Komponist Vito Žuraj und Daniel Gottschlich, Eigentümer und Koch vom »Ox&Klee« in Köln. 

Komponist Vito Žuraj und Daniel Gottschlich, Eigentümer und Koch vom »Ox&Klee« in Köln. 
© Dimi Katsavaris

Wie klingt Geschmack?

Diese Frage will »Ox&Klee«-Chef Daniel Gottschlich klären. Dafür steht er demnächst mit den WDR-Sinfonikern auf einer Konzertbühne in Köln.

Spitzenkoch Daniel Gottschlich war kürzlich im Großmarkt und hat sich ein paar neue Instrumente besorgt. Holzlöffel, Töpfe, Pfannen, Glasschüsseln, Schneebesen. Porzellan hat er auch ausprobiert, aber Porzellan kann er nicht gebrauchen: Es klingt nicht gut.
Ausnahmsweise will Gottschlich, 36, die Werkzeuge nämlich nicht im »Ox&Klee« einsetzen, seinem Restaurant am Kölner Rheinauhafen, für das er kürzlich den zweiten Stern holte. Nein, Gottschlich braucht die Tools für den Konzertsaal. Im Juni steht er auf der Bühne und gibt zusammen mit den WDR-Sinfonikern ein Konzert. Seine Rolle: performing chef.
Was klingt wie ein fantastisches Rollenspiel, ist tatsächlich ein spannendes neues Projekt von Komponist Vito Žuraj und Dramaturg Patrick Hahn, für das im Spätsommer des vergangenen Jahres die Idee geboren wurde. Hahn ist künstlerischer Programmplaner vom Gürzenich-Orchester in Köln und häufiger Gast im Restaurant »Ox&Klee. Nach dem Menü saß er mit Gottschlich zusammen und philosophierte über das Essen. Es ging um die Routine und Rituale eines Arbeitstags, von denen es in der Küche ja einige gibt: Messer schleifen, Gemüse schnippeln, rühren, anrichten. Ob man das nicht vertonen könne, fragte sich Hahn – Gottschlich war sofort begeistert und sagte zu, erzählt er im Gespräch mit Falstaff.

Intensive Recherche in der Küche

Sie holten den Komponisten Vito Žuraj dazu und entwarfen die Grundzüge für eine Neue-Musik-Performance, die unter anderem die Fragen klären soll: Wie klingt Geschmack, wie wird die Kreation der einzelnen Gerichte hörbar? Unter der Überschrift »Experience Taste / Hors d’oeuvre« entwickelten sie 13 Elemente für eine Aufführung. Voraussetzung war natürlich die Recherche vor Ort: Žuraj und Hahn verbrachten viel Zeit mit Gottschlich in der Küche, um die genauen Arbeitsschritte zu studieren und sich inspirieren zu lassen. Hahn schreibt in der Vorstellung der Perfomance, dass Gerichte aus der Spitzenküche nicht nur »faszinierende Erlebnisse für Gaumen und Sinne« seien, »sondern auch Abenteuerreisen für den Intellekt. Mozart haderte einst damit dass er an der Tafel den Platz bei den Köchen zugewiesen bekam. Wäre nicht heute genau dort sein Platz?« 
Die Grundzüge der Aufführung stehen schon, den Auftakt bildet das für einen Koch unverzichtbare Messerschleifen. Brodelndes Fett und brutzelnde Zwiebeln werden eine Rolle spielen und geht es um Mise en place, also die täglichen Küchenarbeiten, die es zur Vorbereitung braucht. Umami soll dargestellt werden, jene Geschmacksrichtung, die ein Gericht abrundet und ihm Fülle verleiht – hierfür sind gesättigte Klänge geplant. Schließlich geht es um die Transformation, den Moment, wenn aus einzelnen Zutaten ein neues Ganzes wird – der magische Moment des Kochens, wenn man so will.
Nun wird geprobt, Gottschlich ist derzeit noch dabei, die Klangumfänge seiner Instrumente zu entdecken. Eingewöhnungsschwierigkeiten hat er übrigens nicht: In seiner spärlichen Freizeit spielt er Schlagzeug in einer Band.
Am 22. Juni findet das Konzert statt. Sicher ist: Es wird multidimensional. Um die Welten der Musik und der Haute Cuisine weiter zu verbinden, hat Gottschlich zugesagt, das Catering in der Pause zu übernehmen. Mit kleinen Kreationen aus seiner Küche will er die sechs Geschmacksrichtungen vorstellen, ganz so, wie man es aus seinem Menü kennt. 

Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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