Frédéric Rouzaud leitet seit 2006 die Louis-Roederer-Gruppe und repräsentiert die siebente Generation der Besitzerfamilie.

Frédéric Rouzaud leitet seit 2006 die Louis-Roederer-Gruppe und repräsentiert die siebente Generation der Besitzerfamilie.
© Eric Zeziola

World Champions: Louis Roederer

Das Champagnerhaus Louis Roederer ist heute der größte unabhängige Betrieb, der sich über Generationen hinweg in Familienbesitz befindet.

Die Einführung eines exklusiven Produkts namens »Cristal« in transparenter Flasche und mit flachem Flaschenboden war einst ein wichtiger Meilenstein in der Erfolgsgeschichte von Champagne Louis Roederer: Zar Alexander II. hatte diese ungewöhnliche Schöpfung in Auftrag gegeben: Die abgeflachte Bauart – eben ohne Einstich – sollte verhindern, dass die Flaschen von Regimegegnern heimlich mit einer Handgranate befüllt werden konnten – eine ständige und nicht ganz unbegründete Angst des russischen Herrscherhauses. Bei allem Traditionsbewusstsein gehört die Besitzerfamilie Rouzaud nicht zu jenen, die sich gerne auf altem Ruhm ausruhen.

Der Champagner von morgen

Frédéric Rouzaud lenkt seit 2006 in siebenter Genera­tion das Unternehmen und bringt die Strategie für Louis Roederer auf den Punkt: »Unser erklärtes Ziel ist es, den Champagner von morgen zu erfinden.« Und er widerspricht nicht, wenn man das Haus, das auf höchstem Niveau handwerkliches Können und den Nimbus des Luxus in einem repräsentiert, als »Hermès du vin« tituliert. Heute besitzt seine Familie nicht nur das superbe Champagnerhaus Louis Roederer, schon Frédérics Vater Jean-Claude hatte begonnen, Zug um Zug andere Weingüter zu übernehmen, zunächst in Frankreich, dann in Europa und schließlich in den Vereinigten ­Staaten. Entstanden ist so seit den letzten Jahrzehnten eine beachtliche Unternehmensgruppe, gebildet aus berühmten Champagnern, großen Weinen und bedeutenden Handelsfirmen. Frédéric Rouzaud pflegt sein Imperium dezent eine »kleine Föderation der prestigereichen Weine« zu nennen, wobei jeder einzelne Betrieb individuell gemanagt wird und nach außen hin völlig eigenständig auftritt.

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Die bekanntesten Weingüter im Besitz der Roederer-Familie sind Champagne Deutz, Delas Fréres im Rhônetal, die Domaines Ott in der Provence, Château Pichon Longueville Comtesse de Lalande im Bordeaux oder das Portweinhaus Ramos Pinto. Präsident Rouzaud spricht hier vom System der »überwachten Autonomie«, denn wer aus dem Champagnergeschäft kommt, denkt an die langfristigen Auswirkungen. »Wenn ich einen neuen Hektar mit Reben pflanze, dann werden vielleicht in fünfzehn Jahren die ersten Champagner daraus auf den Markt kommen. Mit ein Grund, warum wir uns intensiv mit biodynamischem Weinbau beschäftigen.«

Terroiristen durch und durch

Geht es um die Weingärten, verstehen sich die Verantwortlichen, allen voran der Chef de Cave, Jean-Baptiste Lécaillon, ganz und gar als Terroiristen. Über die Jahre wurden Topflächen erworben, die sich auf 410 Einzelparzellen in 16 Dörfern verteilen, sie reichen vom Montagne de Reims über das Vallée de la Marne bis in die Côte des Blancs, zwei Drittel der rund 240 Hektar sind Grands Crus, der Rest Premiers Crus. »Und weil der Stil von Louis Roederer stets straff und präzise sein soll, legen wir wert auf kalkreiche Böden und weniger auf Lehm. Unser Fokus liegt daher bei der Côte des Blancs, wo wir bereits 80 Hektar besitzen.« Das macht es möglich, dass sämtliche Champagner mit Jahrgangsbezeichnung ausschließlich aus eigenen Trauben erzeugt werden, und beim Topseller, dem Brut Premier ohne Jahrgang, liegt die Eigentraubenquote bei 55 Prozent. »Und sie wird in Zukunft weiter steigen«, ist sich Lécaillon sicher, »denn bei uns wächst die Fläche und nicht die Produktion.« Die liegt aktuell bei gut drei Millionen Flaschen per anno, die Kellerreserven sollen sich heute bei Louis Roederer in der Größenordnung von 18 Millionen Flaschen bewegen.

