World Champions: Gantenbein
»Nur jeweils ein Wein pro Rebsorte«: Bis heute legen Martha und Daniel Gantenbein in ihrem Weinkeller selbst Hand an.
© StockFood | Siffert, Hans-Peter

»Nur jeweils ein Wein pro Rebsorte«: Bis heute legen Martha und Daniel Gantenbein in ihrem Weinkeller selbst Hand an.
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Kaum eine Flasche Schweizer Wein schafft es über die Grenzen der Eidgenossenschaft. Vor allem nicht in relevanten Mengen. Zu klein ist die Produktion der Schweizer Winzer und zu einfach der Verkauf auf dem heimischen Markt. Wenn es Flaschen dann doch ins Ausland schaffen, sind sie wahre Raritäten – und dementsprechend unbekannt sind auch die Protagonisten der Schweizer Weinlandschaft in den umliegenden Nachbarländern. Ein Name jedoch ist schon seit langer Zeit Weinliebhabern im Ausland geläufig und – wenn man ehrlich ist – noch heute der einzige aus der Schweizer Weinwelt, der vielen ein Begriff ist: Gantenbein.
Das kleine Weingut im Dörfchen Fläsch in der Bündner Herrschaft im Kanton Graubünden, gegründet und geführt von Martha und Daniel Gantenbein, machte sich früh mit seinen Weinen aus den Rebsorten Pinot Noir und Chardonnay einen Namen. Es zählte zu den ersten Weingütern der Schweiz, die bei Kritikern im Ausland überhaupt Aufmerksamkeit erregten. So wurden nicht nur die Gantenbeins, sondern die gesamte Bündner Herrschaft zum Inbegriff für Schweizer Spitzenweine.
Pro Sorte produzieren die beiden lediglich einen Wein. Die Beschränkung und Fokussierung auf das Beste vom Besten ist ihr Konzept, das große wirtschaftliche Risiko nehmen sie in Kauf. Auf den sechs Hektaren, die das Ehepaar aktuell bewirtschaftet, stehen die erwähnten Sorten Blauburgunder und Chardonnay – sowie Riesling.
Über den Tellerrand
Gantenbeins rarer Riesling ist eine Liebeserklärung an diese große weiße Rebsorte und auch an deren Herkunftsland Deutschland, mit dem sie durch viele Winzerfreundschaften eng verknüpft sind. »Ernie Loosen ist ein sehr guter Freund, ihn kennen wir, seit er an der Mosel angefangen hat«, erzählt Daniel Gantenbein.
Auch in Österreich hatten die Gantenbeins einen langjährigen Kumpanen: Alois Kracher, der 2007 verstarb, bezeichnete das Weingut Gantenbein einst als »schönstes kleinstes Weingut der Welt«. Der stetige Blick über den Tellerrand und die Auseinandersetzung mit den großen Weinen und Winzern dieser Welt ist eines der Erfolgsgeheimnisse des Winzerpaars. Das verlangt nach einer gewissen Internationalität und Offenheit für andere Ideen und Menschen.
Dieser Weitblick war zu der Zeit, als die Gantenbeins begannen, Wein zu machen, sicherlich noch ein Novum in der Schweiz. Genauso wie die absolute Verpflichtung gegenüber höchster Qualität. »Das eine ist, das Optimale anzustreben, das andere ist, gute Leute kennenzulernen, die einen unterstützen«, berichtet Daniel Gantenbein. Beides gelang im Falle der beiden Bündner eindrucksvoll.
Gemeinsam begannen Martha und Daniel Gantenbein im Jahr 1980, Reben von Marthas Vater zu bewirtschaften, der damals der größte Rebbergbesitzer in Fläsch war. Die Idee war, eine eigene Firma zu gründen und das Leben nach den eigenen Bedürfnissen und Wünschen zu gestalten – egal in welchem Bereich. »Wir wollten einfach selbstständig werden«, erzählt Martha Gantenbein. »Ich habe es schlecht ertragen können, als Angestellte zu arbeiten. Als Frau hatte man keine Chance auf eine leitende Funktion.« Von Martha Gantenbeins Vater emanzipierte sich das junge Paar rasch und gründete 1982 sein eigenes Weingut. »Da waren wir nun. Mit 7000 Flaschen Wein und keinem einzigen Kunden«, erinnert sich Daniel Gantenbein an vergangene Zeiten. Denn heute sind selbst in der Schweiz Gantenbein-Weine kaum zu ergattern und werden von den Vertriebspartnern nur an sehr gute Kunden in kleinen Kontingenten abgegeben.
Eine Flasche von Gantenbein zu öffnen ist also etwas nicht Alltägliches. Wer jetzt aber denkt, die Weine des Ehepaars müssten finanziell kaum erschwinglich sein, der täuscht sich. Eine Flasche Gantenbein-Pinot liegt bei etwa 162, eine Flasche Chardonnay bei etwa 215 Franken. Im internationalen Vergleich ist das durchaus bescheiden – genauso, wie es die Gantenbeins selbst sind.
»Als wir begonnen haben, hatten wir praktisch nichts und mussten lernen, mit den vorhandenen Mitteln zurechtzukommen. Es ging immer um das, was gerade das Wichtigste war, niemals darum, was wir uns alles Schönes leisten könnten«, erzählt Martha Gantenbein. Dieser minimalistische Realismus findet sich auch in den Weinen der beiden, die dank der akribischen, überaus analytischen und vor allem selbstkritischen Herangehensweise an den Weinbereitungsprozess weltweit einzigartig sind und ein ganzes Land vorangetrieben haben. Daniel Gantenbein ergänzt: »Wir sind immer noch nicht fertig damit, uns zu verbessern. Guten Wein besser zu machen braucht viel Gespür und Zeit.« Und von beidem haben die Gantenbeins glücklicherweise genügend.
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