© Carlos Gonzalez Armesto

World Champions: Peter Sisseck

Pingus ist Kult – 1995 wurde der erste Jahrgang dieser Rotwein-Ikone abgefüllt. Peter Sisseck, gebürtiger Däne, ist heute einer der renommiertesten Winzer Spaniens.

Eine Gasse in dem verschlafenen Dörfchen namens Quintanilla de Onésimo im spanischen Weinbaugebiet Ribera del Duero war Ausgangspunkt einer bis heute anhaltenden Erfolgsgeschichte. Hier reifen in einer kleinen, un-scheinbaren Kellerei in unmittelbarer Nähe zum Fluss die Weine von Dominio de Pingus heran.
Hier in der Calle Millán deutet äußerlich so gar nichts darauf hin, dass hinter diesen Mauern ein Rotwein schlummert, der die ganze Region, die stets im Schatten des Konkurrenten Rioja stand, mit einem Paukenschlag auf die internationale Weinbühne hob.
Freilich gab es da schon Vega Sicilia, jenen aristokratischen Wein, der auch für Pingus als Role-Model Pate stand, doch Mitte der 90er-Jahre war auch diese Weinlegende nur eine nationale Größe. Zu internationaler Bedeutung gelangte Ribera del Duero erst durch den Weinkritiker Robert Parker und den Premierenwein des jungen, sehr talentierten Winzers mit wenig spanisch klingendem Namen Peter Sisseck. Und das kam so.

Über Bordeaux nach Spanien

Sisseck wird 1962 in Kopenhagen in Dänemark geboren, wo er aufwächst. Mit dem Weinbau kommt er durch seinen Onkel Peter Vinding-Diers in Kontakt, der in Frankreich als Önologe arbeitet.  Zunächst jobbt der junge Sisseck von 1983 bis 1985 bei seinem Onkel auf Château Rahoul in Graves, danach absolviert er das Studium der Landwirtschaftslehre mit Abschluss als Agrar-Ingenieur an der Universität Bordeaux. Für ihn steht fest, der Wein ist seine Sache. »Darum habe ich mich auch bei Paul Draper von Ridge Vineyards in Kalifornien beworben. Da hätte ich Anfang der 90er-Jahre tolle Monte Bellos machen können. Genau in dem Moment wurde mir das Angebot gemacht, die Hacienda Monasterio in Spanien komplett aufzubauen, dabei wollte ich dort eigentlich nur ein paar Monate interimistisch arbeiten, bevor es auf die Reise in die USA geht.«
Sisseck reist nicht. Ribera del Duero hat es ihm angetan. Mit Carlos de la Fuente findet er 1992 einen Kellermeister für die Hacienda Monasterio, die er bis heute mit Partner Carlos del Rio González-Gordon aus der Sherry-Dynastie González Byass führt. Bald darauf entwickelt er ein weiteres, eigenes Projekt. Sisseck entdeckt in der ersten Hälfte der 90er-Jahre zwei kleine Weingärten mit uralten Tempranillo-Weinstöcken in San Cristobal und Barrosso in der Region La Horra, die er erwerben kann. Die im traditionellen »En Vaso«-System erzogenen Reben sind während ihres siebzig Jahre währenden Lebens nie mit Kunstdünger oder Pestiziden in Kontakt gekommen, dafür waren die örtlichen kleinen Weinbauern stets zu arm. »Das war genau das, was ich gesucht habe. Rebstöcke, die wenig, aber grandiose Traubenqualität bieten. Und so begann ich neben meiner Tätigkeit für Hacienda Monasterio mein eigenes Ding zu machen.«

