Eigentlich wollte Prinz Robert von Luxemburg, Jahrgang 1968, ja Künstler werden. Die Weinwelt dankt, dass es anders gekommen ist.

Eigentlich wollte Prinz Robert von Luxemburg, Jahrgang 1968, ja Künstler werden. Die Weinwelt dankt, dass es anders gekommen ist.
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World Champions: Der Wein des Prinzen

Seit 2008 ist Prinz Robert von Luxemburg der Herrscher über die Familienweingüter in Bordeaux. Er sieht seine Rolle als Botschafter, der Weinfreunden in aller Welt diese Qualitäten näherbringt.

Um das Jahr 1750 nannte man Nicolas-Alexandre, Marquis de Ségur, in Bordeaux respektvoll »Prince des Vignes«. Denn neben anderen Gütern hatte er die rund 100 Jahre später als ­Premiers Grands Crus klassifizierten Weingüter Château Lafite und Latour, dazu Mouton und Calon-Segur in seiner Hand vereinigt. Auf Château Haut-Brion, dem legendären Erstgewächs, das direkt in der Großstadt Bordeaux seine Reben pflegt, regiert seit zehn Jahren jedoch ein waschechter Prinz – nämlich Seine Königliche Hoheit Prinz Robert de Luxembourg.
Die Geschichte seiner Weinberge geht bis zu den Römern zurück, der Name Haut-Brion ist einer der weltweit am längsten nachweisbaren. Und das Gut selbst sah im Laufe der Jahre auch schon eine Reihe an illustren Besitzern: Da waren Äbte und Admirale, ein Feldmarschall, ein Gouverneur sowie einige Bürgermeister. Und dann wären da noch Fürst Talleyrand, der legendäre Außenminister Napoleons, und schließlich Clarence Douglas Dillon, US-Finanzminister unter JFK – und Großvater von Prinz Robert.

Seine Königliche Hoheit liebt Wein und Kunst

Prinz Robert wurde im August 1968 auf Château de Fischbach in Luxemburg geboren. Sein Vater war Prinz Charles de Luxembourg, seine Mutter Joan Clarence Dillon, Tochter und Erbin des US-Politikers C. Douglas Dillon, deren frankophiler Großvater, ein Bankier, im Jahr 1935 das legendäre Château Haut-Brion in Bordeaux erworben hatte. Seinen ersten persönlichen Kontakt mit dem stattlichen Weingut hatte der junge Prinz anlässlich von Besuchen im Sommer 1972 und 1973, als seine Mutter dort Renovierungsarbeiten und Neumöblierungen durchführen ließ. Im Juli 1977 verlor Prinz Robert im Alter von nicht einmal neun Jahren seinen Vater, der auf seinem Anwesen unweit von Florenz einer Herzattacke erlag. Nachdem sich seine Mutter in den USA erneut verheiratet hatte (mit Philippe de Noailles, dem siebenten Duc de Mouchy), übersiedelte der elfjährige Prinz vom Großherzogtum nach England in das Benedik­tiner-Internat Worth School in Sussex. In ­weiterer Folge belegte er grundlegende Kurse in Philosophie und Literatur in Oxford.
Gut gerüstet reiste er im Alter von siebzehn Jahren weiter nach Washington D. C., wo er sich an der University of Georgetown für zwei Jahre der Kunstgeschichte, namentlich der Bildhauerei und Plastik, zuwandte. Schließlich folgten drei Jahre des Reisens, um seine Ausbildung abzurunden. Sein Weg führte ihn über Florenz in den Mitt­leren Osten und nach Nordafrika. Sieben Monate verbrachte er in Südamerika, ein halbes Jahr in Indien und Nepal, ehe es nach Zentralamerika und New Mexico ging. Prinz Robert: »Hätte mir damals jemand gesagt, ich würde später einmal Weingüter in Bordeaux leiten, hätte ich ihn ausgelacht. Ich wollte Künstler sein, vielleicht Musiker. In meinen Zwanzigern saß ich mit meiner ­späteren Frau in Hollywood am Pool und schrieb an Drehbüchern.« Der ersehnte Erfolg blieb aus, keines seiner Scripts wurde produziert. Ein Glück für die Weinwelt allemal.