Seinen Siegeszug begann Louis Roederer mit der Kreation eines exklusiven Champagners namens Cristal für den russischen Zarenhof. Der erste Prestige-Champagner aller Zeiten.

Werfen wir einen Blick in die über 240 Jahre alte Firmengeschichte: Genau genommen hat das Haus elsässischen Ursprung. 1760 unter dem Namen Dubois Pére & Fils gegründet, wurde es bereits 1776 von Nicolas-Henri Schreider aus Straßburg übernommen. 1827 nahm Herr Schreider seinen Neffen Louis Roederer in die Firmenleitung auf, der das Champagnerhaus sechs Jahre später, nach dem Tod des Onkels, erbte und ihm bald darauf seinen Namen gab.

Mit dem Jahrgang 2006 präsentierte Louis Roederer den neuen Brut Nature, der in Zusammenarbeit mit Designer Philippe Starck entwickelt wurde.
© Cyrille Robin
Mit dem Jahrgang 2006 präsentierte Louis Roederer den neuen Brut Nature, der in Zusammenarbeit mit Designer Philippe Starck entwickelt wurde.

Louis Roederer war ein tüchtiger Weinhändler und begann die Produktion deutlich zu steigern. Als sein Sohn Louis Roederer II. 1870 die Firma übernahm, wurden jährlich bereits 2,5 Millionen Flaschen hergestellt. Louis Roederer war der Lieblingschampagner am Zarenhof, Alexander II. hatte, wie beschrieben, höchstpersönlich die Kreation des heute längst legendären Luxuschampagners Cristal angeregt. Der Roederer Cristal war damit die allererste Cuvée de Prestige, das Role Model für alle kommenden Luxus-Champagner. 1876 wurden Etikett und Ausstattung bereits von Roederer markenrechtlich geschützt.

1880, also noch ein Jahr vor der Ermordung von Zar Ale­xander (übrigens durch eine Handgranate), starb Louis II. Roederer völlig überraschend. Dessen Schwester Léonie Olry erbte nun das Champagner-Imperium, 1888 übernahmen ihre Söhne Louis-Victor und Léon Olry-Roederer. 1908 wurde die Firma Louis Roederer offiziell zum Hoflieferanten der Zaren erhoben. Dem russischen Geschmack entsprechend, waren die damals gefüllten Weine für heutige Verhältnisse sehr süß, vor allem der beliebte Cristal. Nach dem Ende des russischen Zarenreichs wurde es allerdings schwer, für diese spezielle Ware Abnehmer zu finden, schließlich fand sich ein Kunde in Südamerika. 1932 starb Léon Olry-Roederer, und für die folgenden 42 Jahre trug seine Gattin Camille die Verantwortung. Sie reihte sich als »Veuve Roederer« in die Liste der ­großen weiblichen Unternehmerper­sönlichkeiten in der Champagne ein.

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Nach Weltkrieg, Prohibition und Depression übernahm Camille Olry-Roederer in schweren Zeiten, aber sie ergriff gleich nach dem Zweiten Weltkrieg die Initiative, indem sie sich mit Künstlern, Schauspielern und den Playern aus der Pariser Modewelt umgab. In ihrem Kreis bewegten sich Jane Fonda oder Yves Saint Laurent. »Wenn du einmal die Künstler hast, bleibt auch das Geschäft nicht aus«, war eine Handlungsmaxime der Zeit. In den USA beschritt man ähnliche Wege, die junge High Society blickte nach Europa, die Models in den feinen Disco-Clubs à la »Studio 54« erklärten den Cristal zu ihrem Favoriten. 1975 verstarb Camille Roederer; sie hinterließ das Unternehmen ihrer Tochter Marzelle. Deren Sohn, Jean-Claude Rouzaud, ein talentierter Önologe, wurde darauf mit der Leitung des Familienbetriebs beauftragt, bis 2005 fungierte er als Präsident von Louis Roederer, 2006 folgte ihm sein Sohn Frédéric als Chef des Hauses nach.

