Genuss unterm Polarlicht: Die Reederei Havila Voyages fährt wie auch Hurtigruten in den höchsten Norden der norwegischen Fjordwelt. Beide Anbieter servieren unterwegs anspruchsvolle Gerichte aus regionalen Zutaten.

Genuss unterm Polarlicht: Die Reederei Havila Voyages fährt wie auch Hurtigruten in den höchsten Norden der norwegischen Fjordwelt. Beide Anbieter servieren unterwegs anspruchsvolle Gerichte aus regionalen Zutaten.
© Havila Voyages

Auf großer Geschmacks Expedition

Die Reederei Hurtigruten bringt ihre Passagiere seit über hundert Jahren in Norwegens faszinierende Fjord-Welt und bietet gleichzeitig Essen der Spitzenklasse. Aber auch andere Anbieter verbinden mittlerweile Kreuzfahrten mit kulinarischen Erlebnissen.

Nirgendwo sonst taucht man so tief in die Welt der norwegischen Küche ein wie bei einer Fahrt mit Hurtig­ruten. Die Reederei wurde 1893 gegründet und hat dank der atemberaubenden Fjordlandschaft, die sie abfährt, längst Kultstatus. Doch sie wurde nicht zum Urlaubsvergnügen gegründet, sondern weil Norwegen eine verlässliche Verbindung für Post und Passagiere entlang der etwa 2500 Kilometer langen Strecke zwischen Bergen im Süden und Kirkenes im Norden brauchte. Ein Visionär mit einem einzigen Dampfschiff startete die »schnelle Route«. Seitdem ist die Flotte auf 16 Schiffe angewachsen.

Øistein Nilsen ist Chefkoch der klassischen Postschiffroute. Nachdem er zehn Jahre lang in Oslo gelernt hatte, begann er 2012 bei der Reederei. Wer mit einem Hurtigruten-Schiff auf der Strecke zwischen Bergen und Kirkenes fährt, kommt in den Genuss seiner ausgeklügelten Gerichte. »Seit 2014 verfolgen wir das Konzept ›The Coastal Kitchen‹«, sagt er. »Seitdem wurde die Verpflegung an Bord radikal umgestellt: von komplizierten Gerichten mit zehn Elementen auf dem Teller, Lobster aus Kanada und Tiefkühlpizza hin zu einer lokalen Küche.«

Heute stammen über 80 Prozent der Zutaten von einheimischen Lieferanten. Die Gerichte des Tages stimmen mit den Orten überein, die wir passieren oder wo wir anlegen. Zum Beispiel sieht man bei Hellesylt die Schafherde grasen, aus der das Fleisch auf dem Teller stammt. So vermitteln wir die norwegische Kultur auch über das Essen – greifbar und authentisch.«

Zum kulinarischen Kulturgut des skandinavischen Landes gehören unter anderem Rentierfleisch und Stockfisch – zwei Zutaten, die trotz des halbjährlichen Menüwechsels immer auf der Speisekarte stehen. Auch zarter Seesaibling aus Vesterålen, Käse von den Lofoten und diverse Kreationen aus Algen – »dem Regenwald der Küste« laut Nilsen – finden ihren Weg auf die Teller.

Øistein Nilsen ist schon als Kind mit seinem Vater angeln gegangen; der Fang wurde über einem Lagerfeuer zubereitet. Als gebürtiger Nordnorweger weiß er, dass einige der besten Meeresfrüchte aus seiner Heimatregion stammen: »In Troms haben Garnelen die höchste Qualität, was wir dem kalten Wasser und den Nährstoffen aus dem Golfstrom verdanken. Aber im Varangerfjord in Finnmark werden sie außergewöhnlich groß, wie kleine ­Kaisergranate.«

Wer sich zusätzlich zur inkludierten Verpflegung ein besonderes Highlight gönnen möchte, kann im À-la-carte-Restaurant eine Königskrabbe bestellen. Die Delikatessen stammen aus Kirkenes, dem letzten Anlegepunkt an der Hurtigruten-Strecke, und werden lebend in einem Aquarium an Bord mitgeführt. Dort kann sich der Gast eine Krabbe aussuchen. Ein QR-Code verrät außerdem, wo und von wem er gefangen wurde.

