Schlossherrin Corinne Mentzelopoulos mit ihrer Tochter Alexandra vor dem Château Margaux.

Schlossherrin Corinne Mentzelopoulos mit ihrer Tochter Alexandra vor dem Château Margaux.
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World Champions: Château Margaux

Der samtige Premier Grand Cru Classé aus der Appellation Margaux in der Region Médoc in Bordeaux genießt seit vielen Jahrhunderten höchstes Ansehen in aller Welt.

Die lange Geschichte von Château Margaux ist gekennzeichnet vom Streben nach Qualität und von erstaunlichem Innovationsgeist. Als La Mothe de Margaux, was übersetzt Hügel von Margaux bedeutet, im 12. Jahrhundert erstmals in den Urkunden auftaucht, ist von Rebstöcken im Médoc noch keine Rede. In der Zeit bis 1453 herrschen die Engländer in Aquitanien, und der Wein der Region Bordeaux hält als »Claret« Einzug auf den Tafeln der wohlhabenden Briten.

Auf Margaux sollte es noch bis 1572 dauern, bis unter Pierre de Lestonnac die Getreidefelder in Weinberge verwandelt wurden. Ende des 17. Jahrhunderts verfügte Château Margaux über eine Fläche von 265 Hektar, rund ein Drittel dieses Lands war mit Reben bedeckt – und so ist es bis heute. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die weißen und roten Trauben erstmals separat vinifiziert, damals keine Selbstverständlichkeit, zumal auch in den Weingärten Rot und Weiß gemischt gepflanzt wurden. Dank vieler Schritte gewann der Wein von Château Margaux zusehend an Reputation, der Wein wird regelmäßig in London gehandelt, 1771 taucht Margaux erstmals im Auktionskatalog von Christie’s auf.

Bald galt Margaux als einer der gesuchtesten Weine aus Bordeaux, auch Thomas Jefferson bestellte ihn 1784 für seinen Keller. Mitte des 18. Jahrhunderts hatte der damalige Eigentümer Joseph de Fumel bereits erkannt, dass die schottrigen Böden die wertvollsten Trauben bringen, doch bald darauf setzte die Französische Revolution dem ersten Goldenen Zeitalter Bordeaux ein grausames Ende. Élie du Barry, der Seigneur von Margaux, erfuhr den jakobinischen Terror durch das Schafott am eigenen Hals.

Perfektes Ambiente für einen perfekten Wein: Die neue Kellerei sorgt für einen weiteren Qualitätsschritt, der unübersehbar ist.
© Mathieu Anglada
Perfektes Ambiente für einen perfekten Wein: Die neue Kellerei sorgt für einen weiteren Qualitätsschritt, der unübersehbar ist.

Schloss für den edlen Tropfen

Bertrand Douat – ein Baske, der es in Spanien zu einem Vermögen und dem Titel Marqués de la Colonilla gebracht hatte – erwarb am Beginn des 19. Jahrhundert das Anwesen. Er lebte in Paris und hatte für Wein wenig übrig, ihm ging es lediglich darum, damit seinen sozialen Status zu festigen. Doch es war La Colonilla, der den Prachtbau des heutigen Schlosses errichten ließ, zu dem 1810 der Grundstein gelegt wurde. Der Bordelaiser Stararchitekt Louis Combes entschied sich für einen neopalladianischen Stil – Andrea Palladio war einer der bedeutendsten Architekten der Renaissance –, aber er plante auch die Wirtschaftsgebäude und Weinkellerei zu beiden Seiten des aristokratischen Hauptbaus, wie wir sie heute kennen.

