Weinbau in Luxemburg: Auch die Obermosel zieht Schleifen wie hier an der Grenze zu Deutschland.

Weinbau in Luxemburg: Auch die Obermosel zieht Schleifen wie hier an der Grenze zu Deutschland.
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Weine aus Luxemburg

Mosel und Weinbau – das sind zwei Dinge, die oft in einem Atemzug genannt werden. Doch kaum jemand denkt daran, dass die Mosel auf einer Strecke von rund vierzig Kilometern an Luxemburg grenzt.

D’Musel ass een vun denen Flöss, bei dem man direkt un Wäin denkt. Mä kaum een dënkt dodrun, dat d’Quell vun der Musel an de Vogesen ass an dat déi éicht Wëngerten vun der Musel sech am Frankreich befannen.« Das war Lëtzebuergesch – und bedeutet: »Die Mosel ist einer derjenigen Flüsse, bei denen man sofort an Wein denkt. Doch kaum jemand denkt daran, dass die Mosel in den Vogesen entspringt und dass die ersten Mosel-Weinberge in Frankreich liegen.«
Ein paar deutsche Elemente, ein paar moselfränkische, ein paar französische: Das ist der ganz spezielle Luxemburger Mix, und das nicht nur in der Sprache, sondern auch beim Wein. Auf den Etiketten liest man Ausdrücke wie »Grand Premier Cru«, »Côteaux de …« oder »lieu-dit«. Französisch ist die Sprache fürs Offizielle und fürs Prestige. Selbst das Dekret, das Lëtzebuergesch zur Amtssprache erhebt, ist auf Französisch verfasst. In Luxemburger Flaschen findet man hingegen meist Weißweine, die – wie es flussabwärts am berühmteren Flussabschnitt üblich ist – von mehr oder weniger Restsüße in der Balance gehalten werden. Doch dann enden die deutschen Anleihen auch schon wieder: Die irgendwie preußisch anmutende »trocken-halbtrocken-fruchtig«-Skala ist den Luxemburgern fremd. Der Wein ist halt so süß, wie Gott und der Winzer ihn gemacht haben. Das wiederum ist dann vielleicht etwas französischer, als es die Franzosen sind.

Luxemburgs emblematischer Riesling-Weinberg: Wormeldange Koeppchen mit Kapelle.
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Luxemburgs emblematischer Riesling-Weinberg: Wormeldange Koeppchen mit Kapelle.

Bei den Rebsorten bedienen sich die Luxemburger auf beiden Seiten: Die flächenmäßig wichtigste Sorte ist der Rivaner, also Deutschlands Müller-Thurgau. Mehr Prestige haben die Burgunder-Sorten – allen voran der Auxerrois, der als Luxemburger Spezialität gilt. Und natürlich gibt es, nur dreißig, vierzig Kilometer Luftlinie vom Scharzhofberg entfernt, auch Riesling. »Ich wollte eigentlich nie Riesling machen, sondern viel lieber Sorten, die sich für den Barriqueausbau eignen«, sagt der Winzer Abi Duhr aus Grevenmacher, einem Städtchen, das man fast als Vorort von Trier bezeichnen könnte. Dann stellt er Chardonnay und Auxerrois zurück und gießt seine Rieslinge ein: erst die alten Reben aus der Lage Paradaïs, dann »Sous la Roche-Rue» und zuletzt »Vieilles ­Vignes«. 
»Paradaïs« zeigt die würzige Frische der kühlen Obermosel und verbindet sie mit einer fast burgunderhaften Textur. »Sous la Roche-Rue« elektrisiert mit einer Hallo-Wach-Säure, und die »Vieilles ­Vignes« entfalten auf seidigem Hintergrund einen großen Spannungsbogen. In allen drei Weinen wetteifert die Saftigkeit des deutschen Riesling-Stils mit der terroirgeprägten Verdichtung Frankreichs. Noch stärker auf den Riesling fokussiert die Domaine Alice Hartmann in Wormeldange. Das Weingut ist Hoflieferant – mit gutem Grund, denn zum Weingut gehören die Filetstücke in der besten Riesling-Lage Luxemburgs: Wormeldange Koeppchen. Noch aussagekräftiger als die Tatsache, dass der Wein am Tisch des Monarchen gereicht wird, ist die Tatsache, dass die Weine per Allokation zugeteilt werden wie große Bordeaux – und dabei langfristig ausverkauft sind: »Unseren Prestige-Crémant haben wir bereits bis zum Jahr 2020 komplett zugeteilt«, freut sich André Klein, der für die Verkäufe des Zwölf-Hektar-Weinguts zuständig ist. Kaum anders sieht es bei den Lagen-Rieslingen aus, oder bei Chardonnay und Pinot noir. Mit Hans-Jörg Befort steht bei Alice Hartmann ein Deutscher im Keller, der einen kurzen Weg zur Arbeit hat: Von Nittel, wo Befort gemeinsam mit seinem Bruder das Weingut seiner Familie leitet, fährt er gerade einmal acht Kilometer zur Arbeit.

