Schulmädchen in Uniform spazieren durch Havanna.

Schulmädchen in Uniform spazieren durch Havanna.
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Kuba: Meer, Salsa, Mojito und karibische Lebenslust

Kuba übt eine zeitlose Faszination aus. Doch das politische Tauwetter zwischen den USA und Kuba könnte das einzigartige Inselflair völlig verändern. Was wird dann übrig bleiben?

Der Bass brummt in tiefen Tönen. Takt für Takt untermalt er den warmen Klang der Gitarre. Kubanische Musik ist pure Leidenschaft. Gleichsam mitreißend ist der Rhythmus des Inselstaats und Havanna sein pulsierendes Zentrum: Salsa tönt aus den Restaurants durch die Gassen, Händler bieten lautstark ihre Ware feil, bunte Oldtimer brausen durch die Straßen. Und doch: Die Fassaden an den Häusern bröckeln, das Angebot in den Geschäften abseits der Touristenpfade ist überschaubar. Einkaufen ist für die Kubaner teuer, sie verdienen durchschnittlich 24 Euro im Monat. Im ersten Jahr der Annäherung zwischen Kuba und den USA ist die Wirtschaft des kommunistischen Inselstaats zumindest um vier Prozent gewachsen. Kubas Machthaber erwarten sich noch mehr, Touristen hingegen bangen um ihren karibischen Sehnsuchtsort: Kuba könnte von Amerikanern überschwemmt werden. Es droht ein Ausverkauf. Deshalb zieht es jetzt Touristen aus aller Welt mehr denn je auf die Insel, um die womöglich letzten Tage des »Originals« zu erleben.

Der morbide Charme Havannas

Kuba ist die größte Insel der Karibik, sie erstreckt sich vom Westen nach Osten über 1250 Kilometer. Touristen sollten dies bei ihrer Planung beachten, sofern sie die Insel auf eigene Faust erforschen wollen. Natürlich kann man vor Ort Wohnmobile oder Pkw mieten und sich auf den Weg nach Santiago de Cuba im Osten machen und auf der Fahrt dorthin Cienfuegos besuchen. Beides sind reizvolle Städte, die einen Besuch lohnen. Aber Tankstellen sind nicht wie in Europa an jeder zweiten Ecke zu finden. Straßenschilder sind rar gesät. Und auf den Autobahnen teilt sich der Autofahrer die Straße mit Fuhrwerken, die von Kühen gezogen werden. Havanna mit seinen zwei Millionen Einwohnern ist das Juwel des Inselstaats. Seine Faszination ist mit Worten schwer zu beschreiben. In jedem Fall trägt eine Architektur dazu bei, wie sie in der Karibik sonst nicht mehr zu finden ist. Fast überall hatten die spanischen Eroberer ihre Prachtbauten hinterlassen. Während diese aber auf den anderen Inseln irgendwann modernen Zweckbauten wichen, stehen sie in der Altstadt Havannas noch immer. Erst seit einigen Jahren hat das auch mit einem kulturhistorischen Interesse zu tun. Dass dieses geweckt wurde, ist dem Stadthistoriker Eusebio Leal Spengler zu verdanken. Er gründete 1994 die Firma »Habaguanex S.A.«, die für die Altstadt-Restaurierung verantwortlich zeichnet – und notabene auch für die Vermarktung. So hat Leal Spengler beispielsweise das »Florida« zu einem der schönsten Hotels der Stadt gemacht. Die Altstadt, UNESCO-Weltkulturerbe, ist groß, und die finanziellen Mittel für Restaurierungen sind begrenzt. Daher sieht man vielerorts ein frisch restauriertes Hotel und nebenan ein für europäische Verhältnisse abbruchreifes Gebäude. Manch Tourist nennt das den morbiden Charme Havannas, fühlt sich an Venedig erinnert. Doch weit gefehlt. Havanna ist im Begriff, ein architektonisches Gesamtkunstwerk zu werden.

Der stolze Kubaner

Die Geschichte Kubas ist nicht nur aufgrund der Architektur allgegenwärtig. Im 20. Jahrhundert war Kuba ein beliebter Zufluchtsort vieler Berühmtheiten. Ernest Hemingway lebte hier über zwanzig Jahre, und man kann immer noch wie er seinen Daiquiri in der Bar »La Floridita« oder den Mojito in der »Bodeguita del Medio« nehmen und im Hotel »Ambos Mundos« wohnen.Nach 1959 gab es in der Karibik und in Mittel- und Südamerika viele Revolutionen samt zahlreicher Aufstände. Aber sie waren entweder erfolglos oder nicht nachhaltig. Nachhaltig heißt für Kuba, dass die Identifikation der Bevölkerung mit den Errungenschaften der Revolution noch sehr hoch ist. Es gibt keinen Anlass zur Romantisierung, auch wenn viele Touristen nach einem Besuch von den lebenslustigen Kubanern erzählen, denen ihre zum Teil schweren Lebensumstände im Alltag nichts ausmachen. Der Kubaner wäre viel zu stolz, einem Fremden zu sagen, dass es am Morgen mal wieder kein fließendes Wasser gab oder abends vielleicht der Strom ausfallen könnte. Und dieser Stolz hat seinen Grund. Tatsache ist nämlich, dass die Analphabeten-Rate Kubas niedriger ist als die der USA. Das Gesundheitswesen ist so gut, dass man an Dritte-Welt-Länder Ärzte ausleiht. Und die Kubaner, die alle eine Schule besucht haben, wissen, dass Schulpflicht und ein funktionierendes Gesundheitswesen vielerorts in der Karibik oder Mittel- und Südamerika Fremdwörter sind.