1830 erwarb Alexandre Aguado das Château und war damit der erste Bankier, der im Médoc investierte. Er verstarb 1842, noch bevor die Bankiers Isaac und Émile Péreire Château Palmer gleich gegenüber erwarben; Baron Nathaniel de Rothschild kaufte im Jahr 1853 Mouton, und Baron James de Rothschild sicherte sich Lafite anno 1868. Im Klassement von 1855 wird Château Margaux gleich hinter Lafite als einer der vier Premiers Grands Crus de Médoc eingestuft. 1879 übernahm Graf Pillet-Will das Château in einer sehr schwierigen Phase. Oidium und Reblaus bedrohten die Weinberge in ihrer Existenz, doch der neue Besitzer konnte auf ein tolles Team in Weingarten und Keller setzen. Ab 1896 wurde der Betrieb vom fähigen Pierre Moreau gemanagt, und dieser setzte Marcellus Grangerou als Kellermeister ein, dessen Sohn Marcel diese Funktion bei Château Margaux ebenso einnahm wie sein Enkel Jean.

Es war auch Pierre Moreau, der 1908 den Pavillon Rouge du Château Margaux als Zweitwein ersann und 1924 die ausschließliche Abfüllung des Weins direkt am Weingut einführte – eine Vorgangsweise, die erst ab dem Jahrgang 1972 in ganz Bordeaux zur Verpflichtung wurde. 1950 übernahm die Bordelaiser Weinhandelsfamilie Ginestet das Château, doch die Rezession, ausgelöst durch die Ölkrise und die nahezu unverkäuflichen Jahrgänge Anfang der Siebzigerjahre, zwang die Ginestets dazu, sich schweren Herzens wieder von Château Margaux zu trennen, um ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden nachkommen zu  können. Nach zwei Jahren Suche war 1977 in der Person von André Mentzelopoulos der neue Herr von Château Margaux gefunden. Vielleicht waren es ja die vier stattlichen Säulen im ionischen Stil, die das Portal des Schlosses schmücken, die den griechischen, 1915 in Patras geborenen Unternehmer zum Kauf bewogen, und bereits im Jahrgang 1978 zeigte ihm der Rebberg, dass er eine richtige Entscheidung getroffen hatte. Eine neue Ära hatte begonnen.

Die neue Vinothek kann künftig bis zu 200.000 Flaschen aufnehmen.
© Marco Grundt
Die neue Vinothek kann künftig bis zu 200.000 Flaschen aufnehmen.

Frischer Wind auf Margaux

Nach dem Ableben von André Mentzelopoulos folgte im Jahr 1980 seine Tochter Corinne auf den Platz an der Spitze des Weinguts nach. Der Sprung ins kalte Wasser des Weinbusiness wurde ihr durch ein exzellentes Team erleichtert: Der Betrieb wurde in ihren ersten Jahren noch vom sehr erfahrenen Philippe Barré geleitet, dieser wurde vom legendären Önologen Émile Peynaud unterstützt. Im Jahr 1983 begann ein sehr talentierter junger Weinfachmann namens Paul Pontallier seine Karriere auf Château Margaux, das er in den folgenden Jahrzehnten in seiner Qualitätsentwicklung entscheidend prägen sollte.

Er übernahm 1990 die Geschäftsführung von Philippe Barré und konnte an der Seite von Eigentümerin Corinne Mentzelopoulos in seiner Schaffenszeit nachhaltige Verbesserungen in der Produktion und Weinqualität umsetzen. Der überaus beliebte Weinfachmann, der als einer der maßgebenden Gestalter im Bordelais galt, erlag 2016 im 59. Lebensjahr einer schweren Krebserkrankung. Während seiner Zeit auf Château Margaux hat er nicht nur die Arbeit seiner hoch angesehenen Vorgänger erfolgreich fortgeführt, er hat sein Wissen auch an zahlreiche junge Wein-Talente weitergegeben. So konnte der heutige Managing Director Philippe Bascaules, der 1990 zum Team stieß, ebenso von der Expertise Pontalliers profitieren wie Sébastien Vergne, der seit 2016 als Estate Director auf Château Margaux arbeitet.