Auch in Luxemburg – hier bei den Caves Gales – findet der Weinbau meist in Steillagen statt.
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Auch in Luxemburg – hier bei den Caves Gales – findet der Weinbau meist in Steillagen statt.

Besondere Böden

Auch Arno Bauer ist ein deutscher Gastarbeiter in luxemburgischem Dienste. Sein Arbeitsweg führt ihn täglich von der Ruwer nach Remich, wo er drei unter dem Dach der Familie Gales vereinte Betriebe leitet: die Domaine St Martin sowie die Caves Gales und Krier Frères. Bauer geht auf die steil hinter dem Büro­gebäude aufragende Felswand zu und schließt dort eine Tür auf. Ein Schalterknipsen wirft Licht in einen Stollen, der Dutzende Meter in den Fels reicht. Edelstahltanks säumen den Weg hinein in den Berg, es riecht frisch und kühl und ein klein wenig nach Wein. »Wenn es kräftig geregnet hat, muss man hier unten nach ein paar Tagen den Regenschirm aufspannen, weil das Wasser durch den Muschelkalk sickert«, berichtet Bauer amüsiert. 25 Meter hoch liegt der Stein über dem Keller.
Das Sickern des Regenwassers durch den Muschelkalk illustriert, dass Luxemburgs Weinbau ganz andere Bedingungen hat als etwa die Mittelmosel: Es gibt in Luxemburg keinen Schiefer. Die Obermosel gleicht eher der Trias-Landschaft Frankens: Die meisten Reben wachsen auf Muschelkalk, und in den höheren Lagen tritt der Keuper zutage. In einem solchen Abschnitt flussaufwärts haben Luxemburgs Bio-Pioniere ihr Domizil. Corinne Kox-Sunnen und ihr Bruder Yves Sunnen waren die Erben eines alt eingesessenen Weinguts mit Kellerei. Im Jahr 2001 beschlossen sie, den Zukauf von Trauben zu stoppen und die eigenen Weinberge auf Bio-Bewirtschaftung umzustellen. Ihre Weine gehören heute zu den besten des Landes und spielen auch im namhaften Win­zerzusammenschluss »Domaine & Tradition« eine führende Rolle, doch an die Anfänge denkt Kox-Sunnen mit gemischten Gefühlen: »Manche Nachbarn dachten, wir würden Krankheiten in die Weinberge einschleppen. Es war nicht einfach damals.«

Corinne Kox-Sunnen und Yves Sunnen stellten das Familienweingut 2001 auf Bio-Bewirtschaftung um.​
© Raphael Maass
Corinne Kox-Sunnen und Yves Sunnen stellten das Familienweingut 2001 auf Bio-Bewirtschaftung um.​

Zurück zu Abi Duhr nach Grevenmacher. Nach all den Rieslingen steht nun ein 2009er Auxerrois im Glas. »Die alten Winzer sagten, dass der Luxemburger Auxerrois nach ein paar Jahren Flaschenreife wie ein Chablis schmeckt. Da dachte ich mir, dann kann ich ihn auch gleich ins Barrique legen.«Wie recht sie doch hatten, beide: die alten Winzer und Duhr. Dann kommt die nächste Flasche. »Die Alten sagten aber auch, dass wir in Luxemburg nicht die richtigen Böden für fruchtsüßen Riesling haben.« Und doch hat Duhrs Botrytis-Auslese 2015 großes Spiel. Keine Frage: Es lohnt sich, ein Auge auf das Weinland Luxemburg zu haben.

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2017

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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