Tasting vom 15.07.2014
Mag der Rest der Republik über die Rebsorte Trollinger spotten – zwischen Stuttgart und Heilbronn ist sie populär wie eh und je. Und das Falstaff-Tasting zeigt, dass man Vorurteile gegen diesen hellen Rotwein überdenken sollte, wenngleich es auch in unserem Test Weine gab, die dem Klischee vom blassen, dünnen, nach Bonbon duftenden Leichtwein entsprachen. Kaum besser sind jene Trollinger, die dunkelfarben ins Glas fließen und untypisch nach Pflaume oder Cassis duften. Offensichtlich handelt es sich dabei um Versuche der Erzeuger, einen ausdrucksarmen Trollinger durch Verschnitt mit anderen, dunkleren Rotweinsorten aufzupimpen. Doch am oberen Ende der Skala fand die Jury viele Charakterweine – geradezu subtile Genüsse: Die Stärken guter Trollinger liegen in einer Duftigkeit, die die Kirschfrucht der Sorte mit floralen Aromen flankiert. Im Idealfall kommt auch noch der im Dialekt als »Bodagfährtle« bekannte Terroir-Ton hinzu: eine Nuance, dessen Aroma von warmem Dachziegel über Funkenschlag bis zu Kräutertönen reichen kann. In der Gaumenstruktur sind gute Trollinger leicht, aber trotzdem nicht schwach. Werden sie in Maischegärung bereitet, verfügen sie über einen dezenten Gerbstoff. Weine hingegen, die im Erhitzungsverfahren bereitet werden, fallen meist glatt aus und haben nur selten eine noble Substanz. Denn dieses Verfahren wird vor allem aus ökonomischen Gründen angewendet: Durch die extrem kurze Kontaktzeit von Saft und Beerenhaut kann auch Lesegut mit Fäulnisanteil verarbeitet werden, ohne dass muffige Aromen in den Wein übertreten. Trollinger ist der klassische Vesperwein. Er passt gut zu deftigen Speisen wie Wurstplatten oder Speck – schließlich weist ihn sein Name (»Tirolinger«) als Verwandten des Südtiroler Vernatsch aus. Ideale Ausschanktemperatur: 14 bis 16 Grad. In einer Auswahl-Degustation wurden 58 Finalweine aus 73 angestellten Trollinger-Weinen der Jahrgänge 2013– 2011 bestimmt. Die Finalweine in der »Speisemeisterei« in Stuttgart verkosteten: Toni Bohms (Sommelier); Bernd Kreis (Weinhändler und Winzer), Mirco Sasker (Sommelier, »Speisemeisterei«), Rainer Schäfer (Journalist) und Wein-Chefredakteur von Falstaff Deutschland, Ulrich Sautter.