Seit 2012 wird Corinne Mentzelopoulos von ihrer Tochter Alexandra unterstützt, die von London aus das Team als Deputy Managing Director unterstützt. In den letzten Jahren wurden auf Château Margaux umfangreiche Renovierungsarbeiten durchgeführt, die im Neubau eines Kellerteils mit Traubenübernahme durch das Büro des Star-Architekten Sir Norman Foster mündeten, der mit sehr viel Fingerspitzengefühl an das Projekt heranging. Der neue Keller wurde anlässlich der Vinexpo 2015 mit einem Gala-Abend festlich aus der Taufe gehoben. Neu eingerichtet wurde auch eine sehenswerte unterirdische Vinothek von 70 Metern Länge, die rund 200.000 Flaschen aufnimmt – der älteste aktuell gelagerte Wein stammt aus dem Jahr 1848.

Ideale Kombination aus Funktionalität und Architektur: der neue Chais von Sir Norman Foster.
© Mathie Anglada
Ideale Kombination aus Funktionalität und Architektur: der neue Chais von Sir Norman Foster.

Die Genuss-Trilogie in Rot-Weiss

Der Pavillon Blanc du Château Margaux blickt auf eine lange Tradition zurück. Bereits im 19. Jahrhundert, als man mit der Praxis brach, weiße und rote Trauben gemeinsam zu verarbeiten, wurde auf Margaux ein Weißwein abgefüllt, der als Château Margaux Vin de Sauvignon angeboten wurde. Seit dem Jahr 1920 trägt er seinen heutigen Namen. Rund 11 Hektar mit Sauvignon Blanc stehen zur Verfügung. In den letzten Jahren wurde, beginnend mit 2009, stark an der Qualitätsschraube gedreht, heute wird nur mehr ein Drittel der Erntemenge für den Pavillon Blanc verwendet, der Rest ausselektioniert.

Mit dem neuen Chais konnte ein neuerlicher Qualitätsschritt gemacht werden. Von diesem 100-Prozent-Sauvignon-Blanc-Wein werden nur rund 1000 Kisten angeboten, ein erheblicher Teil des Weißweins wird auf Magnums gefüllt. Der Pavillon Rouge du Château Margaux wurde erstmals 1908 gefüllt, dank rigoroser Verbesserungen ist die Qualität heute auf einem Niveau, das sich mit den meisten Grands Vins im Médoc locker messen kann. Neben dem Pavillon Rouge wird auch noch der rote Drittwein namens Margaux du Château Margaux erzeugt. Der Grand Vin wird aus den besten Cabernet-Sauvignon-Trauben komponiert, die das Weingut zu bieten hat, dazu gesellen sich ein kleinerer Anteil von Merlot, Cabernet Franc und ein paar Tropfen Petit Verdot – das Verhältnis hängt vom jeweiligen Jahresverlauf ab.

Eine Besonderheit dieses Weins sind seine zwar präsenten, aber nach einer gewissen Reifedauer immer seidenweich wirkenden Tannine, die als margaux-typisch gelten. Bei allem Charme und der Eleganz, die diese Weine auszeichnen, stecken im Margaux große Komplexität und Substanz. Der Wein verfügt über eine erwiesene Fähigkeit, sehr lange zu reifen: ein weiteres untrügliches Zeichen für die Exzellenz seines Terroirs. Manche Autoren haben den Stil von Chateau Margaux als »feminin« bezeichnet, ein aus heutiger Sicht irreführender Begriff. Wenn man heute einen großen, reifen Jahrgang von Château Margaux wie den 1990er im Glas hat, dann versteht man intuitiv, warum diesem Wein von Weinkennern eine derartige Verehrung zuteil wird.

Die Liste der herausragenden Jahrgänge ist sehr lang, bei Legenden wie 1900, 1928 oder 1953 braucht es auch das entsprechende Flaschenglück. Zu den großen Weinen, die heute ihre volle Trinkreife zeigen, zählen 1982, 1983, 1990 und 1996. Weine wie 2000, 2005, 2009 und 2010 haben noch viel Zeit vor sich, die man ihnen auch gönnen sollte. Die tolle Serie der letzten Jahre mit einem 2015 als Superstar wird noch Jahrzehnte ruhen, bevor auch diese Kreszenzen ihr volles Potenzial entfalten, und sicherstellen, dass auch neue Generationen von Bordeaux-Liebhabern dieses Ausnahme-Gewächs zu schätzen wissen werden.

Best of Chateau Margaux

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Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2019

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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