Prickelnde Gegenwart

Aktuell wird das Champagner-Sortiment von Louis Roederer aus acht Weinen gebildet. Der wichtigste Wein des Hauses ist der Brut Premier ohne Jahrgang, gleichsam die Visitenkarte des Hauses. Die Cuvée setzt sich zusammen aus 40 Prozent Chardonnay, 40 Prozent Pinot Noir und 20 Prozent Pinot Meunier, die Trauben stammen aus 40 Dörfern. Zum aktuellen Basisjahrgang kommen in der Regel rund 20 Prozent Reserveweine aus fünf Jahrgängen dazu, ein Teil davon reift in großen Eichenfässern. Etwa 55 Prozent der Trauben für die rund 2,4 Millionen Flaschen stammen aus eigenen Weingärten, nur ein kleiner Teil der Weine macht einen biologischen Säureabbau, und das nur, wenn es wirklich nötig ist. Beim Jahrgangschampagner Louis Roederer Brut Vintage setzt man auf die Charakteristik des Jahres und die Kraft des Pinots Noirs, der hier 70 bis 80 Prozent der Cuvée ausmacht, der Rest ist Chardonnay. Ein Teil des Grundweins wird in Eichenfässern ausgebaut, die zweite Gärung dauert mindestens vier Jahre. Das Resultat ist ein fülliger, aber gut strukturierter Wein, mit Aromen von kandierten Früchten und Noisette.

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»Schönheit wird vom Herzen nur dann gesehen, wenn nichts Überflüssiges entfernt werden muss. Wir entfernen nichts als den Korken, um sie zu trinken.«
Philippe Starck Star-Designer, über den Brut Nature

Auch den Louis Roederer Rosé gibt es nur mit Jahrgang. Die Basis bilden 60 bis 70 Prozent Pinot-Noir-Grundweine aus Cumières, der Rest ist Chardonnay von der Côte des Blancs. So vereinen sich Körper und Mineralität und werden von einer verführerischen rotbeerigen Nuance überhöht. Der Rosé Vintage wird nach der Saignée-Methode hergestellt, hier wird die Pinot-Noir-Maische vor dem Pressen kurz kaltmazeriert, um etwas Farbe aus der Beerenhaut auszulaugen. Der Blanc de Blancs mit Jahrgang kommt aus zwei legendären Chardonnay-Grands- Crus der Côte des Blancs, nämlich aus Le Mesnil-sur-Oger und Avize. Jüngst waren auch Trauben aus Cramant dabei.
Auf kalkreichen Böden wachsen Trauben für einen stoffigen und zugleich sehr finessenreichen Wein. Im Durchschnitt reife die Cuvée fünf Jahre auf der Hefe. In den Jahrgängen 2006 und 2009 wurde in Zusammenarbeit mit dem genialen Designer Philippe Starck ein neuer Brut Nature Vintage entwickelt, der ganz puristisch und ohne Dosage auf die Flasche kommt. Geprägt vom Pinot Noir aus Cumières, getragen von der Rasse des Chardonnays und gefestigt von einem kleinen Teil von Pinot Meunier – alle Trauben werden am gleichen Tag geerntet und gemeinsam verarbeitet –, ist der Brut Nature ein spezielles, leider recht limitiert verfügbares Champagnererlebnis. 

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Der Anteil der biodynamisch bewirtschafteten Eigenrebfläche wächst bei Louis Roederer kontinuierlich von Jahr zu Jahr.

An der Spitze des Sortiments thront bis heute die Champagner-Ikone Cristal, die es bis zum Jahrgang 1914 nur am Zarenhof gab. Von 1915 bis 1920 wurde sie nicht mehr erzeugt. 1924 wurde der Cristal mit dem Jahrgang 1921 auf dem gesamten europäischen Markt angeboten, allerdings limitiert auf 20.000 Flaschen, der Rest der Welt wurde ab 1949 beliefert. Heute besteht er in der Regel zu 60 Prozent aus Pinot Noir und 40 Prozent aus Chardonnay und reift durchschnittlich sechs Jahre auf der Hefe. »Cristal ist ein Wein der reinen Gaumenfreude und der gehobenen Gastronomie – gleichermaßen zart und kräftig, subtil und präzise«, beschreibt Kellermeister Lécaillon die edelste Schöpfung des Hauses.
1974, gut einhundert Jahre nach der Erfindung des Cristal, kreierte Jean-Claude Rouzaud die Cuvée Cristal Rosé, indem er die feinsten alten Pinots Noirs auf dem Grand Cru d’Aÿ auswählte, die heute biodynamisch angebaut werden. Aus dem einzigartigen Kalksteinboden dieses Gebiets schöpfen die Trauben eine exquisite Mineralität. Ein besonderes Trinkvergnügen, wie man es vom Haus Louis Roederer erwarten darf.

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2017

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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