Der talentierte Philippe Guigal leitet das Wein-Imperium der Familie in dritter Generation.

Der talentierte Philippe Guigal leitet das Wein-Imperium der Familie in dritter Generation.
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World Champions: Maison E. Guigal

In nur drei Generationen schuf die Familie Guigal ein wahres Wein-Imperium. Das Besondere daran: Der Betrieb gehört zu den wenigen, bei dem jeder Wein stets zu den Besten seiner Kategorie zählt.

Es sind zwei Dinge, von denen Étienne Guigal wohl nie zu träumen gewagt hätte. Zum einen, dass sich der Firmensitz des Weinhauses einst im prächtigen Renaissance-Schloss Château d’Ampuis direkt an den Gestaden der Rhône befinden würde. Zum anderen, dass ebendort Weine von Weltruf produziert werden würden. Denn Guigal hat klein angefangen: Als einfacher Kellereiarbeiter war er 1924 als Vierzehnjähriger in das berühmte Weingut Vidal-Fleury eingetreten, das einst sogar Thomas Jefferson in seiner Zeit als Botschafter in Frankreich persönlich besucht hatte. Der junge Guigal bewies Talent und avancierte bald zur rechten Hand des letzten Firmenchefs. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss er, seinen eigenen Weg zu gehen und gründete 1946 in Ampuis ein Weingut und Handelshaus.
Der Betrieb entwickelte sich Schritt für Schritt, bis Étienne Guigal 1961 praktisch über Nacht völlig erblindete. So sah sich sein Sohn Marcel im zarten Alter von 17 Jahren veranlasst, an der Seite seines Vaters die Leitung der Geschäfte zu übernehmen. Er tat es mit Bravour, heiratete, und zwei Jahre später, 1975, wurde Sohn Philippe geboren, der heute mit seiner Gattin Eve die dritte Generation repräsentiert. Marcel Guigal leitete bereits einen stets wohlkalkulierten Wachstumskurs ein und betrieb den Ausbau des Familienweinguts sowie des Weinhandels, basierend auf von Vertragswinzern zugekauften, stets selbst vinifizierten Trauben auf höchstem Niveau. 1985 gelang es Guigal, den Lehrbetrieb seines Vaters zu übernehmen, doch ließ er die Marke Vidal-Fleury bestehen. 1995 konnte das prächtige Château d’Ampuis erworben werden, das seither als Betriebssitz genützt wird. Auf der Suche nach Top-Terroirs gelang es im Jahr 2001, gleich zwei alteingesessene Weingüter, nämlich die Domains Jean-Louis Grippat in Saint-Joseph sowie Vallouit mit Besitzungen in Côte-Rôtie, Hermitage, Saint-Joseph und Crozes-Hermitage zu erwerben.
2006 kauften die Guigals dann das Weingut Domaine de Bonserine, um ihre Abhängigkeit von Traubenzukäufen weiter zu verringern. Für das Handelshaus werden nach wie vor Trauben aus dem südlichen Rhônetal – Appellationen wie Châteauneuf-du-Pape, Tavel, Gigondas und den Côtes du Rhône – erworben und in Ampuis verarbeitet. Einst hatte Étienne in einem Keller von wenigen Quadratmetern begonnen, die Lager- und Produktionsflächen von Philippes Keller dehnen sich heute auf rund drei Hektar aus. Die Familie besitzt heute rund 62 Hektar bester Lagen im nördlichem Rhônetal, die Gesamtproduktion liegt durchschnittlich bei etwa sieben Millionen Flaschen pro Jahr.

Das prächtig renovierte Château d’Ampuis fungiert als Betriebssitz der Familie Guigal.
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Das prächtig renovierte Château d’Ampuis fungiert als Betriebssitz der Familie Guigal.

