Weingut Koehler-Ruprecht: Herrlich altmodisch

Die deutsche Riesling-Ikone unter den Weingütern beugt sich keinem Diktat und steht zu seinen Traditionen.

»Rast' ich so rost' ich«, ruft das Banner auf dem Wappen aus, und mag vielleicht zu flotten Leibesübungen anregen, wahrscheinlicher aber den Fortlauf der Dinge einer Familie beschwören, deren wichtigstes der Wein ist, solange man weiß. Anbeginn soll das Jahr 1700 gewesen sein, als im Fortlauf vieler Jahrhunderte und weiblicher Nachkommen der Familien Koehler und Ruprecht ein wegweisender Name in ihre Geschichte trat: Ende der sechziger Jahre kam zum ersten Mal Philippi ins Spiel und Mitte der Achtziger Bernd Philippi ans Ruder, der das Weingut zu einer deutschen Riesling-Ikone führte, die sich Trends und Moden gar nicht erst verweigern musste, weil sie aus vollem Herzen altmodisch war und heute immer noch ist.

Das ist umso erstaunlicher, da Koehler-Ruprecht mit dieser Verweigerungs-Philosophie beständig Weingütern begegnet, wenn die über kurz oder lang, über Umwege oder Abkürzungen auf genau jenen Weg stoßen, den man bei Koehler-Ruprecht nie verließ. »Er wüsste nicht«, sagt Betriebsleiter Dominik Sona, »wo sonst noch so viele Eichenholzfässer unterschiedlichster Volumina zu finden und in Gebrauch sind.« Edelstahl, Beton oder Glasfaser gibt es hier nicht und gab es nie. Einige Kollegen werden Sona heute um diesen Luxus beneiden, wenn sie vor etlichen Jahren ihr gesamtes Holz gegen Edelstahl eintauschten und nun erkennen müssen, wie wertvoll dieser Naturstoff für den Wein sein kann.

Holz – so wertvoll für Wein / Foto Falstaff

Beobachten statt Intervenieren
Für Sona ist Holz freilich kein Luxus, sondern eine altmodische Selbstverständlichkeit, zuweilen über 100 Jahre alt. Neue Fässer sind selten und handverlesen. Seit acht Jahrgängen begleitet er die Weine von Koehler-Ruprecht, und er tut das in jedem Jahr mehr oder weniger gleich. Ganz schön langweilig könnte man denken, doch ebenso glatt falsch liegen, denn Sonas Wein-Anschauung im Keller lautet: Beobachten statt intervenieren. Wer derart in Wein gefangenen Purismus nicht verstehen mag, dem sei ein gutes Gedächtnis gewünscht oder eine Klimatabelle des entsprechenden Jahrgangs zumindest als Hilfestellung empfohlen. Chaptalisieren ist bei Koehler-Ruprecht jedenfalls tabu. »Den einzigen Zucker, den wir hier haben, ist der für meinen Kaffee«, sagt Sona, »aber selbst den brauchen wir nicht mehr, denn ich trinke Kaffee nur noch schwarz.«

Entsäuert oder gesäuert wird freilich auch nicht. Es herrscht eine entspannte Absenz von braunen Säcken, die anderswo als Joker aufgetürmt so recht für Beruhigung auch nicht sorgen wollen. Koehler-Ruprechts wahrer Most strömt oder plätschert rechtzeitig in sein exklusives Holzgebinde und bekommt dort die Zeit, die er eben braucht. Und die er sich nimmt, denn bei Koehler-Ruprecht wird seit jeher spontan vergoren. Es gab Zeiten, da wurde Philippi von Kollegen ob seiner altertümlichen Verfahren verspottet. Gekümmert hat ihn das vermutlich wenig, denn er war sich seines Terroirs sicher, das keine andere Methode besser zur Geltung bringen würde als die Vergärung mit eigenen Hefen. Heute sind es genau jene sensiblen Herangehensweisen, die viele Winzer im Umgang mit ihren Weinen wieder zulassen.

Dominik Sona verwendet Zucker nicht einmal mehr für seinen Kaffee / Foto FalstaffLanges Warten auf grandiosen Auftritt
Der legendäre Ruf der Lage »Kallstadter Saumagen« ist sicherlich dem Weingut Koehler-Ruprecht zu verdanken. Parzellen in diesem insgesamt 40 Hektar großen Wingert sind heiß begehrt und kostbar. Viele scharren mit den Hufen, nur wenige kommen zum Zug. Noch weniger werden eine Parzelle im Kernstück des ursprünglichen Kalksteinbruchs ergattern, denn der größere Teil des Saumagens besteht aus kalkhaltigem Löss-Lehm. Die Rieslinge, die Koehler-Ruprecht hier seit jeher entstehen lässt, wurden nie einfach nur beklatscht, denn die Zeit bis zu ihrem grandiosen Auftritt kann immens lang werden. In der Zwischenzeit werden aber gerne ihre Generalproben verrissen, die nicht immer spektakulär ausfallen, wohl wissend, dass bis zur spektakulären Premiere noch 15 Jahre vergehen können. Da ist es nur klug, sich seine Kräfte gut einzuteilen. Philippi warf man gerne vor, er produziere nicht zeit- und damit auch nicht mehr geschmacksgemäß. Seine Antwort war auch damals schon: Geduld. Das Weingut hat er bereits vor einigen Jahren an eine amerikanische Investoren-Familie verkauft, war jedoch bis zur Lese 2012 noch aktiv beratend tätig. Sein Archiv mit den alten Schätzen nahm er mit, sie werden reifer, er mit ihnen älter. Was hat Dominik Sona unternommen, als diese überragende Persönlichkeit den Hof für immer verließ und Sona die Verantwortung für die Weine übertragen bekam? Nichts natürlich.

