Optisch etwas anders als früher bei Oma und Opa: Filterkaffee aus der Chemex-Kanne ist absolut angesagt.

Optisch etwas anders als früher bei Oma und Opa: Filterkaffee aus der Chemex-Kanne ist absolut angesagt.
© StockFood/Glasshouse Images

Wie tot ist der Filterkaffee?

Für eine Weile stand der gute Kaffee wie bei Großmutter im Schatten der hippen Kaffee-Mischgetränke wie Café au lait und Latte macchiato. Doch was ist dran am Abgesang?

Was für Omas und Opas, spießig, zu bitter, langweilig – die Begründungen änderten sich, aber totgesagt war der Filterkaffee schon oft. Die neuen Stars waren glänzende Vollautomaten, bei denen ein Knopfdruck reicht, um den perfekt zubereiteten Kaffee in die Tasse zu bekommen. Die beliebten Kapseln mit ihrer einfachen Zubereitung erobern seit Langem immer mehr Marktanteile. Und wie sollte ein schnöder Filterkaffee mithalten mit cremig aufgeschäumter Milch, die sich mit extrem konzentriertem Espresso mischt? Tatsächlich verkauften die großen Hersteller immer mehr Espresso-Röstungen, während klassische Filterkaffee-Röstungen immer weniger getrunken wurden. Wird es also wirklich Zeit, die alte Kaffeemaschine einzumotten? 

Ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn ein genauerer Blick zeigt: Bei keiner Kaffeespezialität unterscheiden sich die Trinkgewohnheiten so sehr wie beim Filterkaffee. Interessante Statistiken ermittelte der Kaffeeröster Tchibo in seinem regelmäßigen Kaffeereport. Auf die Frage, welchen Kaffee sie regelmäßig trinken, antworteten 2016 knapp 30 Prozent der Österreicher mit der Antwort »Filterkaffee«. Bei den Schweizern sind es mit gerade einmal 14 Prozent deutlich weniger. Treue Liebhaber sind dagegen die Deutschen, von denen 66 Prozent angaben, Filterkaffee sei ihr regelmäßiges Kaffeegetränk. Österreicher trinken am häufigsten Cappuccino, Schweizer lieben Espresso und Latte macchiato.

Comeback aus Großmutters Zeiten

Insgesamt nehmen Filterkaffee-Röstungen bei den großen Herstellern aber immer noch den Löwenanteil ein. Kaffee aus dem Filter hat sich zurückgekämpft und verloren gewähntes Terrain zurückerobert, auch deshalb, weil er sich neu erfunden hat. Kaffee wird zunehmend als High-End-Produkt gesehen, als Statussymbol, mit dem man sich abgrenzen kann. Zu sehen ist das an der Aufrüstung, die zu Hause stattfindet: Wer etwas auf sich hält, hat zu Hause einen Vollautomaten oder gleich eine Siebträgermaschine.

Damit einher geht aber auch die zusehende Premiumisierung von Kaffee als solchem. Hochwertige Blends mit genauer Kennzeichnung der Herkunft finden sich mittlerweile in jeder angesagten Coffeebar, sogar einzelne Aromen werden auf den Verpackungen ausgewiesen. Wer einen solchen Kaffee kauft, muss ihn fast zwingend pur trinken, um die Nuancen wirklich herauszuschmecken – Milch oder Zucker gelten in der Szene fast schon als Frevel. Weshalb ein Utensil aus Großmutters Zeiten ein Comeback gefeiert hat: die Kaffeemühle, mit der man von Hand mahlt.

Denn je frischer die Bohnen sind, desto besser schmeckt der Kaffee später. Weshalb es für echte Kaffeegenießer unabdingbar ist, erst kurz vor dem Aufbrühen zu mahlen. Hochleistungsmühlen wie die C40 von Comandante oder die Santiago von Zassenhaus gelten als Standardzubehör, ebenso die Chemex-Kanne und der Hario-Filter.

So einfach, so gut: Für den perfekten Filterkaffee braucht man nicht zwingend eine Maschine.
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So einfach, so gut: Für den perfekten Filterkaffee braucht man nicht zwingend eine Maschine.

Wer sich näher mit dem Thema beschäftigt, weiß, dass ein paar Sachen zu beachten sind. Als Faustregel nimmt man sechs Gramm Kaffeepulver (in der Konsistenz etwa so wie Tafelsalz) auf 100 Milliliter Wasser. Der eingelegte Papierfilter im Porzellanfilter wird mit heißem Wasser befeuchtet, um störende Geschmacksstoffe zu lösen. Anschließend gießt man Wasser, das eine Temperatur zwischen 92 und 96 Grad Celsius haben sollte, über das Kaffeepulver. Zunächst nicht zu viel, damit der Kaffee aufquillen kann – in Expertenkreisen heißt diese Phase »Blooming«. Ist diese Phase abgeschlossen, so gießt man in einem kontinuierlichen Strahl weiter heißes Wasser auf den Kaffee, wer mag, rührt währenddessen im Filter mit einem Löffel um. Eingießen in die Tasse und voilà: Fertig ist der perfekte Filterkaffee – den man übrigens nicht zu heiß trinken sollte, um die volle Aromenvielfalt zu erschmecken.

