Malerisch inmitten von Weingärten: Sant'Angelo in Colle, südwestlich von Montalcino gelegen.

Malerisch inmitten von Weingärten: Sant'Angelo in Colle, südwestlich von Montalcino gelegen.
Foto: beigestellt

Der Wirbel um den Brunello

Weingenießer sind verunsichert: Welcher ist nun tatsächlich der traditionelle Brunello? Falstaff hat sich bei den dortigen Winzern umgehört und Überraschendes herausgefunden.

Traditionell? Modern? Diese Frage stellt sich für mich nicht. Gut muss er sein«, sagt Giacomo Neri vom Weingut Casanova di Neri. Ein guter Brunello müsse sich durch hohe Qualität, Einzigartigkeit und Wiedererkennbarkeit auszeichnen. Ob große oder kleine Holzfässer, sei für ihn eine rein kellertechnische Frage und hänge von den Lagen und der Qualität der Trauben ab. So baut er seinen Basis-Brunello ausschließlich im alten großen Holzfass aus. Der »Tenuta Nuova« hingegen reift in Fässern von 300 bis 600 Litern. Genauso handhabt er das beim »Cerretalto«, der aus einer Einzellage mit sehr steinigem, schieferhaltigem Boden stammt.

Einen ähnlichen Mix macht Paula Gloder von Poggio Antico. Der Standard-Brunello wird in großen Holzfässern aus slawonischer ­Eiche ausgebaut. Für Liebhaber der modernen Stilistik mit mehr Frucht und Fülle gibt es den Brunello Altero. Statt drei lagert er nur zwei Jahre in französischen Tonneaux. Die ­Riserva lagert zunächst für ein Jahr in 500-Liter-Fässern, anschließend für zweieinhalb Jahre in großen Holzfässern.

Nicht auf Fassgrößen, auf die Reben kommt es an

Auch Hayo Loacker vom Weingut Corte Pavone will sich nicht auf Fassgrößen festlegen. Nach der ­Vergärung, die auch im Holzfass erfolgt, verwendet er im ersten Jahr kleine Holzfässer, mit zunehmender Lagerung werden dann die Fässer größer. Wichtiger als Größe und Art des Fasses ist für Hayo Loacker als biodynamisch arbeitenden Winzer die akkurate Selektion im Weingarten. Da wird auf Corte Pavone nicht nach einzelnen Lagen oder Parzellen unterschieden, sondern von Rebe zu Rebe. Nur Reben mit ausgewogenem Wachstum eignen sich für Brunello, und das können je nach Witterungsverlauf von Jahr zu Jahr verschiedene sein.

Voll auf Barrique setzt hingegen Giancarlo Pacenti auf seinem Weingut Siro Pacenti. Durch das kleine Eichenholzfass könne die Verbindung zwischen Boden und Wein am besten herausgearbeitet werden. Außerdem garantiere ihm der Einsatz von Barriques – er erneuert jedes Jahr rund 25 Prozent der Fässer – größere Sauberkeit. Durch die dünneren Fassdauben ist der Sauerstoffaustausch im Wein größer, die Weine werden weicher und früher zugänglich und sind dabei trotzdem sehr langlebig.

Elisabetta Gnudi, Besitzerin von Caparzo und Altesino, sieht das ganz anders. Sie bezeichnet sich als Traditionalistin durch und durch und hat in ihren Kellern kein einziges Barrique stehen. Mit der Lagerung im großen Holzfass bekämen die Weine feinen Duft und Eleganz. In anderen Gebieten könne der Einsatz von Barriques durchaus sinnvoll sein, meint Gnudi, nicht aber in Montalcino. Da solle man bei der Tradition bleiben, sonst, so fürchtet sie, verliere man die Identität.

Giuseppe Bianchi von Ciacci Piccolomini hat in seinem Keller auch Barriques stehen. Seinen Brunello aber lagert er ausschließlich im großen Holzfass, meint er kategorisch. Ähnlich hält es Giulio Salvioni, wobei Tradition in seiner Produktion auch noch den Verzicht auf Reinzuchthefen und andere Pülverchen sowie Zusatzstoffe mit einschließt.

Verschiedene Hölzer für verschiedene Aromen

Dass die Stilistik des Weins mit der Art des Holzfasses in Verbindung gebracht werden kann, sieht man auch am Beispiel des Weinguts Il Poggione. Diese Weine sind in der Szene als große Klassiker bekannt. Sie reifen zwar in großen Holzfässern, seit dem Jahr 1996 sind diese Fässer aber nicht mehr aus slawonischem, sondern aus französischem Eichenholz gemacht. Die Tannine des Sangiovese würden durch das französische Holz einfach feiner und eleganter, meint Fabrizio Bindocci, Leiter des Weinguts.

Auf einen Blick: Brunello di Montalcino

In der Gemeinde Montalcino – 40 Kilometer südlich von Siena, 40 Kilometer Luftlinie vom Meer – gibt es 3500 Hektar Rebfläche, davon werden 2100 für die Erzeugung von Brunello di Montalcino DOCG genützt. 220 Betriebe füllen dort im Schnitt neun Millionen Flaschen pro Jahr. Brunello darf nur aus der Sangiovese-Traube gekeltert werden; er muss fünf Jahre lagern, davon mindestens zwei Jahre im Holzfass, bei Riserva sind es sechs Jahre.

Brunello-Skandal: Viel Lärm um nichts!

»Brunellopoli, Skandal um gefälschten Brunello!«, tönte es zur Eröffnung der Vinitaly 2008 in der Presse. In mehreren Betrieben in Montalcino wurden die Keller versiegelt und große Weinmengen beschlag­nahmt. Der Verdacht: unerlaub­ter Verschnitt des Sangiovese mit anderen Traubensorten, die im Brunello nichts zu ­suchen haben. Nach eingehenden Untersuchungen kam am Ende aber recht wenig heraus. Nur knapp 1 Prozent des Weins wurde für nicht gesetzeskonform befunden.

Dem Verkaufserfolg des Brunello hat der Skandal (zum Glück) keinen Abbruch getan. Im Gegenteil, die Menge stieg weiter an und erreichte 2011 mit 9,5 Mio. Flaschen einen Höhepunkt. Der vermeintliche Skandal habe dem Brunello sogar zu mehr Aufmerksamkeit verholfen, so der Präsident des Consorzios, Fabrizio Bindocci. »Brunello ist heute der am genauesten kontrollierte Wein, und Unterstellungen wegen mangelnder Reinsortigkeit gibt es keine mehr.« Die Frage nach Brunellopoli verursacht heute nur mehr ein müdes Lächeln. Der Brunello-Skandal ist Geschichte.

Anreise
Per Flugzeug Direktflüge von z. B. Frankfurt oder München nach Florenz (von Wien aus über die deutschen Städte) – danach rd. 100 km Autofahrt nach Montalcino.

Aus Falstaff Magazin Nr. 02/2014

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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An der Hauptstraße von Montalcino gelegen, bietet gut zubereitete traditionelle Gerichte. Große...
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