Jedes der Hurtigruten-Schiffe, die täglich die Küste abfahren, hat für seine 300 Passagiere vier Gaststätten an Bord: den Speisesaal für die Vollpension, das Fine-Dining-Restaurant, das auf Hausmannskost spezialisierte Bistro und die Bäckerei. »Dort gibt es nicht nur Zimtschnecken und anderes typisches Gebäck, sondern auch Eis von der Manufaktur ›Arktis‹ auf den Lofoten. Die Sorten wurden gemeinsam entwickelt«, sagt Nilsen. »Es gibt doch nichts Besseres, als auf dem Sonnendeck zu sitzen und eine Waffel mit Moltebeeren- und Braunkäseeis zu naschen. Einmal sollte man auch die ultimative Bucketlist-Sorte probieren: Eis mit Stockfisch-Geschmack!«

Und weil sich ein Traditionsunter­nehmen wie Hurtigruten immer wieder neu erfinden muss, werden neben der klassischen Postschiffroute auch abenteuerliche Kreuzfahrten in alle Welt angeboten, und zwar unter dem Zweitlabel Hurtigruten Expeditions. Der 130. Geburtstag der Reederei wird 2023 mit zwei neuen Linien gefeiert: nach Spitzbergen und zum Nordkap. Auch dabei wird kulinarischer Genuss großgeschrieben: mit Schaukochen, Wein- und Whisky­verkostungen sowie erstmals Picknicks und Gourmetexkursionen.

Umweltfreundlich und Geschmackvoll reisen

Seit 2021 verkehrt noch eine weitere Reederei zwischen Bergen und Kirkenes: Havila Voyages. Neben der faszinierenden Route und komfortablem Platz für 640 Passagiere hat sie sich das Streben nach Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben. Die vier Schiffe haben jeweils eine der größten Batterien der Welt eingebaut, mit der sie vier Stunden lang emissionsfrei – und damit geräuschlos – durch die Fjordwelt gleiten. Wenn die Batterien an den Ladestationen am Kai geladen werden, geschieht dies mit Strom aus Wasserkraft. Die Kombination aus Elektro- und Erdgasantrieb senkt den CO2-Ausstoß um 25 Prozent und den Stickstoffoxid-Ausstoß um etwa 90 Prozent.

Wie Hurtigruten setzt auch Havila Voyages in der Küche auf norwegische Spezialitäten. Das Angebot der drei Gaststätten an Bord – Restaurant, Café und Fine-Dining-Saal – ist von den vier Jahreszeiten gekennzeichnet, die in den Nordischen Ländern besonders ausgeprägt sind. Was nach dem kurzen, inten-siven Sommer geerntet wird, hält sich dank traditioneller Konservierungsmethoden über die kalte Jahreszeit und bekommt dadurch einen anderen Geschmack. Gepökeltes Hirschfleisch, -Räucherlachs und die gesalzene und getrocknete Lammkeule namens »Fenalår« sind nur drei Beispiele.

»Ich möchte die guten norwegischen Zutaten auf machbare Weise hervor-heben und Essen auf verschiedenen Ebenen servieren – von der einfachen, knusprigen Waffel im Café bis hin zum feinsten -Rentierfilet im À-la-carte-Restaurant«, sagt Chefkoch und Bocuse-d’Or--
Finalist Gunnar Hvarnes. »Das Essen -sollte min-destens der halbe Grund sein, warum -Gäste mit Havila Voyages reisen.«

Im Reich der Polarlichter

Von den 34 Häfen zwischen Bergen und Kirkenes, die sowohl Hurtigruten als auch Havila Voyages anlaufen, liegen ganze 21 über dem Polarkreis. Je nördlicher man kommt, desto höher sind die Chancen auf Nordlichtsichtungen. Um das berührende Naturschauspiel namens »Aurora Borealis« zu erleben, muss man auch gar nicht auf den tiefen Winter warten. Die richtige geografische Position und ein dunkler, wolkenfreier Himmel – mehr braucht man nämlich nicht.

