Whiskys als »Torf-Schönheiten«

Auf der schottischen Insel Islay ist die Whisky­brennerei Ardbeg nur eine von acht Destillerien, in der die rauchig-medizinalen Whiskys als Spiegel der urtümlichen Landschaft produziert werden.

Nordisch, mystisch, melancholisch, urtümlich und gleichsam natürlich – das gilt auf der schottischen Insel Islay für Landschaft und Menschen gleichermaßen. Das Lordship of the Isles, das im 14. Jahrhundert von der Isle of Man bis nach Orknay reichte, hatte hier seinen Sitz. Die südlichste der Hebrideninseln kommt auf gerade mal 40 Kilometer Länge und ist gut halb so breit. Die rund 4000 Einwohner leben großteils auf die wenigen Orte verteilt, deren Straßen nach streng geometrischem Muster angeordnet sind. Umso weniger gerade stehen auf den Fel­dern die nachhaltig windgekrümmten Bäume und mäandern die steinernen Mauern als Grenzen zwischen Fel­dern und Mooren. Weite, bräunlich-rötlich schimmernde Ebenen, auf denen Erika und Myrte blühen, bestimmen die Insel, dann wieder wuchern üppig Rhododendren, in manchen Gärten wachsen sogar Palmen. Schmale, romantische Straßen führen an weiß strahlenden Häusern mit bunt gestrichenen Fensterrahmen vorbei. An den Hängen der Hügel mit immerhin bis zu 500 Meter Höhe sättigt sich das Regenwasser mit Mineralien, Salzen und Torferde.

Ardbeg Renaissance Whisky / Foto beigestelltAcht Brennereien sind auf Islay in Betrieb, und der Standort einer jeden ist nach dem Vorhandensein guten Wassers ausgerichtet. Die Heidemyrte ist ein weiterer Parameter im Whisky, ihre Reste haben sich über Jahrhunderte in torfigen Boden verwandelt. Fließt Wasser über solchen Grund, nimmt es den dafür typischen Geschmack auf. Auch über den Prozess des Darrens der Gerste kommen die Heidemyrte und andere Bestandteile des Torfs ins Spiel, selchig-rauchige Aromen entstehen. Heidemyrte gehörte einst zu den Würzstoffen der Bierbrauer – bis Hopfen sie ersetzte.

Berühmt berüchtigt
Whiskys aus Islay sind ebenso berühmt wie gefürchtet für ihren teils animalischen Charakter, rauchige, medizinale, auch jodige Noten, die vom Seetang stammen. Es gab eine Zeit, da galt ein Anteil von Islay-Whisky als Must zur Abrundung eines Blends. Die Brennereien der Insel traten lange Zeit primär als Zulieferer auf und entwickelten kaum eigene Marken. So ist der Charakter dieser urigen Single Malts noch heute nicht überall anerkannt – in England jedenfalls nicht. Dagegen ist Schweden ein Markt, der stark auf Islay reflektiert, und bei Liebhabern weltweit liegt die Insel ohnehin hoch im Kurs, allen voran die Brennerei Ardbeg.

Kurioserweise ist die charakteristische rauchige Note die Folge eines Defekts, denn aufgrund mangelnder technischer Ausrüstung oder auch Schlamperei übertrug sich beim Darren der Gerste der Rauch stär­ker als beabsichtigt. Man bedenke, dass die ersten Islay-Brennereien entweder schwarz oder nur für den Eigenbedarf brannten. So kam Islay zu seinem unverwechselbaren Stil.

Bei Ardbeg lagern neben neue­ren auch Jahrgänge von vor 1975, die bei Kennern wegen des ­damals noch eigenen Maltings einen legendären Ruf genießen/Foto: Peter Hämmerle

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Renaissance
Als Blended Scotch in den Siebziger- und Achtzigerjahren im Aufwind war und die gro­ßen Konzerne glaubten, die globalen Märkte mit einem konformeren Stil leichter zu erreichen, gerieten die Islay-Whiskys ins Hintertreffen.Viele Betriebe wurden stillgelegt, und nur wenige erlebten später eine Renaissance – wie Ardbeg 1989 und Bruichladdich im Jahr 2000. Andere wie Port Ellen oder Port Charlotte verfielen und zählen heute zu den »lost distilleries«, deren alte Bestände gelegentlich noch in Sonderabfüllungen zu finden sind. Sie sind wie Wunden in der Landschaft und Geschichte der Insel. Die aktiven Brennereien dagegen arbeiten heute an der Grenze ihrer Kapazität. »Islay zeigt sich jetzt so vital, wie ich es immer gesehen habe«, sagt Mikey Heads, Betriebsleiter bei Ardbeg.

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Text von Peter Hämmerle (FMA1/11)

Peter Hämmerle
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