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Wissenschaft: Mediterraner Mehrwert

Sonne, Strand und Meer, Oliven, Fisch und Wein: Warum das Leben am Meer vielen so
guttut, hat unzählige Gründe, denn der mediterrane Lifestyle geht mit einer Reihe von Benefits einher. Schließlich ist das Ganze nicht nur die Summe seiner Einzelteile.

Der Begriff Diät leitet sich aus dem lateinischen »diaeta« sowie dem griechischen »­díaita« ab und steht für »Lebensweise« – und damit für alle Maßnahmen zur Gesunderhaltung und Heilung von Krankheiten. Gerade jene – Lebensweise nämlich – des Mittelmeerraums erfreut sich dabei großer Beliebtheit und ist quasi ein Longseller. Bereits um 1940 beobachtete der ligurische Arzt Lorenzo Piroddi einen direkten Zusammenhang zwischen Ernährungs­gewohnheiten und Stoffwechselerkrankungen. Der »Vater der mediterranen Diät« verordnete seinen Patienten eine Kost, die arm an tierischen, aber reich an pflanzlichen Fetten war. Und so ist auch heute noch die typische mediterrane Diät gekennzeichnet durch viel Gemüse, Obst, Getreide, Erdäpfel, Bohnen, Nüsse und Samen, also viele geringfügig verarbeitete, saisonale, lokale Lebensmittel. Dazu frisches Obst als typisches Dessert, Olivenöl als wichtigster Fettlieferant. Zudem ein geringer bis moderater Konsum von Käse und Joghurt sowie von rotem Fleisch, Geflügel und Fisch. Weil mittlerweile aber 90 Prozent der essbaren Fischbestände im Mittelmeer als überfischt gelten, ist es unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit höchst angeraten, weniger zu Raubfischen und öfter zu Muscheln zu greifen. Ein weiterer Marker: Die Gesamtfettzufuhr liegt je nach lokaler Gegebenheit unter 35 Prozent der täglichen Energiezufuhr bei vor allem ­niedrigem Anteil an gesättigten Fettsäuren. Dazu kommt ein regelmäßiger, aber ­mäßiger Weinkonsum zu den Mahlzeiten.

Der mediterranen Ernährung werden gemeinhin positive Effekte auf die Gesundheit zugeschrieben. Das Meer kann aber noch Mehr: Wasser, Wind und Wellen haben eine wohltuende Wirkung auf die Atemwege, während das Sonnenvitamin D unser Skelett kräftigt und uns länger jung bleiben lässt.
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Der mediterranen Ernährung werden gemeinhin positive Effekte auf die Gesundheit zugeschrieben. Das Meer kann aber noch Mehr: Wasser, Wind und Wellen haben eine wohltuende Wirkung auf die Atemwege, während das Sonnenvitamin D unser Skelett kräftigt und uns länger jung bleiben lässt.

Mood Food

Diese Komposition macht in Summe nicht nur gute Laune, sondern stärkt auch physio­logische Parameter. Denn einerseits stehen Fisch, Nüsse und Olivenöl als Glücksnahrung hoch im Kurs. Wissenschaftler orten einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Depressionen und der Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren. Personen, die sich »mediterran« ernähren, scheinen ein geringeres Risiko für Depressionen und kognitive Beeinträchtigungen zu haben. Darüber ­hinaus ist ihre subjektive Lebensqualität deutlich besser – das zeigt zumindest eine Befragung mit 2000 Menschen in Italien. Auch auf den Schlaf hat die Kost positive Effekte, sei es aufgrund des geringeren ­Körpergewichts oder genereller Gesundheitsfaktoren. Denn mit der mediterranen Diät geht auch ein geringeres Risiko für Diabetes Typ 2 und andere Stoffwechsel­erkrankungen einher. Vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt sie durch geringere Blutfettwerte und einen niedrigeren Blutdruck. Und all das auch dann, wenn man nicht am Mittelmeer lebt.

Effekt der Meeresbrise

Dabei hat freilich ein Aufenthalt in Meeresnähe generell Vorteile. Da ist zum einen die Kombination aus salziger Luft, kühlem Wind, Sonne, Wasser und hoher Luftfeuchtigkeit – Ärzte nennen das Reizklima. Die starken Klimareize regen den Stoffwechsel an und sollen das Immunsystem stärken. Wind und kühleres Wasser fördern die Durchblutung, auch jene der Schleimhäute, wodurch diese Infekte besser abwehren können. Die jod- und salzhaltigen Tröpfchen der Brandung lösen Schleim in den Atemwegen, wovon besonders Asthma-Geplagte und pollenallergische Personen profitieren. Für sie ist die Meeresluft generell ein Segen. Denn an den Küsten sind Pollen- oder Smogbelastungen deutlich geringer als im Landesinneren.

Zum anderen trägt Meeresrauschen zu einer tiefen Entspannung bei, vertreibt Stress und hebt die Stimmung. Das können auch völlig gesunde Menschen immer wieder gut gebrauchen. Zudem steigern Spaziergänge am Strand Leistungsfähigkeit und Fitness. Schließlich ist es weitaus anstrengender, gegen den Wind und im weichen Sand zu gehen als auf der Straße. Selbst wer nicht läuft, verlangt seinem Körper mehr ab als bei einer Runde durch die Stadt.

Sonne tanken

Last but not least: die Sonnenexposition. Gefühlt bekommen wir in unseren Breiten immer zu wenig davon ab. Und auch die Vitamin-D-Speicher melden Ähnliches. ­Vitamin D zählt zu den Risikonährstoffen. Es ist unverzichtbar für Aufbau und Erhalt der Knochen, weil es den Kalzium- und Phosphatstoffwechsel steuert. Bei älteren Menschen senkt eine ausreichende Versorgung das Risiko von Stürzen, Knochen­brüchen, Kraftverlust und sorgt für mehr Mobilität und Gleichgewicht. Unter den Vitaminen hat es eine Sonderstellung. Denn es wird nicht nur mit der Nahrung aufgenommen, sondern auch durch regelmäßigen Aufenthalt in der Sonne im Körper gebildet. Wie effizient, hängt vom geografischen Breitengrad, der Jahres- und Uhrzeit, Witterung, Kleidung, Aufenthaltsdauer im Freien sowie vom Hauttyp ab. Helle Typen müssen sich kürzer in der Sonne aufhalten als Menschen mit dunklerer Haut. Ein Mischtyp braucht für eine ausreichende »Tagespor­tion« von April bis Oktober in Barcelona zu Mittag etwa zehn Minuten in der Sonne, wenn die Haut zu einem Viertel unbedeckt ist. Sonnenschutzcreme beeinträchtigt die Vitamin-D-Produktion übrigens kaum. Um ausreichend davon zu tanken, muss man also keinen Sonnenbrand riskieren.


Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2022

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Marlies Gruber
Autor
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