Weine wie zu Urgroßvaters Zeiten

Nur wenige ­historische Weinberge mit einem Mischsatz urtümlicher ­Rebsorten haben bis heute überlebt. Doch einige gibt es noch – umhegt und gepflegt von Idealisten.

Erste Szene: Machtilshausen, Fränkische Saale. Die Kirchenglocken läuten ein letztes Mal vor dem Sonnenuntergang. Unten im Tal schimpft jemand mit seinem Hund, ansonsten ist kein Geräusch zu vernehmen. Nur ganz leise streicht der Wind durch die Reben.

Willkommen in einer anderen Weinwelt, einer Weinwelt ohne Erntemaschinen und Hubschrauberspritzungen, einer Weinwelt allerdings auch, die eher von ihrer Vergangenheit als von ihrer Gegenwart lebt. Die schönen alten Winzerhöfe im Ort mit ihren prächtigen Toren künden noch von der einstigen Bedeutung des Weinbaus für diese Gegend.

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Doch heute ist selbst der »Gasthof zur Traube« eine Pizzeria, in der Bier getrunken wird oder Rotwein aus Italien. Drei Parzellen mit Reben stehen noch in der »Machtilshäuser Sommerleite«, die nach dem Aufgeben der Rebflächen langsam wieder zum artenreichen Trockenrasenhang geworden ist. Eine der drei Parzellen, ein winziges Stück Land mit krummen Rebstöcken, gehört dem Biowinzer Edgar Wallrapp. Und es sind besondere Rebstöcke mit besonderen Trauben, aus denen Wallrapp seinen »Altfränkischen Satz« keltert – vergessene Rebstöcke an einem vergessenen Ort.

Winzer Edgar Wallrapp erntet hier die Trauben für seinen altfränkischen Satz / Foto: Wolfahrt Rainer

Szenenwechsel: ein Weinfeld in der Nähe von Volkach, Maindreieck. »Genau diese vergessenen Lagen sind es, auf denen unsere alten Sätze noch zu finden sind. Woanders ist doch während der Flurbereinigung der 60er-und 70er-Jahre alles gerodet worden. Erst recht diese alten Reben mit ihrem mäßigen Ertrag und ihrem sauren Wein.« Der, der das sagt, ist einer, der es wissen muss. Johannes Zang erzeugt zusammen mit seinem Vater Otmar den vermutlich bekanntesten Wein dieser Art, den »Alten Satz« aus der Lage »Rimbacher Landsknecht«. Von den Reben, acht Zeilen breit und umgeben von Feldern, blickt man auf einen Karpfenteich. Kein Ort, an dem mit einem erhöhten Touristenaufkommen zu rechnen ist. Heute nicht und erst recht nicht vor 179 Jahren. Denn im Jahr 1835, so soll es im Kirchenbuch überliefert sein, wurden die Reben für diese Parzelle gesetzt.

Scheuring setzt auf alte Sorten / Foto: Herbert Lehmann

Noch ein Szenenwechsel: ein spektakulärer Steilhang am Main zwischen Schweinfurt und Bamberg. »Steinbacher Nonnenberg« heißt die Lage, in der Hartmut Scheuring seinen Wein erzeugt. Einst wurde an dem gleichmäßig nach Süden ausgerichteten Hang auf vollen 35 Kilometern Wein angebaut. Heute sind höchstens die Lagen um den alten Weinort Zeil herum im Bewusstsein über­regionaler Weinfreunde geblieben. Die wahre Weinromantik aber ist abseits bekannter Pfade zu finden – wie hier bei Hartmut Scheuring. Als er zusammen mit zwei Freunden beschlossen hatte, eigenen Wein zu machen, wurden dem Trio mehr als zehn Angebote in der Gegend gemacht – meist von alten Leuten, die ihre Parzellen nicht mehr selbst bewirtschaften konnten und keinen Nachfolger hatten. »Wir haben uns dann für die schönste Parzelle entschieden. Aber nicht der Reben wegen, denn die waren am wenigsten gepflegt, sondern wegen der Sandsteinmauern, der Aussicht und des kleinen Häuschens mit seinem Baum mitten im Weinberg.« In sogenannten Schränken stehen die Rebstöcke im Hang, eingefasst von Terrassenmauern, dicht bepflanzt und völlig ungeeignet für die maschinelle Bearbeitung. Einige Reben wurden wegen der größeren Wärmespeicherkapazität sogar direkt in die Mauern gesetzt und dann als Pergola über den Weg gezogen.

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Den vollständigen Text von Matthias Neske lesen Sie im neuen Falstaff Deutschland 08/14

Aufruf:
Der Weinenthusiast Thomas Riedl aus Bonn führt eine Liste, auf der alle Daten über die letzten wurzel­echten Mischsätze in Deutschland erfasst sind. Wer einen ­solchen kennt, ist gebeten, sich mit der ­Redaktion in Verbindung zu setzen – wir leiten die Informationen gerne weiter: redaktion@falstaff.de