Deswegen ist der Herbst eine ideale Zeit für Expeditionen in den hohen Norden. Dann bieten die etwa gleich langen Tage und Nächte beste Voraussetzungen für Unternehmungen im Hellen und Nordlichtjagden in der Dunkelheit. Weil noch kein Schnee liegt, sind selbst schwache grüne Lichtschleier sichtbar. Und außerdem schöpfen die Köche aus dem Vollen, weil Mutter Natur gerade ihre Schätze in Form von reifen Beeren und Pilzen preisgibt.

Kultur im Ostseeraum

Auch internationale Reedereien wie Princess Cruises, Celebrity Cruises und Royal Caribbean haben die Nordischen Länder längst in ihrem Portfolio. Im Gegensatz zu den beiden norwegischen Anbietern machen sie größere Sprünge und verbinden mehrere Länder ein, zwei Wochen. Beim Buchen haben Gäste die Auswahl zwischen abenteuerlich angehauchten Reisen nach Norwegen, Island und Grönland und Rundfahrten im Ostseeraum mit Fokus auf Kultur, Architektur und Geschichte. So steuert beispielsweise die »Voyager of the Seas« vom Anbieter Royal Caribbean in zwölf Tagen Dänemark, Schweden, Finnland und die baltischen Staaten an.

Weil die Schiffe in aller Welt unterwegs sind, gestaltet sich auch das kulinarische Angebot an Bord weltoffen mit Einflüssen aus Europa und Fernost. Auf diesen Kreuzfahrten warten die regionstypischen Delikatessen eher an Land: Karelische -Piroggen in Helsinki, eine »Fika« mit Zimtschnecke in Stockholm, verführerischer Milchreisauflauf mit Safran auf Gotland, herrlich deftige Kartoffelklöße namens »Cepelinai« im litauischen -Klaipeda und Smørrebrød in Kopenhagen. Die Tagesausflüge lassen genug Zeit für einen kulinarischen Streifzug und Begegnungen mit den Highlights der jeweiligen Hafenstadt.

Anbieter

Hurtigruten

Die Traditionsreederei bietet mittlerweile zwei Konzepte an: »Das Original« steht für die klassische Postschiffroute entlang der norwegischen Fjordküste, die 34 Häfen zwischen Bergen und Kirkenes anläuft. Die »Expeditions« hingegen bringen Gäste in weit entfernte Gefilde: nach Spitzbergen und Grönland und sogar Alaska und Südamerika.

hurtigruten.de

Havila Voyages

Die erst 2021 gegründete Reederei fährt mit batteriebetriebenen Schiffen die norwegische Küste ab. Passagiere haben die Wahl zwischen der ganzen Strecke und Teilstrecken mit Fahrzeiten von zwei bis drei Tagen.

havilavoyages.com

Royal Caribbean

Das zweitgrößte Kreuzfahrtunternehmen der Welt hat Reisen im Ostseeraum, nach Island und nach Norwegen im Portfolio. Die Flotte umfasst knapp 30 Megaschiffe mit Erlebnisbädern und vielem mehr.

royalcaribbean.com

Celebrity Cruises

Der zu Royal Caribbean gehörende Anbieter verbindet die Länder Nordeuropas auf vielseitige Weise. Neben der zweiwöchigen Skandinavien-Rundreise kann man Island
mit wahlweise Grönland und Irland kombinieren.

celebritycruises.de/nordeuropa-kreuzfahrten.php

Princess Cruises

Die US-amerikanische Kreuzfahrtreederei fährt mit Schiffen, die an sich schon
Reiseziele mit mehreren Restaurants, Wellnessbereich und Entertainment sind.
Für Naturfreunde gibt es Reisen nach Norwegen und Island, während Kulturinteressierte den Ostseeraum erkunden.

princess.com


Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2022

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Lisa Arnold
Autor
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