Das Ei war früher ein Symbol für das Leben, die Fruchtbarkeit und die Liebe.

Das Ei war früher ein Symbol für das Leben, die Fruchtbarkeit und die Liebe.
© Gina Mueller

Wissenschaft: Ei, wie fein!

Jahrhundertelang schrieben Kulturen dem Ei magische Kräfte zu. Was ist davon übrig? Ein Update zur Hochsaison Ostern.

Ein Nährstoff-Allrounder: Sechs bis sieben Eier werden im Schnitt rund um Ostern gegessen. Dabei kommen oft so manche Fragen auf: Warum lässt sich Meines schlechter schälen als Deines? Wie lange halten sich die Eier ungekühlt im Korb? Und sind Eier nicht reine Cholesterinbomben? 
Fangen wir mit dem Schälen an. Viele glauben, dass gekochte Eier leichter zu schälen sind, wenn sie gleich danach mit kaltem Wasser abgespült werden. Ein Test des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit ergab allerdings, dass das Abschrecken nichts zur Sache tut. Ausschlaggebend dafür ist nämlich der pH-Wert des Eiklars. Dieser steigt nach dem Legen vom ursprünglich neutralen Wert – etwa 7 – ins Basische, auf 8 bis 9. Das liegt daran, dass mit der Zeit Kohlendioxid durch die Poren der Eierschale austritt und somit der pH-Wert im Inneren des Eis steigt. Ist der pH-Wert niedrig, das Ei also noch frisch, klebt die Schale an der dünnen Haut zwischen Eiklar und Schale fest. Nimmt der pH-Wert zu, sinkt die Bindungskraft des Eiweiß, die Schalenhaut ist nicht mehr so fest daran gebunden und geht mit der Schale ab. Weder Kochen noch Abschrecken ändern daran etwas. 
Auf das kalte Wasser nach dem Kochen sollte man sogar besser verzichten, weil es die Haltbarkeit der Eier deutlich reduziert. Der Kälteschock lässt das Eiweiß rasch zusammenziehen, dadurch entsteht ein Unterdruck. Wasser, Bakterien und Luft gelangen über die feinen Poren der Eierschale ins Innere. Je nach Lagertemperatur können sich die Bakterien dort rasch vermehren. Werden die Eier bei Raumtemperatur gelagert, kann der Toleranzwert schon nach fünf Tagen überschritten sein. Zehn Minuten lang gekochte, nicht abgeschreckte, Eier sind dagegen bei Raumtemperatur für mindestens drei Monate haltbar. 

Power aus dem Ei: Vitamine A, D, E, K, B1, B12, Eisen, Zink Kalium und Jod.
© Gina Mueller
Power aus dem Ei: Vitamine A, D, E, K, B1, B12, Eisen, Zink Kalium und Jod.

Alles in einem

Das Hühnerei liefert tatsächlich beinahe alles, was unser Organismus braucht: So enthält es hochwertiges Eiweiß. Aus 100 g Hühnereiweiß können 100 g körpereigenes Eiweiß aufgebaut werden. Nur die Kombination mit beispielsweise Kartoffeln kann diesen Wert noch übertreffen. Hinzu kommt ein breites Spektrum an Vitaminen – die fettlöslichen Vitamine A, D, E, K plus die Vitamine B12, B1, Biotin, Pantothensäure und Folsäure. Mit einem Ei deckt man etwa ein Viertel des empfohlenen Tagesbedarfs an Folsäure, die wichtig für Wachstum und Zellteilung ist. Mineralstoffe und Spurenelemente wie Kalzium, Phosphor, Kalium, Magnesium und Natrium, Eisen, Kupfer, Mangan, Zink, sowie Fluor und Jod sind ebenso enthalten. Das Ei enthält aber auch viel Cholesterin.
Das ist auch der Grund, warum von seiner Wertschätzung als »wertvollstes aller Nahrungsmittel« bis vor Kurzem nicht viel übrig geblieben ist. 80 Prozent der maximal empfohlenen täglichen Cholesterinmenge nimmt man mit einem Eidotter auf. Allerdings weiß man heute, dass das mit dem Essen aufgenommene Cholesterin die Blutfette nicht sonderlich beeinflusst. So bleibt der Cholesterinspiegel beim Konsum von Eiern im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung bei den meisten Menschen relativ konstant. Vielmehr sind das Fettsäuremuster und das Ausmaß an körperlicher Aktivität ausschlaggebend für die Blutfettwerte. Die Fettzusammensetzung von Eiern ist sogar weitaus besser als ihr Ruf vermuten ließe: Fast zwei Drittel machen ungesättigte Fette aus. In Bezug auf Herz- und Kreislauferkrankungen ist Cholesterin nicht mehr der Feind Nummer 1, sondern lediglich einer von vielen Risikofaktoren. 
Eiern werden sogar noch weitere Vorteile zugesprochen. Das Eigelb enthält neben dem hochwertigen Eiweiß auch einen hohen Anteil an den Karotinoiden Lutein und Zeaxanthin. Beide verringern das Risiko für eine altersbedingte Makuladegeneration. Diese ist die häufigste Ursache für die Erblindung älterer Menschen. Der Konsum von sechs Eiern pro Woche über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg ließ bei Testpersonen die Zeaxanthinkonzentration im Blut deutlich ansteigen. Dadurch erhöhte sich auch die optische Dichte des Makulapigments und es verringerte sich die Lichtbelastung des Auges durch die Sonneneinstrahlung.
Von einem anderen Benefit können auch Jüngere profitieren. So zeigten Studien, dass Eier über das breite Nährstoffspektrum hinaus das Sättigungsgefühl deutlich steigern können. Testpersonen, die zum Frühstück Eier aßen, waren über den Tag länger satt und nahmen in Folge weniger Kalorien auf. Im Rahmen einer kalorienreduzierten Kost förderte ein Ei zum Frühstück an mindestens fünf Tagen pro Woche bei übergewichtigen Personen ebenso einen zusätzlichen Gewichtsverlust. In der Vergleichsgruppe, die statt dem Frühstücksei einen Bagel mit gleich vielen Kalorien aß, war dies dagegen nicht der Fall. 
Während die Ernährungsgesellschaften in Österreich und Deutschland noch empfehlen, nur bis zu drei Eier in der Woche zu essen, wurde in den USA 2015 die Limitierung aufgehoben. Schmecken lassen und nicht übertreiben, gilt wohl auch da. 

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2018

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Marlies Gruber
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