Austritt aus dem VDP
Im Hause Koehler-Ruprecht gehen die Dinge ihren Lauf. Nicht andersherum, weshalb man sich kürzlich dazu entschloss, den einflussreichen Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) zu verlassen, unter anderem weil dieser die Prädikate Kabinett, Spätlese und Auslese zukünftig für trockene Weine nicht mehr vorsieht. Nun ist die Geschichte von Koehler-Ruprecht bekanntlich sehr lang und sehr altmodisch. Paradoxerweise versteht sich auch der VDP als seinen Traditionen eng verbundener Verband, der sich gerade auf den Weg zu alten Werten gemacht hat, als die Herkunft eines Weins noch Ausweis höchster Güte war und keine Oechsle-Weltrekorde, wie sie nach dem Weingesetz 1971 massenweise aus den Regalen der Supermärkte purzelten. Naturwein hieß fortan Prädikatswein. Ab der Stufe Kabinett durfte nun nicht mehr angereichert werden. Bei einem Qualitätswein war dies aber erlaubt, und Qualitätsweine sind nun alle trockenen Gewächse der VDP-Mitglieder, hinauf bis zum »VDP.Grosses Gewächs« - ihrem Prestige-Objekt und Botschafter seiner kleinstmöglichen Heimat. Bei Koehler-Ruprecht wird der größte Teil der Weine traditionell trocken und altmodisch in den drei Prädikatsstufen Kabinett, Spätlese und Auslese ausgebaut, die derart auch eine interne Qualitätspyramide bilden, mit der äußerst raren und delikaten Saumagen Riesling Auslese RR an der Spitze. Exzellenten deutschen Weinlagen wieder zu jenem Renommee zu verhelfen, das sie einst inne hatten und mit dem »Grossen Gewächs« das Terroir in den Vordergrund zu rücken, sind hehre Ziele des VDP, und so manches ist auch schon erreicht.

An Koehler-Ruprecht ging der vermeintliche önologische Fortschritt vorbei / Foto FalstaffGroße Wertschätzung
Andererseits stellt sich die Frage nach einer Renaissance wenigstens für das Weingut Koehler-Ruprecht so nicht, denn die Weine erfahren im Ausland beständig größte Wertschätzung. Der Präsident des VDP, Steffen Christmann, sagte: »Wir haben dem Weingut angeboten, gemeinsam nach Wegen zu suchen.« Welche Wahl hat man aber, wenn man doch nur einen Weg kennt, auf dem es sich in aller Vergangenheit auch noch so gewiss spazieren ließ? Es kamen Zeiten mit Glasfaser und Edelstahl und gingen vorbei, andere mit Crossflow-Filtration und Kaltgärhefe. An Koehler-Ruprecht ging der vermeintliche önologische Fortschritt vorbei. Sich nun dem Diktat des VDP's zu unterwerfen, würde bedeuten, seine Traditionen aufzugeben, für ein Ziel, dass das Weingut gar nicht benötigt oder nötig hat. Dass seine trockenen Weine auch morgen noch ihre Prädikate als Ausweis des Naturweingedanken tragen, wog da sicherlich schwerer. Auch wenn der Präsident des VDP-Pfalz, Hans-Jörg Rebholz, betonte, dass zwischen dem Prädikatsweinsystem und dem Naturweingedanken zu unterscheiden sei und eine Anreicherung der trockenen Qualitätsweine eigentlich nur noch bei Rotweinen eine größere Rolle spiele. Letztlich lässt das Gesetz aber die Zugabe von Zucker bei Qualitätsweinen ausdrücklich zu.

Die Naturwein-Pioniere waren Anfang des 20. Jahrhunderts übrigens einige der angesehensten Winzer der Pfalz, darunter Franz Armand Buhl, Dr. jur. Ludwig Bassermann-Jordan und Dr. Albert Bürklin. Durch ihre unermüdliche Aufklärungsarbeit sorgten sie für eine stetig steigende Zahl von Weinen ohne Zuckeraufbesserung, also für mehr Naturweine und bekömmlichere Qualitäten, bereitet von Winzern mit mehr Expertise und Feingefühl. Dass die Weine zudem auch von höherer Güte waren, ist mehr als wahrscheinlich, denn wer damals aufbesserte, tat das mit Zuckerwasser oder Trockenzucker oft fragwürdiger Herkunft. Heutzutage ist ein angereicherter Qualitätswein, ob weiß oder rot, zwar kein Hinweis auf eine mindere Weinqualität mehr, gleichwohl ist sein natürlicher Alkoholgehalt erhöht und sein Geschmack dadurch manipuliert worden. Am Ende hilft aber auch all die altmodische Rückbesinnung nicht, wenn es zum Glück noch wir sind, die aus unseren Kelchen trinken und an manchen Stellen dieser Auseinandersetzung zu dem Schluss kommen, dass da zwei sind, denen ihre Nomenklatura zuweilen zum Verhängnis wird, wenn sie sich unterm Strich doch einig sind und unsere Kelche mit herkunftsgeprägten Weinen füllen. Dem »Rast' ich so rost' ich« stellen wir also das nächste Glas entgegen. Auf dass uns die Wahrheit damit wieder ein Stückchen näher kommen möge.

Text von Axel Biesler

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