Arvenholzwurst auf dem Grill: Valentin Diem reichert seine Schweinsbratwurst mit Arvenholzspänen an.

Arvenholzwurst auf dem Grill: Valentin Diem reichert seine Schweinsbratwurst mit Arvenholzspänen an.
© Lukas Lienhard, AT Verlag/www.at-verlag.ch

Wood Food: Auf dem Holzweg

Valentin Diem bringt mit seinem »Wood Food« jede Menge Holz auf den Teller und den Geschmack des Waldes auf den Tisch. Der Zürcher lässt damit fast vergessene Kulturtechniken wiederaufleben.

Es raucht, kokelt, brutzelt, brennt, dampft. Und ständig weht einem der Rauch ins Gesicht. Obwohl die Menschheit seit Hunderttausenden von Jahren am Feuer Essen zubereitet, ist das Kochen auf offener Flamme nicht leicht. Die einfachsten Regeln zum Kochen und Grillieren am Feuer sind in den letzten Jahren vor allem auch mit dem Aufkommen der Elektrogrills verloren gegangen. Der Schweizer Valentin Diem ist jedoch einer, der das Spiel mit dem Feuer perfekt beherrscht und damit köstliche Speisen kreiert. Speisen über glühender Holzkohle zuzubereiten – also zu grillen –, kennen die meisten Menschen.

Valentin Diem kocht nicht nur auf, sondern auch mit Holz – und sorgt damit für Aufsehen in der Gourmetszene.
© Lukas Lienhard, AT Verlag/www.at-verlag.ch
Valentin Diem kocht nicht nur auf, sondern auch mit Holz – und sorgt damit für Aufsehen in der Gourmetszene.

Doch Valentin Diems sogenanntes »Wood Food« reicht viel weiter. Als Koch befasst er sich seit Jahren mit Naturaromen und dem Spannungsfeld der lokalen Exotik. Sein ganz besonderes Steckenpferd ist jedoch der Brennstoff Holz. »Holz ist eine sehr vielfältige Thematik, die auf verschiedenen sensorischen Ebenen wahrgenommen wird«, beschreibt Diem sein Interesse an diesem Rohstoff. »Holz löst Gefühle aus, es ist ein sehr emotional beladenes Material. Aber Holz macht auch im Gegensatz zu vielen anderen Zutaten kulinarisch Sinn. Es gibt genug Blödsinn in der Küche, Holz hingegen ist etwas Handfestes«, schwärmt Diem. »Mich fasziniert das Material, weil man es so unterschiedlich einsetzen kann und ganz alte Kulturtechniken damit zusammenhängen. Ohne Holz und Feuer wäre der moderne Mensch kaum denkbar.«

Und so kocht »ValeFritz«, wie er sich als Catering-Unternehmer nennt, mit Holz, Feuer, Rauch, Teer und Kohle und kredenzt Überraschungen wie Birkenteer-Canapés, geräucherten Hechtsalat, Holzsuppenshots, Arvenholzwurst, verkohlte Süßkartoffeln und Tannenglace mit Waldboden. Das klingt zuerst etwas befremdlich, ist aber ein einzigartiges Erlebnis für alle Sinne.

Eat the wood

Eigentlich wollte Valentin Diem ursprünglich nur ein Restauranterlebnis kreieren, bei dem in der Mitte auf einem Feuer gekocht wird. Durch diese Idee angespornt, tauchten er und seine Mitstreiter tiefer in die Materie Holz ein und fanden schnell heraus, dass es viel mehr gibt als Grillieren.

Valentin Diem lässt eine sehr archaische Form des Grillierens wiederauferstehen.
© Lukas Lienhard, AT Verlag/www.at-verlag.ch
Valentin Diem lässt eine sehr archaische Form des Grillierens wiederauferstehen.

»Nach und nach kamen wir auf das Aromatisieren mit Holz, die Trockendestillation und natürlich das Räuchern, das eine uralte Kulturtechnik ist.« Kritiker mögen einwenden, dass Geräuchertes nichts Neues ist, im Gegenteil sogar. Geräucherte Produkte aller Art gehörten von jeher zum festen Alltag der Menschen, da die Räuchertechnik zur Konservierung von Lebensmitteln verwendet wurde, was vor allem in den Wintermonaten lebenswichtig war. Durch neue Konservierungsmethoden ging das Wissen rund um den Räucherschrank in privaten Haushalten jedoch weitgehend verloren, und auch die Spitzengastronomie entdeckte dieses Geschmacksprofil erst in den letzten Jahren langsam wieder, da es lange Zeit als zu rustikal galt. Diem räuchert vor allem aus geschmacklichen Gründen und verwendet es als Veredlungs- und Würztechnik. Seine Kompositionen wie heiß geräucherter Saibling an Bienenwachsbutter und Fischrogen überzeugen durch ihren einmaligen Geschmack und einzigartige Konsistenz.
Doch bei Diem wird nicht nur mit Holz eingeheizt. Die Naturmaterialien landen auch direkt auf dem Teller. Warum Holzspäne im Essen und angekohlte Douglasiennadeln im Dessert nicht nur exotisch sind, sondern auch munden, erklärt er so: »Die Douglasie schmeckt erstaunlich exotisch – nach Zitrus- oder Passionsfrucht. Zudem sind das uns von Waldspaziergängen bekannte Düfte. Auch der Geschmack ist uns nicht völlig fremd, denn in der Patisserie werden zum Beispiel aus der Rottanne schon seit langer Zeit Desserts gemacht. Mir geht es bei Wood Food oft um Geschmäcker, die jeder kennt und zu denen jeder eine persönliche Beziehung hat.«

Frisch-bitter schmecken Diems grillierte Artischocken mit Zypressensauce.
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Frisch-bitter schmecken Diems grillierte Artischocken mit Zypressensauce.