Die Guigal-Trilogien

Es gibt mehrere Parallelen, die Guigal mit dem legendären piemontesischen Weingut von Angelo Gaja verbinden. Auch dieser wurde für gleich drei herausragende Lagenweine aus einer Appellation berühmt, auch diesem gelang es damit, die eigene Herkunft aus dem Schatten einer berühmteren und dominanten Herkunft heraustreten zu lassen. Gajas unzweifelhaftes Verdienst ist es, dass heute Barbaresco in einem Atemzug mit Barolo genannt wird – Guigal seinerseits hat Côte-Rôtie auf Augenhöhe mit Hermitage als Herkunft der weltbesten Syrah-Weine etabliert. Marcel Guigal hat es auch geschafft, in einem Zeitraum von zwanzig Jahren drei unterschiedliche Lagen in der nur rund 260 Hektar umfassenden Appellation am rechten Ufer der Rohône gleich unterhalb von Vienne zu finden, in denen die Nuancen der unterschiedlichen Terroirs ihren besten Ausdruck finden.
Die Weingärten in steiler Hanglage sind in drei Teilbereiche gegliedert: Saint-Cyr-sur-le-Rhône im Norden, die Orte Ampuis und  Vernay bilden das Mittelstück, das Gebiet von Tupin-et-Semons liegt im Süden. Über die Jahrhunderte hat sich der zentrale Teil bei Ampuis als der für den Weinbau wertvollste herausgestellt, hier ist der Weinberg ziemlich in der Mitte durch einen kleinen Bach in zwei Teile abgegrenzt, die tatsächlich recht unterschiedliche Bodenbedingungen aufweisen: die Côte Brune und die Côte Blonde. Die geologische Basis wird in diesem Teil des nördlichen Rhônetals aus Glimmerschiefer und Gneis gebildet. Die Böden der Côte Blonde sind etwas sandiger und enthalten mehr Kalk, die hier gewonnenen Weine gelten als geschmeidig und eher zugänglich. Die Côte Brune ist lehmhaltiger und durch einen Eisenoxid­anteil geprägt, was auch ihre dunklere Färbung erklärt. Die hier wachsenden Rotweine gelten landläufig als kräftiger, robuster und lagerfähiger als jene von der anderen Seite des Bachs. Der erste Lagen-Côte-Rôtie, den Marcel separat abfüllte, trägt den Namen La Mouline, eines Lieu-dit (= klar definierte Parzelle innerhalb einer Ried, die eine Lage in der Lage nochmals präzisiert) in der Côte Blonde.
La Mouline wurde erstmals mit dem Jahrgang 1966 präsentiert und gilt in der Trilogie der Guigal’schen Côte-Rôtie-Juwelen als der floralste, duftigste Vertreter mit einer seidig-saftigen Textur, der bereits in der Jugend zugänglich und verführerisch wirkt. Dieser Wein ist einer uralten Tradition folgend kein reinsortiger Syrah, sondern weist einen Anteil von weißen Viogniertrauben auf, der hier zwischen acht und zwölf Prozent beträgt und natürlich die Aromatik und Textur entscheidend mitformt. Mit dem Premieren-Jahrgang 1978 trat der zweite Einzellagenwein, damals noch weitgehend unbeachtet von der internationalen Weinwelt, auf die Bühne: La Landonne. Er kommt in der Côte Brune vor und wächst auf einem Boden mit besonders hohem Eisengehalt.

Im Gegensatz zu La Mouline ist dieser herrische Rotwein zur Gänze aus Syrah vinifiziert, er ist der tanninreichste und zugleich lagerfähigste Vertreter der roten Guigal-Weinwelt. Tiefdunkel, in der Jugend oft unnahbar und verschlossen, erblüht dieser außergewöhnliche Wein oft erst nach Jahrzehnten. La Turque, der jüngste der Trilogie, stammt aus einem weiteren Lieu-dit in der Côte Brune, er kam mit dem Jahrgang 1985 auf den Markt. La Turque hat einen Anteil von Viognier in der Cuvée, der stets etwas geringer ausfällt als bei La Mouline, stilistisch verbinden sich in diesem Wein die Eleganz und Zugänglichkeit des La Mouline mit der Konzentration des La Landonne. Dass diese drei Weine, die heute als die Aushängeschilder des Hauses Guigal gelten, zu Weltruhm gelangten, verdanken sie nicht nur ihrer unbestritten hervorragenden Qualität, sondern in beträchtlichem Maße auch den Lobgesängen von Robert Parker, dem legendären US-Weinkritiker, der bereits in den 1980er-Jahren mit Nachdruck auf Guigal und seine Spitzenweine hinwies.
Detail am Rande: Kein anderer Winzer hat so oft die Traumnote von 100 Parker-Punkten erhalten wie Marcel Guigal. Dieser wesentliche Faktor machte das Familienunternehmen von Rhône zu einer bekannten Größe und die Nachfrage in den USA nach den drei Lagenweinen, die aufgrund ihrer Namen bald den Spitznamen »La-Las« bekamen, sorgte auch für Preise, die sogar die weltberühmten Kollegen mit ihren Hermitage-Weinen neidvoll erblassen ließen. Stilistisch ging der Perfektionist Marcel Guigal mit seinen Spitzenweinen einen eigenen, anfänglich durchaus umstrittenen Weg. Waren die Côte-Rôties der Vor-La-La-Periode eher als feminine, »burgundische« Antipoden zum maskulinen Hermitage angelegt, so erntet Guigal nur vollreife Trauben, die dann im Keller einem ausgedehnten Ausbau im neuem Holz zugeführt werden. 42 Monate verweilen die Lagenweine im neuen Holz, um dann ohne Schönung und Filtration gefüllt zu werden.
Guigal ist heute längst nicht nur der bekannteste Erzeuger, sondern auch der größte Grundbesitzer in Côte-Rôtie. Man erzeugt laut Insider-Schätzungen die Hälfte aller Flaschen, welche diese Appellation am Etikett tragen. Im Jahre 1995 wurde ein weiterer Côte-Rôtie namens Château d’Ampuis eingeführt, der seither die Zwischenstufe zwischen den drei Lagenweinen und dem bereits bestehenden Brune et Blonde darstellt, der den Einstieg in das Spitzensegment markiert. Der Château d’Ampuis wird aus insgesamt sieben Parzellen aus der Côte Blonde und DER Côte Brune komponiert, der Wein für die rund 30.000 Flaschen wird hier »nur« 38 Monate im neuen Barrique gereift.

