Tasting vom 22.03.2012
Auf Einladung des Conseil des Grands Crus Classés en 1855 ergab sich für Chefredakteur Peter Moser in Bordeaux im Februar 2012 die Möglichkeit, alle Weine des Jahrgangs 2008 und 2009 in gefülltem Zustand nachzuverkosten. Eine Woche lang wurden einem Dutzend Experten, die der bekannte französische Journalist Bernard Burtschy eingeladen hatte, nicht nur die Grands Vins, sondern auch die Zweitweine in Blindproben geordnet nach Appellationen serviert. Dazu kamen zahlreiche Besuche auf führenden Châteaux, wo sich die Gelegenheit bot, mit den Kellermeistern zu sprechen. Die beiden Jahrgänge 2008 und 2009 sind sehr unterschiedlich in ihrer Gewichtung zu betrachten. 2008 war ein ordentlicher Jahrgang, einer, in dem die Winzer durchaus einige Klippen zu umschiffen hatten. Die Preise für 2008 in Bordeaux kann man aus heutiger Sicht als »normal« betrachten. 2009 galt von Anfang an als ganz großer Jahrgang, und angetrieben durch ein enormes Interesse vor allem in Asien, das sich auf Spitzenweine konzentrierte, explodierten die Preise förmlich. Weine wie Lafite-Rothschild, aber auch alle anderen Premiers zogen auf ein nie da gewesenes Höchstniveau. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand abschätzen, dass der Jahrgang 2010, erneut von höchster Güte, da sogar noch einen draufsetzen würde. Betrachtet man die Weine aus 2008 heute, dann kann man feststellen, dass hier vonseiten der Weingüter sehr sorgfältig gearbeitet wurde. Das Gros der Weine hat sich bereits auf der Flasche harmonisiert. Was hat 2008 zu bieten? Die Weine können als klassische Bordeaux bezeichnet werden. Sie verfügen über eine feine Frucht, eine sehr gute Frische und sind nicht übertrieben kraftvoll. Die Weine sind bereits in der Jugend in der Lage, ihr spezifisches Terroir gut darzustellen. Bei den Grands Vins ist von einem mittleren Reifepotenzial auszugehen, die meisten Weine werden ihre erste Trinkreife in drei bis fünf Jahren erreicht haben, ihren Höhepunkt in zehn bis 15 Jahren. Die empfohlenen Zweitweine aus 2008 sind teilweise bereits jetzt antrinkbar, auch hier dominieren Frische und Trinkanimo; jedenfalls verfügen sie über ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis. Für den stoffigen 2009er sind mehr Geduld und vor allem Geld notwendig, wobei es hier im Bereich der Zweitweine Qualitäten gibt, die in einem normalen Jahrgang manchen Grand Vin übertreffen. Genau nach diesen lohnt es sich Ausschau zu halten. Notizen von Peter Moser