Zu den Lieblingsgerichten seiner Gäste gehört daher die Arvenholzsuppe, eine Gemüsesuppe, die sehr konzentriert und dann mit Arvenholz aromatisiert wird. Dieses Holz wird gerade im alpinen Raum sehr oft verwendet. Es hat ein sehr warmes und würziges Aroma, das vielen Menschen bekannt ist, weil fast jeder schon einmal in einem Chalet oder einem Sägewerk diesen Duft gerochen hat. Arve zählt auch zu den Lieblingshölzern Diems. »Die ist recht einfach zu kochen. Der Geschmack ist fettlöslich, ideal mit Milch oder Rahm. Um Wasser einen besonderen Geschmack zu verleihen, reicht es, eine Holzkugel für ein bis zwei Stunden auf eine Wasserkaraffe zu legen.« Doch bei Diems Essen geht es nicht nur um den Geschmack, sondern um ein multisensorisches Erlebnis, bei dem auch der Duft eine sehr große Rolle spielt. 

Lokale Exotik

Für den Holzkoch hat jeder eine gewisse Beziehung zu Holz. »Jedes Feuer strahlt eine ganz besondere Faszination aus, die sich auf das Gericht, das über einem Feuer gekocht wird, überträgt. Das Thema Holz hat mich zudem besonders interessiert, weil es nicht nur um die direkte oder indirekte Hitze mit Feuer geht, sondern man noch viel weiter gehen kann – gerade im Bereich der Emotionen. Der Duft eines Holzes, die ätherischen Öle, Harze – das sind alles Themen, die man auch kulinarisch und gastronomisch sehr gut nutzen kann.« Und so wurde bei seinen »Wood Food«-Pop-up-Projekten nicht nur gegrillt, sondern auch mit Kohle und Asche gekocht und Zutaten mit Süßholz oder Bitterholz aromatisiert.

Auch mit verschiedenen Räuchertechniken beschäftigt sich Diem leidenschaftlich gerne.
© Lukas Lienhard, AT Verlag/www.at-verlag.ch
Auch mit verschiedenen Räuchertechniken beschäftigt sich Diem leidenschaftlich gerne.

Bei Valentin Diem kommt Holz in sämtlichen Aggregatzuständen zum Einsatz und von allen Teilen des Baumes. Dabei muss jedoch laut Diem immer darauf geachtet werden, dass »ein Baum nicht überall gleich schmeckt. Der Kern ist anders als die Rinde, und dazwischen gibt es wieder andere Schichten. Das ist wie Haut, Fleisch und Knochen.« 
Seine holzigen Leidenschaften sieht er in seiner Kindheit begründet. Diem war als Kind viel im Wald unterwegs, spielte im Küsnachter Tobel und grillierte Würstchen am Stock. Auch heute noch trifft man ihn häufig im Wald an, denn hier findet er viele seiner Zutaten. Diem schafft es, auch mit lokalen Zutaten exotische Gerüche zu kreieren. »Kochen mit lokaler Exotik« nennt er dieses Phänomen. Mit der Tannennadelasche macht er Pastateig, Erbsen werden mit Piniennadeln und Pinienholz aromatisiert, und die Flusskrebsconsommé wird mit Lärchenessig abgeschmeckt. Seine Inspirationen bekommt er von überall her: »Man muss mit offenen Augen und geschärften Sinnen herumlaufen, an Dingen riechen und sie anfassen. Manchmal auch einfach reinbeißen und schmecken oder einfach anzünden. Ich lese sehr viel und weiß, dass gewisse Hölzer mehr Harz haben als andere. Einige haben Teereinlagerungen, andere weniger. Gewisse Hölzer stinken oder rauchen zu stark.« 

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Der Tausendsassa Valentin Diem und sein Team haben es geschafft, Holz sinnlich erlebbar zu machen, und inzwischen ist ein ganzes »Wood Food«-Universum entstanden: zwei Pop-up-Events, eine Seife, ein gut laufendes Catering-Unternehmen und ein Buch. Und »ValeFritz« ist längst noch nicht durch mit dem Thema Holz, verspricht er.

Holz in der Küche

Die Möglichkeiten des Kochens mit Holz sind vielfältig und noch weitgehend unentdeckt. Valentin Diem erklärt in seinem Buch »Wood Food« anhand von Grundtechniken, wo das Potenzial von Holz in seinen vielseitigen Erscheinungsformen liegt. Ein großer Teil des Buches befasst sich mit Zubereitungsarten wie Destillieren oder Räuchern. Außerdem geht es darum, wie man richtig mit Holz umgeht oder wie das Aroma von Harz oder Ölen richtig genutzt werden kann. Mit Rezepten zu allen Techniken und einem Exkurs in die Geschichte der vielseitigen Verwendung von Holz in der Küche macht dieses Buch ebenso Spaß wie die kulinarischen Kreationen Diems.

© AT Verlag/www.at-verlag.ch

Wood Food
von Valentin Diem

  • 264 Seiten
  • AT-Verlag, 2016
  • € 43,20
  • ISBN: 978-3-03800-901-6

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Valentin Diem hat uns eines seiner herausragenden Rezepte verraten:

Aus dem Falstaff Magazin Nr. 05/2017

Yvonne Beck
Autor
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