Julie und Baptiste Guinaudeau sind die Winzer auf dem Château Lafleur.

Julie und Baptiste Guinaudeau sind die Winzer auf dem Château Lafleur.
© Alex Lebon

World Champions: Lafleur

Vor fast 150 Jahren bepflanzte Herr Greloud seinen Hausgarten mit Weinreben und nannte ihn Jardin Vignoble. Dessen schönstes Gewächs trägt den Namen Lafleur – die Blume.

Kein Hinweisschild zeigt den Weg zu diesem Ort des Glücks. Der Tipp »Gleich hinter Château Pétrus liegt es« ist meist auch keine echte Hilfe für den Suchenden. Manch Weinliebhaber stand vielleicht schon direkt davor und konnte sich nicht vorstellen, dass dieses bescheidene Häuschen mit angebauten kleinen Schuppen der Ursprungsort eines der größten Rotweine der Welt sein soll. 
Für den Erfolg ausschlaggebend ist auch nicht das unscheinbare Gebäude, sondern der ganz spezielle Boden, auf dem es steht. Dieses unvergleichliche Terroir ist der Schlüssel, der das Tor zu einzigartigen Verkostungserlebnissen öffnet.

Mit nur 4,5 Hektar wirklich klein, aber dafür umso feiner: Château Lafleur.
© Alex Lebon
Mit nur 4,5 Hektar wirklich klein, aber dafür umso feiner: Château Lafleur.

Lafleur liegt in der Appellation Pomerol am sogenannten rechten Ufer in Bordeaux unweit der Stadt Libourne. Pomerol ist das kleinste Top-Herkunftsgebiet und verfügt über etwa 800 Hektar Rebfläche, die sich etwa 150 Winzer teilen. Château de Sales ist mit 48 Hektar eine Ausnahme, die meisten anderen Güter sind wie Château Lafleur sehr klein. Ursprünglich wurde hier Weißwein erzeugt, erst seit der Reblauskatastrophe hat der Merlot hier das Szepter übernommen.
Heute zählt Pomerol längst zu den international bekanntesten Rotweingebieten, und die Liste der Sehnsuchtsweine ist lang: Pétrus ist der Star, aber Namen wie Clinet, La Conseillante, L’Eglise-Clinet, L’Evangile, Latour à Pomerol, Le Pin, Trotanoy oder Vieux Château Certan zählen zu den gesuchtesten Etiketten aus Bordeaux. 

Dabei waren die Topweine der Region sehr lange ein gut gehütetes Geheimnis unter wenigen Eingeweihten. Eine offizielle Herkunft wurde Pomerol erst mit dem Gesetz von 1936, sie ist übrigens die einzige führende Bordeaux-Herkunft ohne jede Form von Klassement und zugleich Heimat der drei teuersten Weine: Pétrus, Lafleur und Le Pin. Bis in die 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde der Großteil der Pomerol-Weine im Fass nach Belgien verkauft, wo diese von kleinen Weinhändlern abgefüllt wurden. Nur in der Schweiz gab es zudem einen kleinen, aber effektiven Kreis von Kennern, die sich gezielt auf Pomerol konzentrierten. Erst mit dem Jahrgang 1982 wurden die Pomerol-Weine einem breiteren Publikum bekannt. 

Die Pomerol-Renaissance

Seinen heutigen Ruf verdankt Pomerol einigen wenigen Persönlichkeiten, und auch Château Lafleur hat von deren Aktivitäten in nicht geringem Maße profitiert. Der wichtigste Promotor war ein Weinhändler aus der Region, der 1937 in Libourne sein Geschäft aufnahm. Monsieur Jean-Pierre Moueix wurde nicht müde, jahrzehntelang die Vorzüge der Weine aus Pomerol anzupreisen und wurde schließlich zum ungekrönten König der jungen Appellation. Er war Besitzer der Châteaux Trotanoy, Lafleur-Pétrus und schließlich auch von Pétrus selbst. Für zahllose weitere Güter hatte er die exklusiven Vertriebsrechte inne, was ihn zur wichtigsten Anlaufstelle für alle machte, die sich für Weine aus Pomerol interessierten. Auch das kleine, aber feine Château Lafleur zählte lange Zeit zu seinem Portfolio – und zeitlebens versuchte Moueix vergeblich, es zu erwerben. Ein junger amerikanischer Weinjournalist namens Robert Parker trat mit dem Jahrgang 1982 ins Rampenlicht, die Weine aus Pomerol zählten zu seinen vehementesten Empfehlungen und traten einen internationalen Siegeszug an. Verantwortlich für viele dieser neuen Sterne am Weinhimmel war ein junger Önologe und Berater namens Michel Rolland, in Pomerol als Winzersohn geboren. Mit wachsender Nachfrage begann man sich auch für die älteren Jahrgänge zu interessieren und entdeckte aus der Nachkriegszeit eine fast unglaubliche Konstanz an Topjahrgängen. 

Blumen im Knopfloch

Wer Pomerol verstehen will, der muss sich mit der komplexen Geologie der Region befassen, denn aus ihr erklären sich die Auswahl der Rebsorten und der besondere Charakter der Weine. Das beste Terroir ist das Plateau von Pomerol, das sich fast kreisrund und für das freie Auge kaum merklich etwa sieben (!) Meter erhebt. Der Boden besteht hier aus Lehm, Schotter und Sand und weist an manchen Stellen wie bei Pétrus etwas Eisenoxid auf – daran schließen sich dezente Abhänge, der Rest ist wieder flach. Die besten Weingüter haben ihre Reben am Plateau, das liebevoll »Knopfloch« genannt wird. In der Mode bezeichnet der Begriff »Boutonnière« auch die Blume im Knopfloch, wie sie Herren am Revers des Jacketts tragen. Und eine ganz besondere dieser Blumen ist Château Lafleur. Exakt 4,58 Hektar groß liegt dieser Weingarten im Herzen des Plateaus. Er ist in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit, hat eine rechteckige Form, weist vier unterschiedliche Bodentypen auf und ist je zur Hälfte mit Merlot und Cabernet Franc bepflanzt. Die Stockdichte ist unterschiedlich und den Bodenverhältnissen perfekt angepasst. Insgesamt sind es rund 21.000 Rebstöcke. Und so gut wie alle Mitglieder der Familie Guinaudeau, so heißt es, würden jeden einzelnen mit Vornamen kennen.