»Wenn Sie wissen möchten, wo die besten Kellermeister der Welt zu Hause sind, dann sind Sie bei Guigal am richtigen Ort.« Robert Parker Jr., USA

Die Suche nach großem Terroir

Folgt man der Rhône flussabwärts, erreicht man die Appellation Condrieu, die legendäre Heimat der mythischen Weißweinsorte Viognier. Es ist auch das Verdienst des Hauses Guigal, dass diese stoffigen Weine mit ihrer unverwechselbaren Aromatik eine Renaissance erleben. Mit einer Produktion von jährlich 150.000 Flaschen steht Guigal auch hier für rund die Hälfte der Jahresproduktion. Aus den allerfeinsten Terroirs kommt der in kleinen Mengen erzeugte mineralische weiße La-Wein namens La Doriane, der ein Jahr im neuen Holz ausgebaut wird. In speziellen Jahrgängen gibt es auch eine süße Variante, den Luminiscence. Ebenfalls von der rechten Uferseite der Rhône kommen die drei Guigal-Weine aus der Appellation Saint-Joseph, die nicht immer die Beachtung finden, die sie aufgrund ihrer Qualität verdienen. Dabei ist gerade der Saint-Joseph aus der Lage »Vignes de l’Hospice« es wert, sich mit ihm zu befassen.
Direkt über dem mittelalterlichen Ort Tournon türmen sich förmlich die Steilterrassen dieses uralten Kirchenbesitzes, die Lage teilten sich früher die Domains Jean-Louis Grippat und Vallouit. Diese Parzelle verfügt über das nahezu idente Terroir wie das legendäre Lieu-dit Bessards im Hermitage-Weinberg auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses. Und genau aus dem Bessards und drei weiteren kleinen Spitzenparzellen mit bis zu 90 Jahre alten Syrah-Reben entstand im Jahrgang 2000 erstmalig der erste Guigal-Ikon-Wein vom linken Rhôneufer, der rote Hermitage Ex Voto, der seither nur in den besten Jahrgängen angeboten wird. 2001 folgte der weiße »Ex Voto«, eine Cuvée aus 90 Prozent Marsanne und zehn Prozent Roussanne.
Ähnlich wie Starwinzer Gaja einst sein Interesse auf die Toskana richtete, so haben auch die Guigals noch andere Appellationen im Blick. Schon für Großvater Étienne war klar, welche er für die besten Appellationen im Rhônetal hält: Côte Rôtie, Hermitage und – Châteauneuf-du-Pape. Den produziert Guigal schon jahrelang aus zugekauften Trauben und auf gutem Niveau. Sollte sich allerdings die Gelegenheit ergeben, einen passenden Betrieb zu erwerben, so werden die Guigals wohl nicht zögern, auch hier ihre Trilogie zu vollenden.

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2019

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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