1994 heiratete Prinz Robert in Boston Julie Ongaro, die ihm drei Kinder schenkte: Charlotte, Alexander und Frederik. Seine Frau und die Kinder tragen nach einem großherzöglichen Erlass von 2004 den Titel einer Königlichen Hoheit und der Prinzen und Prinzessinnen von Nassau. Mit der Rückkehr nach Europa Anfang der 1990er übernahm Prinz Robert die Leitung des Bordelaiser Besitzes, dessen Aufsichtsrat er bereits seit dem Alter von 18 Jahren angehörte. Im Jahr 1997 wurde ihm die Leitung des Betriebs übertragen, 2002 wurde er hochoffiziell als Directeur Général in Nachfolge seines Stiefvaters, des Duc de Mouchy, bestellt.
Drei Jahre später wurde das Maison de Négoce namens Clarence Dillon Wines quasi als Dachfirma für die diversen Weinaktivitäten gegründet und auch der neue Super-Premium-Markenbordeaux »Clarendelle« lanciert. Weiters wurden die umfangreichen Renovierungsarbeiten auf dem Nachbarweingut Château La Mission Haut-Brion eingeleitet, das die Mutter des Prinzen 1983 erworben und dessen Leitung Prinz Robert ebenso übernommen hatte wie jene aller anderen Weingüter im Familienbesitz (Château Laville Haut-Brion, Château La Tour Haut-Brion). Seit 2008 ist der Prinz Präsident des Gesamtunternehmens, zu dem mittlerweile auch ein neues Weingut am rechten Ufer in Bordeaux gehört – das Château Quintus, welches durch den Kauf und die Umbenennung von Château Têrtre Daugay 2011 entstanden war und durch die Miteinbeziehung von Château L’Arrosée 2013 weiter gewachsen ist.
2015 wurde in Paris in der Avenue Franklin Roosevelt ein Hôtel particulier eröffnet, das der Domaine Clarence Dillon SAS nun als Headquarter dient – und das auch ein feines Restaurant (»Le Clarence«), eine Boutique-Vinothek und Empfangsräumlichkeiten beherbergt, in denen die Produkte der Güter in entsprechendem Rahmen präsentiert werden ­können. Prinz Robert de Luxembourg hat seinen Wohnsitz in Genf in der Schweiz, ist aber durchaus regelmäßig auf den ­Châteaus in Bordeaux anzutreffen – wenn er nicht gerade durch die weite Weinwelt reist, um seine edlen Weine zu repräsentieren …

Gutsleitung in dritter Generation

Wenige Weingüter können bei ihrem Spitzenpersonal auf eine derartige Kontinuität verweisen, wie das bei Château Haut-Brion der Fall ist. Mit Jean-Philippe Delmas als Generaldirektor der Domaine steht Prinz Robert ein langjähriger Weggefährte zur Seite, mit dem er schon in Kinderjahren in der sprichwörtlichen gemeinsamen Sandkiste spielte. Dessen Vater, Jean Delmas, hatte bereits das wichtige Amt des »Regisseurs« oder Gutsdirektors auf Haut-Brion inne. Der hatte seinerseits diese Funktion 1961, einem der größten Jahrgänge dieses Weins, von seinem Vater übernommen. Dabei war das für Jean-Philippe ursprünglich nicht der Traumjob: Eigentlich wollte er Pilot bei der französischen Armee werden. »Nachdem sich dieser Traum nicht erfüllte, hörte ich eben auf meine Gene. Und dann war klar, dass ich eben mit Haut-Brion und La Mission Haut-Brion zu Höhenflügen ansetzen werde. Und in dritter Generation als Winemaker auf diesem begnadeten Terroir kann ich mich mit nichts weniger als großem Wein zufriedengeben.«
Was aber macht diesen Haut-Brion unter den fünf Premiers Grands Crus am linken Ufer so besonders? Es ist mit Sicherheit die ungemeine Flexibilität beim Zusammenstellen der Cuvée. Während die großen Pauillacs immer klar von Cabernet Sauvignon geprägt sind und der Anteil der restlichen Sorte dem Jahrgang entsprechend etwas schwankt, so kann es bei Haut-Brion durchaus sein, dass der Anteil von Cabernet einmal 70 Prozent beträgt und im Jahr darauf 70 Prozent von Merlot gestellt wird, denn der Anteil der Sorten wird ständig verändert. Und doch wird der Wein immer eine klare DNA, einen wiedererkennbaren »roten Faden« aufweisen. Nicht weniger historisch bedeutend und als Herkunft großer Weine berühmt sind jene vom Nachbargut Château La Mission Haut-Brion, das im Jahr 1983 erworben werden konnte. Trotz der Nähe der beiden Lagen bringen beide Weingüter ihren unverwechselbaren Stil auf die Flasche.