Auch wenn auf der Verbrauchsmesse IFA zuletzt neue Maschinen vorgestellt wurden, die sich genau an diese Vorgaben halten und sogar die Blooming-Phase perfektionieren: Für den perfekten Filterkaffee von Hand braucht es neben der nötigen Zeit auch ein wenig Vorbereitung. Wer sich genauer mit dem Thema beschäftigen will, sollte überlegen, ein Kaffeeseminar zu besuchen. Weltweit bekannt dafür ist die Università del Caffè des italienischen Rösters Illy, die etwa in München und Wien Ableger hat.


Interview mit Tchibo/Eduscho-Chef Harald J. Mayer

... über die Kaffee­vorlieben der Österreicher und sein Verhältnis zum Filterkaffee.

Falstaff: Seit wann ist Filterkaffee wieder en vogue?
Harald Mayer:
Der Trend zum Kaffee als Lifestyle- und Gourmetprodukt ist ungebrochen. Filterkaffee ist nach wie vor das größte Segment am gesamten Kaffeemarkt, verliert aber auch am stärksten.
 
Wie schlägt sich das nieder in Ihrem Sortiment, in der Nachfrage der Kunden?
Individueller Kaffeegenuss auf Knopfdruck liegt bei den Konsumenten absolut im Trend. Die tassengenaue und frische Einzelportionierung ist deshalb so beliebt, weil sich Kaffeeliebhaber zu jeder Zeit ihr gewünschtes Kaffeegetränk den Anlässen angepasst zubereiten können – sei es ein genussvoller Milchkaffee für die entspannende Kaffeepause mit Freunden oder ein kleiner Espresso als Digestiv nach dem Abendessen. Wir bieten alle vom Verbraucher gewünschten Kaffeesorten an, so auch im Bereich des Filterkaffees. Neben unseren Klassikern »Beste Bohne« und »Feine Milde« bieten wir mit unseren Qbo Premium Coffee Beans Spezialitätenkaffees von nur einer Plantage – ein sogenannter Single Farm Coffee. Wer den GPS-Daten auf der Kaffeeverpackung folgt, gelangt zum Ursprungsort der Fairtrade-zertifizierten Qbo Premium Coffee Beans. Zwei limitierte Filtersorten überraschen geschmacklich mit der Frucht von Mirabellen und Rohrzucker mit Papaya.
 
Wie hat sich der Genuss von Filterkaffee im Lauf der vergangenen Jahre verändert?
Der österreichische Kaffeeliebhaber ist äußerst qualitätsbewusst. Menschen beschäftigen sich eingehend mit Genussprodukten, der Herkunft, Selektion, Aufbereitung und Röstung der verwendeten Bohnen. Um Quantität geht es immer weniger – also eine Entwicklung weg vom Filterkaffee als Kaffeetankstelle. Die Qualität des Genussmoments durch Geschmack, Aroma und Darreichung zählt.

Harald J. Mayer ist Geschäftsführer von Tchibo/Eduscho Österreich.
© Klaus Titzer
Harald J. Mayer ist Geschäftsführer von Tchibo/Eduscho Österreich.

Welche neuen Zubereitungsarten gibt es?
Neben der Zubereitung in der Filtermaschine gibt es den handgemachten Kaffeegenuss mittels Handfilter, French Press oder Pour Over.
 
Welche Trends sehen Sie?
Der Trend geht ganz klar zur tassengenauen Zubereitung auf Knopfdruck, wie es der moderne Vollautomat und Einzelportionssysteme bieten. Das positive Wachstum bei Vollautomaten und Einzelportionssystemen geht primär zulasten der traditionellen Filterkaffeemaschinen. Der Verbraucher verlangt von seiner Tasse heute mehr als geschmackliche und qualitative Höchstleistungen. Immer mehr Österreicher wollen wissen, woher ihre Produkte kommen. Fair produzierter Kaffee wird immer gefragter. Tchibo trägt diesem Kundenwunsch Rechnung und setzt seit vielen Jahren auf nachhaltige Kaffeequalitäten.
 
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zum Filterkaffee?
Im Büro trinke ich Espresso aus der Qbo You-Rista. Das ist convenient bei bester Qualität und ich kann meinen Gästen die Auswahl der Sorte anbieten.
 
Welche Maschine steht bei Ihnen daheim?

Als passionierter Kaffeetrinker habe ich für jeden Geschmack die passende Zubereitung – in diesen Genuss sollen auch meine Gästen kommen. Ich persönlich bevorzuge den klassischen Espresso aus der Qbo-Maschine.


Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2019

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Philipp Elsbrock
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