Durchbruch dank Parker

Im Jahrgang 1995 erlebt der Wein namens Pingus seine Premiere und Peter Sisseck zunächst eine herbe Enttäuschung. »Ich hatte etwa 4000 Flaschen erzeugt und war mir sicher, dass der Wein groß ist. Aber die spanischen Weinhändler, denen ich den Pingus anbot, wollten den geforderten Preis nicht bezahlen – und einem Dänen schon gar nicht.«
In der Zwischenzeit schickt der junge Winzer seinen Wein einigen Weinkritikern, unter anderem auch Robert Parker in Maryland, USA. Und der ist sofort begeistert. Der »Wine Advocate« urteilt: »Ich meine das absolut ernst, wenn ich sage, das dürfte der größte junge Rotwein aus Spanien sein, den ich je verkostet habe.« Nachdem er die Fassprobe mit 96–100 Punkten bewertet, benotet Parker 1997 den Pingus 1997 mit enormen 98 Punkten. Nun rennen dem Neo-Starwinzer nicht nur die spanischen Händler die Türen ein. Sisseck entscheidet sich dafür, seine Weine international über den Platz Bordeaux zu platzieren, der Preis ist seither in schwindelerregende Höhen gestiegen und liegt heute für den aktuellen Jahrgang bei rund 800 Euro.
Vom ersten Jahrgang wurden ganze 325 Kisten erzeugt, wovon 75 für Amerika gedachte Kisten nach einem Schiffsunglück bei den Azoren auf dem Grund des Atlantik ruhen. Seither hat dieser Wein einen wahren Höhenflug angetreten und Sammler in allen Teilen der Welt fasziniert – nicht nur, weil er mittlerweile mehrmals mit den begehrten 100 Punkten geadelt wurde. Wenn man das Glück hat, heute eine Flasche des 2004er oder 2005er Pingus verkosten zu dürfen, dann wird einem die Magie dieses Weins eindrucksvoll und in allen Facetten vor Augen geführt.
Dominio de Pingus erzeugt inzwischen drei weitere Weine. Bereits mit dem Startjahr 1995 entstand auch der Zweitwein Flor de Pingus, von dem es zunächst 1000 Kisten gab, vom Jahrgang 2016 gab es bereits mehr als 100.000 Flaschen. Längst ist dieser exzellente, kraftvolle Rote dem Status des Zweitweins entwachsen, allerdings wird auch mit etwa einhundert Euro ein Preis aufgerufen, der nicht unbeträchtlich ist. Demokratischer geht es da beim jüngsten Wein, dem PSI unter dem Label Bodegas y Viñedos Alnardo zu, der aus Trauben von Vertragswinzern aus dem Norden und Osten von Aranda de Duero stammt. Die 300.000 Flaschen werden in Sissecks Kellerei zu einem klassischen Ribera-del-Duero-Rotwein verarbeitet. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Exklusiv für seinen amerikanischen Importeur füllt Sisseck eine Minimenge ab, die aus einer kleinen Parzelle mit Tinta del País stammt, die 1895 gepflanzt wurde. Der Wein heißt Amelia, doch die Wahrscheinlichkeit, dass einem eine der 280 Flaschen jemals unterkommt, ist mehr als gering.

»Die alten Weingärten sind mein Kapital. Bereits seit 2000 setze ich bei Dominio de Pingus auf biodynamische Bewirtschaftung.«
Starwinzer Peter Sisseck

Der kometenhafte Aufstieg von Pingus ging zeitgleich mit jenem der sogenannten Garagisten von Saint-Émilion, allen voran Jean-Luc Thunevin vom Château Valan­draud, vonstatten, mit dem Sisseck bestens befreundet ist und wo er seinen Pingus alljährlich in der En-Primeur-Woche der internationalen Fachwelt zeigt. Seit seiner Studienzeit hat Sisseck eine enge Verbindung zu Bordeaux, die schließlich auch hier in einem önologischen Engagement mündete. Seit 2010 betreibt er gemeinsam mit dem Schweizer Silvio Denz, den er in seiner Funktion als beratender Önologe beim katalonischen Weingut Clos d’Agon kennenlernte, das Château Rocheyron in Saint-Christophe-des-Bardes in Saint-Émilion.
Mit seinem jüngsten Projekt macht Sisseck nun wieder mit Wein aus Spanien Schlagzeilen. »Man hat mich immer gefragt, ob ich nicht auch Weißweine machen möchte. Das war für mich auch eine Frage des passenden Terroirs. Die größten spanischen Weißweine kommen meiner Ansicht nach aus Jerez. Also habe ich mich dort für ein Projekt entschieden.«
Natürlich gemeinsam mit Carlos del Rio González-Gordon. So wurden 2017 rund 10 Hektar Weingärten im Pago Balbaína unweit von El Puerto de Santa Maria erworben und die Solera des Fino Camborio von Angel Zamorano aus der Bodegas Juan Piñero übernommen. Önologischer Berater ist der legendäre Ramiro Ibáñez, der die besten 65 Botas für die Kreation des neuen Fino Camborio selektioniert hat. »Man wird sich in Zukunft in Jerez noch stärker auf die Einzellagen in den Weingärten beziehen, die sind ja ohnehin historisch definiert.« Es steht also nun auch der erste spanische Weiße von Peter Sisseck ins Haus. Und wer Sisseck kennt, der weiß: Dieser Mann macht keine halben Sachen.

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2019

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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