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Klar ist auch, dass La Mission dem Haut-Brion in großen Jahren um nichts nachsteht – ganz im Gegenteil: Es gibt durchaus auch Jahre, in denen es den großen Bruder übertrifft. Im Idealfall darf man sie nebeneinander genießen, was in Jahrgängen wie 1990, 1989 oder 1961 zu den unvergesslichsten Weinerlebnissen zählt, die man haben kann. »Und dennoch treffe ich auch heute noch auf Weinfreude, die denken, La Mission wäre der Zweitwein von Haut-Brion. Darum reise ich durch die Welt, um dem interessierten Publikum zu zeigen, dass wir in Wahrheit nicht einen Premier Grand Cru haben, sondern mit ›The Mish‹ sogar gleich zwei«, so Prinz Robert augenzwinkernd. In dem 1983 ebenfalls von der Dillon-Familie erworbenen kleinen Nachbarweingut von La Mis­sion wurde 2005 zum letzten Mal selbstständiger Wein erzeugt, seither werden die Trauben für La Mission Haut-Brion verwendet. Zunächst für den Zweitwein La Chapelle de La Mission Haut-Brion, mit zunehmendem Alter der Reben auch für den Grand Vin.
Das vierte Weingut, das den Namenszusatz Haut-Brion trug, war das für seine ausgezeichneten Weißweine berühmte dreieinhalb Hektar große Château Laville Haut-Brion, das die Familie Dillon ebenfalls seit 1983 im Besitz hat. Im Frühling 2010 wurde bekannt gegeben, dass dieser Wein, beginnend mit dem Jahrgang 2009, unter dem Namen Château La Mission Haut-Brion Blanc auf den Markt kommen wird. Einsetzend mit dem Jahrgang 2007 kam es auch beim Zweitwein von Haut-Brion zu einem Namenswechsel von Bahans Haut-Brion auf Le Clarence de Haut-Brion, der Zweitwein von La Mission heißt seit seiner Einführung mit dem Jahrgang 1991 La Chapelle de La Mission.
Und weil bei Haut-Brion alles so erfrischend anders ist als bei den sonstigen  Berühmtheiten aus Bordeaux, so leistet man sich hier gleich zwei Spitzenweißweine – wenn auch in kleinen Mengen. Der mineralische Haut-Brion Blanc besteht meist aus etwa zwei Drittel Semillon und einem Drittel Sauvignon Blanc, beim würzig-nervigen La Mission Haut-Brion Blanc ist der Semillon-Anteil meist noch um eine Spur höher. Dieses Duo zählt zu den besten Weißweinen der Welt, da sind sich die Kritiker Jahr für Jahr aufs Neue einig. Und weil sie rar sind, zahlen Kenner dafür einen stolzen Preis von vielen Hundert Euro. Aber wie heißt es so schön – »Noblesse oblige«.

Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2018

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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