Jacques Guinaudeau mit seiner Frau Sylvie.
© Alex Lebon
Jacques Guinaudeau mit seiner Frau Sylvie.

Die Trauben, die aus den rund 4000 Stöcken gewonnen werden, die auf dem leichtesten Bodentypus stehen, ein kalkhaltiger Sand mit etwas Schotter, werden ausschließlich für den Zweitwein Pensées de Lafleur verwendet, den es seit dem Jahrgang 1987 gibt. Damals entschieden sich die Besitzer, die gesamte Ernte zu deklassieren, weil der Jahrgang qualitativ nicht einem Grand Vin entsprach. Von 1988 bis 1998 verwendete man die Trauben der jungen, nachgepflanzten Reben, ab 1999 wird die Selektion der Trauben nun durch die genaue Kenntnis der unterschiedlichen Böden bestimmt. Das ist auch der Grund dafür, dass Pensées de Lafleur beginnend mit dem Jahrgang 2000 als selbstständiges Gewächs,als Cru Pomerol, und nicht mehr als Zweitwein zu betrachten ist. Im Nordwesten des Lafleur-Weingartens dominiert Kieselstein in einem sandig-kalkigen Boden, der schwer zu bearbeiten ist.
Darunter liegt in etwa einem Meter Tiefe eine Kalksteinschicht, die auch in heißen Sommern etwas Wasser konservieren kann. Die Trauben, die hier wachsen, haben kleine Beeren und geben konzentrierte Moste für dichte Weine. Im Südosten ist der Boden schottrig mit hohem Kalkanteil, hier ist der ideale Standort für komplexe Cabernets Francs. Im Herzen des Weingartens ist der Kiesanteil geringer, der Boden ist sandiger, das kommt der Rebsorte Merlot entgegen. Aus diesen hervorragenden Komponenten komponiert die Familie Guinaudeau bis heute ihren unverwechselbaren Grand Vin. Im Jahre 1872 hat der 
Ururgroßvater des heutigen Besitzers Jacques Guinaudeau, ein Herr Henri Greloud, diese kleine Domaine am Plateau von Pomerol erworben. Er hat dort seinen »vignoble jardin« neu angelegt, ein Häuschen gebaut und dieses »Château Lafleur« getauft. Im Jahr 1900 erbte sein Sohn Charles Greloud das kleine Anwesen. Im Jahr 1915 kaufte André Robin Lafleur – übrigens zeitgleich mit Château Le Gay. Er war mit Henri Grelouds Enkelin Gabrielle verheiratet. In den 20er-Jahren wurde der Malbec aus dem Weingarten entfernt, seither gibt es nur noch Merlot und Cabernet Franc. Im Jahre 1946 übernahmen die Schwestern Thérèse und Marie Robin gemeinsam die beiden Weingüter. Die beiden Damen lenkten die Geschicke von Lafleur und Le Gay mit großer Umsicht bis zum Tode von Madame Thérèse im Jahr 1984.

Die neue Winzergeneration

Es war der Ururenkel des Gründers, -Jacques Guinaudeau, der nun gemeinsam mit seiner Frau Sylvie zunächst das Weingut Lafleur pachtete und den Wein wieder zu alter Klasse führte. Die Familie konnte das Weingut in weiterer Folge erwerben, seit dem Jahr 2000 ist mit Sohn Baptiste und dessen Frau Julie bereits die nächste Generation im Betrieb. 
Es werden hier alle nötigen Arbeitsschritte mit besonderem Bedacht durchgeführt, vom Weingarten bis zum Keller ist der Perfektionismus zu spüren, der hier an den Tag gelegt wird.

 Baptiste Guinaudeau im Weingarten.
© Alex Lebon
 Baptiste Guinaudeau im Weingarten.

Das Ergebnis kann in Form der beiden Rotweine verkostet werden. Der Grand Vin von Château Lafleur ist eine Komposition aus Merlot und Cabernet Franc, er verbindet Charme und Fruchtfülle mit der Kernigkeit und Struktur der komplementären Rebsorten und verfügt über Finesse ebenso wie Langlebigkeit. Kenner charakterisieren ihn als die »Eisenfaust im Samthandschuh« und schätzen ihn als echten »Vin de Garde«. Der Pensées de Lafleur ist längst kein normaler Zweitwein mehr, vielmehr ist er der kleinere Bruder aus diesem hervorragenden Weingarten.

Baptiste Guinaudeau: Weingartenarbeit mit Bedacht – und auch noch mit Pferd. 
Foto beigestellt
Baptiste Guinaudeau: Weingartenarbeit mit Bedacht – und auch noch mit Pferd. 

Während der Pensées mit etwas Glück noch um rund hundert Euro zu haben ist, muss man für den Grand Vin schon mit fünfhundert und mehr rechnen. In einem qualitativ großen Jahr liegt der Preis pro Flasche im vierstelligen Bereich. Das ist gewiss nicht wenig, dafür aber bietet Lafleur ein Trinkerlebnis, das niemand so schnell vergessen wird.  

Aus dem Falstaff Magazin Nr. 04/2017

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