Wie kalkuliert man Burgunder? Rares Tasting des Kult-Weinguts Lamy-Caillat
Vor allem der (asiatische) Sammlermarkt hat in den letzten Jahren eine Preis-Rallye bei burgundischen Premier Crus ausgelöst. Wie man damit bei einer gesuchten Domaine – Lamy-Caillat – umgeht, war Kernthema einer ungewöhnlichen Verkostung für Österreichs Topsommeliers.
10.000 Flaschen Jahresproduktion sind eine verschwindend kleine Menge, will man damit weltweite Nachfrage bedienen. Dass 3% dieser Menge nach Österreich gehen, ist hingegen beachtlich und dem guten Kontakt von Importeur »Schaeffer’s Selektionfeiner Weine« in Graz zu verdanken. Diese »Connection« blieb inzwischen auch Sammlern nicht verborgen: »Wir bekommen praktisch jede Woche Mails mit Anfragen nach Weinen der Domaine«, so Weinhändler Philipp Schäffer. Allerdings will man diese Raritäten nach Möglichkeit im Inland und auf Weinkarten, nicht auf Auktionen sehen. »Weine sollen nicht wie Goldbarren von Keller zu Keller wandern«, schildert Schäffer sein Credo zu Beginn der Verkostung in Konstantin Filippous Restaurant.
Seltenheit auch für die Sommelier-Elite
Florence Lamy und Sébastien Caillat persönlich zu erleben, ist sehr selten. Ganz burgundisch, verbringen sie die Zeit lieber im Keller oder den biodynamisch bewirtschafteten fünf »climats« ihrer Heimat. Entsprechend groß ist der Andrang heimischer Topsommeliers, die das Netzwerk »Kalk und Kegel« zu der raren Probe geladen hat. Sindy Kretschmar (»Ritz-Carlton«), Andreas Katona (»Hubert Wallner«), Max Zankl (»Obauer«), Wolfgang Kneidinger (»Palais Coburg«) oder André Drechsel (»Tian«) ließen sich die fünf Weine ebenso wenig entgehen wie die Gastronomen Thomas Dorfer (»Landhaus Bacher«) und Josef Floh (»Der Floh«). Zumal es sich um keine Vorstellung aktueller Wein handelte, sondern von Manuela Filippous Team reifere Weine aus dem Privatkeller von Lamy-Caillat eingeschenkt wurden.
Apropos Lamy-Caillat: Von der Größe her handelt es sich beim Weingut um einen Zwerg – »zwei Fässer sind es in der Regel von unserem ›La Romanée‹«, so Sébastien Caillat. Und auch von der Tradition her hat man gegenüber den seit Jahrhunderten aktiven Häusern im Burgund wenig aufzuweisen. 2008 startet man bei Lamy-Caillat. Die Nachbarin bestand – offenbar sehr resolut – darauf, dass Bauingenieur Caillat und seine Frau die 1,2 Hektar bearbeiten. Florence Lamy wiederum stammt aus burgundischem Weinadel; sie ist die Tochter von René Lamy (Domaine Lamy Pillot) aus Chassagne-Montrachet. Die hohe Nachfrage ergibt sich aus den alten Chardonnay-Anlagen des reinen Weißwein-Erzeugers, aber auch der skrupulösen Kellerarbeit. Sie wird teils von eigenen Apparaturen des Technikers Sébastien Caillat unterstützt, aber auch klaren Ansichten.
»Old School« im Dienst der Struktur
So setzt man auf langen Kontakt mit der Feinhefe. Sie wandert nach der ersten, ein Jahr währenden, Vergärung im Holz auch mit in den Stahltank. Von Bâttonage wiederum hält Monsieur Caillat wenig, dafür ist er ein bekennender Fan der mechanischen Presse: »Sie zerdrückt alles, auch die Schale und Kerne der Trauben«, sieht der Winzer darin einen strukturgebenden Vorteil gegenüber pneumatischen Weinpressen. Diese Lebendigkeit der Weine wird auch von einem extrem feuchten Keller unterstützt, ist man bei Lamy-Caillat überzeugt. Was bereits der Bourgogne Blanc des Jahrgangs 2017 zeigte: Rauch, Frucht und Säure kamen bei diesem einzigen »Einstiegswein« bereits in der Nase wie in Wellen – und bestens verwoben durch.
Dies sei eine der wichtigsten Maximen, bekräftigte Sébastien Caillat im FALSTAFF-Gespräch, »denn wir müssen lernen, mit warmen Jahrgängen umzugehen«. Während in den 1970er und 1980er Burgund noch als kühle Gegend galt, sei es mittlerweile beinahe jedes Jahr schwierig geworden. Damals sei man glücklich über den intensiven Einsatz neuer Holzfässer gewesen, »man konnte damit die zu säurigen Weine gut maskieren«. Die lange Reife für die eigenen Weine und der Verzicht auf massiven Holzeinsatz seien seine Lehren gewesen – »über zwei Jahre sinkt der pH-Wert nur sehr langsam«, ergab etwa eine Messreihe des Ingenieurs. »Mein erster heißer Jahrgang war 2003«, erinnert sich Caillat, »als niemand so recht wusste, was zu tun ist«.
Der »Kult-Aufschlag« sollte nicht sein
Das Ergebnis gibt dem Winzerpaar offenbar recht, längst übersteigt die Nachfrage das schmale Angebot. Dass man bei den Verkaufspreisen fair geblieben sei (»sie könnten heute das Zehnfache auch verlangen«, so Händler Schäffer), ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn Sammler lassen sich Weine wie den »La Romanée« mittlerweile auch 800 oder 1000 Euro kosten. Österreichs Sommellerie spielt da nicht mit, ergab die Diskussion in der Fachrunde. »Unsere Weinkarte ist im Internet einsehbar und wir kalkulieren mit normalen Aufschlägen«, so Steve Breitzke vom »Mast« in Wien. Und auch im »Steirereck« will man keine Kultzuschläge verlangen, ergänzte René Antrag: »Wir haben Lamy-Caillat auf der Karte und kalkulieren das wie jeden anderen Wein«.
Dass der »La Romanée« unter den vier Premier Crus des Weinguts herausragt, zeigte auch die Verkostung. Zumal eine Rarität aus dem Jahrgangs 2016 ins Glas kam, dessen Ernte durch Spätfrost (am 29. April!) dezimiert wurde. Wie Crêpe mit Salzbutter hinterließ dieser Chardonnay einen langen, salzigen Nachgeschmack. Mirabelle und Pomelozeste lieferten dafür bereits Frische auf der Fruchtseite dieses Ausnahme-Burgunders. Dass in diesem Jahrgang auch konzentriert werden musste, sieht »Struktur-Feinmechaniker« Caillat nicht als Nachteil: »Auch der Gerbstoff ist 2016 etwas konzentrierter; aber ich mag Säure, Tannine und Bittertöne«. Eine absolut mehrheitsfähige Conclusio, wenn man nach diesem 2016er in die hochkarätige Runde blickte!