Kreolische Kulinarik

Die Annäherung zwischen Kuba und den USA macht sich auch für die Touristen bereits bemerkbar. Die Hotelpreise haben heftig angezogen. Anderswo hat sich nicht viel geändert: In staatlich geführten Restaurants fühlt man sich in alte DDR-Zeiten zurückversetzt.Viel spannender sind Paladares – kleine, private Restaurants, die ursprünglich im Wohnzimmer der Gastgeber geführt wurden, heute aber durchaus professioneller in größeren Räumen. Der Klassiker unter den Paladares ist das »La Guarida«. Es liegt im ersten Stock eines unscheinbaren Gebäudes. Hat man den tristen Innenhof überwunden, empfängt den Gast eine Wohnung mit mehreren kleinen Zimmern. Auf den Teller kommen Ceviche, Fisch süß-sauer oder in Weinsauce, Huhn in Honig und Senf mariniert oder Schweinemedaillons in Mango-Sauce.Vergleichbare Gerichte findet man in vielen Restaurants der Stadt, aber man sollte keine europäischen Maßstäbe an die Kreativität der Köche anlegen, die nie außerhalb der Insel Erfahrungen sammeln konnten.Pikant und gut gewürzt heißt vielerorts die Devise, und fast immer ist die Küche durch kreolische Elemente beeinflusst. Schwarze Bohnen liebt der Kubaner, und zur kreolischen Küche gehören unbedingt eine Vielfalt von Gewürzen, Kochbananen und Süßkartoffeln. Die Kubaner sind ebenso Genies im Improvisieren. Denn einen Lebensmittel-Großhandel gibt es auf Kuba nicht. Selbst die Beschaffung von Fisch ist schwierig. Die Kubaner legten nie Wert auf Fisch als Nahrungsmittel. Heute ist es zu spät, denn die kommerziellen Hochseeflotten der Konzerne fischen das Meer leer. Schweinefleisch und Huhn sind ebenso Luxus für den normalen Kubaner. Trifft man auf der Speisekarte Rind oder Kalb an, ist das ebenso ungewöhnlich wie ein Fischangebot.

Zigarren-Eldorado

Vor allem für zwei Produkte ist Kuba weltberühmt und -gerühmt: Rum und Zigarren. Letztere sollten nicht auf der Straße gekauft werden – es sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Fälschungen. Stattdessen lohnt sich ein Besuch der »Casa del Habano« in der »Conde de Villnueva«. Hier arbeitet der vielleicht beste Zigarrenroller der Stadt. Zwar bietet er auch reguläre Havanna-Marken an, aber Liebhaber sollten auf Reynaldos eigene Tabakkompositionen zurückgreifen. Die Preise sind übrigens kaum niedriger als hierzulande.Wer eine Zigarrenmanufaktur besuchen möchte, ist bei »Partagás« richtig. Die Manufaktur befindet sich seit einigen Jahren nicht mehr in dem allseits bekannten Gebäude unweit des Capitols, sondern ist in ein nicht minder beeindruckendes Bauwerk umgezogen, das 1902 errichtet wurde und nach einer aufwendigen Restaurierung seine Besucher heute mit einer Fassade in strahlendem Weiß empfängt.

Kubas bunte Vielfalt

Wer Kuba abseits des Hauptstadtdschungels erleben will, findet 120 Kilometer von Havanna entfernt den perfekten Strandurlaubsort Varadero mit modernen Hotelanlagen. Oder man macht einen Ausflug in die Provinz Pinar del Rio: Das dortige Viñales-Tal ist ebenfalls UNESCO-Weltkulturerbe, und in der umliegenden Region Vuelta Abajo liegt Kubas Tabakanbaugebiet für die legendären Havanna-Zigarren.Wenn der Tag zu Ende geht, treffen sich die Einwohner von Havanna am Malecón. Sie genießen die untergehende Sonne, während die Touristen nicht nur einen Blick auf das Meer, sondern auch auf die frühere Prachtstraße Havannas mit ihren Gebäuden werfen.Allein diese besinnlichen Momente lohnen eine Reise nach Kuba.

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2016

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Frank Hidien
Frank Hidien
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