Tasting vom 20.03.2015
Für diese Probe wurden 20 Jahrgänge ausgewählt und gegen-übergestellt – darunter fast alle Highlights aus der Zeit zwischen 1961 und heute –, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten. Allerdings machten uns die ungewöhnlich schlechten Korkqualitäten bei den gereifteren Weinen einen dicken Strich durch die Rechnung. Bei den Jahrgängen vor 1990 hatte mehr als ein Drittel der Weine entweder einen Korkfehler oder war aus irgendwelchen anderen Gründen nicht einwandfrei. Bei den 1986ern und 1966ern waren sogar die Weine aller drei Weingüter betroffen. Ich habe mich daher entschieden, die relevanten Jahrgänge bis 1990 darzustellen; weitere Notizen sind in der Falstaff-Datenbank auf unserer Webseite abrufbar. Stilistisch haben sich die Weine immer voneinander unterschieden. Den Léoville-Barton kann man als klassischen Claret im britischen Sinne verstehen: rotbeerig und mit lebendiger Säurestruktur ausgestattet, leichtfüßig, manchmal ein wenig auf der vegetalen Seite, manchmal etwas antiquiert. Léoville-Las-Cases zeichnet sich durch einen kraftvollen, maskulinen, etwas herrischen Stil mit robusten Tanninen und markanter Mineralik aus. Vielleicht auch weil er direkt ans berühmte Pauillac-Weingut Latour angrenzt, wird bei ihm immer wieder von erstklassigem Potenzial gesprochen. Poyferré befindet sich erst seit jüngerer Zeit auf einem Niveau mit seinen Geschwistern. Hier hat sich am meisten – und zwar zum Positiven – verändert. Früher fielen die Weine kaum auf, auf das Niveau eines Deuxième Grand Cru kamen sie nur in den allerbesten Jahren wie 1982 oder 1990, dann aber richtig. Mit dem Jahr 2000 ist ein Wendepunkt zu erkennen, seither hat die Konstanz deutlich zugenommen. Mit 2003, 2009 und 2010 hat man sich unter die Top-Weine eingereiht und gezeigt, was in dem Terroir an Exzellenz möglich ist. Der Stil ist vom bekannten Berater Michel Rolland geprägt, der für saftige, moderne und selbstbewusste Rotweine steht.
Notizen von Peter Moser