwar eindeutig mit nordischem Touch und großer Produktliebe.
In der Bäderarchitektur-Schönheit Binz mit viel wilhelminischem Schnörkel setzt sein Restaurant »Freustil« mit heller, freundlich verspielter Skandinavien-Moderne einen erfreulichen Kontrast. Sein Menü bietet er mit sechs kleinen Gängen für 60 Euro an, ein mehr als fairer Preis für eine kulinarische Reise über die Insel Rügen. Mehr als Gaudi hat der sympathische Koch zusammen mit seinen Mitarbeitern aus »ein paar bunten Brettern« die »Canteen« zusammengezimmert, eine Art unkompliziertes Bistro gleich nebenan, in das man für kleine Snacks und ein, zwei Gläser Wein einkehrt – oder für das täglich wechselnde Captainsdinner in drei Gängen für 19 Euro. Es muss ja nicht immer Kaviar sein!

Auf der Insel Usedom ist ebenfalls ein produktvernarrter Küchenpoet unterwegs: Tom Wickboldt. Seine Wirkungsstätte, das Restaurant »The O’Room« im Seebad Heringsdorf, eröffnete im April vergangenen Jahres und durfte sich schon im November mit dem ersten Michelin-Stern schmücken. Nach zwanzig Jahren in der Topgastronomie an verschiedenen Orten ist der in Rostock Geborene wieder in seine Heimat an die Küste zurückgekehrt. Den heimischen Produkten bereitet Tom Wickboldt eine große Bühne: Zum Beispiel dry-aged Rindfleisch von einem mecklenburgischen Bauernverband oder Wild vom lokalen Jäger.
Eine Kräuterfee sucht für ihn dazu Usedom nach besonderen Wildkräutern ab. Und natürlich sind die Fischer vor der Küste seine persönlichen Helden. Vor allem Fischer Petersen aus Heringsdorf bringt ihm – je nach Jahreszeit – Schnäpel (eine Ostsee-Lachsart) oder auch einen Steinbutt an Land. »Ich habe ein Faible für ein spannendes Mundgefühl«, sagt Tom Wickboldt. Cremig und crunchy – solche Kontraste liebt der Ostdeutsche auf dem Teller. Und vor allem Fonds und Saucen. Dafür lieben ihn seinen Gäste.

Ab in den Beachclub!

Manchmal muss es aber gar nicht die große kulinarische Inszenierung in mehreren Gängen sein. Da reicht der richtige Ort zur richtigen Zeit. Der Platz an der Sonne, mit weitem Blick übers Meer. Der Weißwein gut gekühlt im Glas, dazu ein paar gut gemachte, leckere Happen. Auch das hat die Küste im Angebot. Solch ein besonderer Ort ist das »Deck Heiligendamm«. Der Beachclub liegt ein paar Meter oberhalb des Strands in der Nähe des »Grand Hotel Heiligendamm« mit seinem Gourmetrestaurant »Friedrich Franz« – dort, wo Sterne­koch Ronny Siewert zwischen handgemalten Seidentapeten im Glanz von Kronleuchtern seine Gäste ganz klassisch französisch verwöhnt.
Aber das »Deck Heiligendamm« von Sarah Fleischer und Patrick Haninger, einem Hawaiianer, ist ganz anders: eine unkomplizierte Open-Air-Location mit einer Bar, die in die Sterne schauen lässt, umgeben von üppigen Grün; dazu ein paar Holztische und -stühle auf einer großen Terrasse, auf der Lieblingsgerichte mit Einflüssen aus Asien, Europa und Südamerika gereicht werden – eine Art Poleposition fürs Sommerglück. Für einige der schönste Platz an der Ostseeküste.

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2018

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Brigitte Jurczyk
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