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Weinbau: Pannoniens reicher Winkel

Die Weinbaugebiete im Norden des Burgenlands bieten das wohl kompletteste Angebot an Sorten und Stilen, das Österreichs Rieden zu bieten haben.

Im Nordosten des Neusiedler Sees bilden die sanften Hänge der Parndorfer Platte eine weithin sichtbare Geländestufe. Auf diesem Halbbogen zwischen Neusiedl am See und Halbturn an der ungarischen Grenzen werden elegante Weißweine aus Burgundersorten, aber auch aromatischere Varietäten und komplexe Rotweine erzeugt. Neben dem dominierenden Blauen Zweigelt entstehen hier Weine aus Blaufränkisch, St. Laurent, Pinot Noir und Merlot, besonders aber harmonische, lagerfähige Cuvées, deren Trauben auf steinigen Sand-Lehm-Böden gedeihen. Im Weinbauzentrum Gols findet man eine hohe Dichte an Spitzenwinzern, wie zum Beispiel jene der Pannobile-Gruppe, die neben ihren aufsehenerregenden Weinen auch mit besonderer Kellerarchitektur auf jeden Fall einen Besuch Wert sind.

Gols ist auch die Heimat von Winzern wie Hans »John« Nittnaus, Gernot Heinrich oder Paul Achs, deren Produkte zu den besten des Landes zählen, aber auch einer nächsten Generation wie Claus Preisinger, Werner Achs oder den »rennersistas«, die mit erfrischend neuen Konzepten und Stilen für einen fließenden Übergang in die Zukunft der burgenländischen Weinkultur sorgen. Über Mönchhof, Halbturn und Frauenkirchen erstreckt sich eine vielfältige Weinszene mit zahllosen engagierten Weinbaubetrieben.

Eine ständig wachsende Zahl an Erzeugern hat sich mit Erfolg dem biologischen oder biodynamischen Weinbau verschrieben. Im Gebiet von Andau wird auf optimalen schottrigen Böden das ganze Potenzial des Blauen Zweigelts ausgeschöpft. Hier entstehen stoffige, reife Rotweine, die jedem internationalen Anspruch gerecht werden. Das Weingut von Erich Scheiblhofer hat hier Vorbildwirkung und einen Pfad vorgezeichnet, der von Winzern wie Christoph Salzl, Hannes Reeh oder Jacqueline Klein ebenso erfolgreich beschritten wird. Beginnend im Jahr 2012 wurde für die vom speziellen Klima und Boden geprägten fruchtigen und harmonischen Rotweine der Sorte Zweigelt in der Region die Herkunftsbezeichnung Neusiedlersee DAC eingeführt, die mit der Zusatzbezeichnung Reserve für reinsortigen Zweigelt oder aber auch zweigeltdominierte Cuvée steht.

Der Seewinkel – das Süßwein-Eldorado

Der flache Seewinkel am Ostufer des Neusiedler Sees unterscheidet sich deutlich vom hügeligen Westufer. Im Umfeld des Dreiecks, das von den Ortschaften Podersdorf, Illmitz und Apetlon gebildet und als Seewinkel bezeichnet wird, liegt neben dem großen Steppensee eine Vielzahl an kleineren Wasserflächen, die hier als »Lacken« bezeichnet werden. Auf sandigen Böden wachsen in diesem Umfeld jene Weißweinsorten, die im Herbst dank der höheren Luftfeuchtigkeit von der Edelfäule profitieren, die nötig ist, um die klassischen Süßweine entstehen zu lassen, für die das Burgenland längst weltberühmt geworden ist.

Im Idealfall tritt die Edelfäule Botrytis cinerea gleichmäßig und rasch auf und setzt sich auf gesunden ausgereiften Trauben möglichst früh im Herbst fest. Der Pilz konsumiert das Wasser aus der Frucht, und dadurch konzentriert sich der Inhalt, während die Traubenbeere schrumpft. Das Verhältnis von Zucker, Säure und weiteren Inhaltsstoffen nimmt immer weiter zu. Am Ende des Prozesses stehen rosinierte Beeren, die sogenannten Trockenbeeren. Und genau aus diesem Material wird die begehrte Trockenbeerenauslese gewonnen. Erntet man die Trauben in einer früheren Phase der Konzentration, dann können fruchtig-süße Spätlesen, komplexe Auslesen oder finessenreiche Beerenauslesen vinifiziert werden, die mit Balance, Eleganz und Finesse bestechen.

Diese »edelsüßen« Dessertweinvarianten sind durch eine feine Dörrobstnote leicht zu identifizieren. Eine andere, nicht weniger erfolgreiche Variante der Süßweinproduktion ist jene der Konzentration durch das Trocknen der Beeren, wie sie bei der Herstellung von Strohwein oder Schilfwein – als dessen »Erfinder« Willi Opitz aus Illmitz genannt sei – angewandt wird. Hierbei werden handverlesene, gesunde Trauben für zwei bis drei Monate auf Stroh oder Schilfmatten getrocknet und dann weiterverarbeitet. Eine dritte Möglichkeit, von der auch am Neusiedler See Gebrauch gemacht wird, ist die Produktion von Eiswein. Diese Methode erfordert von den Winzern Geduld und eine gewisse Bereitschaft zum Risiko. Denn hier müssen die Trauben bei Minusgraden geerntet und im gefrorenen Zustand in die Presse gebracht werden. Die Winzer aus dem Seewinkel haben sich für ihre Süßweine große Anerkennung erarbeitet. Über 20 Male holten sich die Illmitzer Winzer in Ljubljana in Slowenien den Titel »World Champion«, in jüngerer Zeit ist der Wettbewerb IWC in London zur Bühne für Seewinkler Süßweine geworden.

Der 2007 viel zu früh verstorbene Starwinzer A­lois Kracher war der Motor einer neuen Generation von Süßweinerzeugern, die heute von Prämierung zu Prämierung eilen. Hans Tschida vom Angerhof aus Illmitz hat seit 2010 bis 2019 sechsmal den Titel »International Sweet Winemaker of the Year« aus London abgeholt. Auch Helmut Lang sowie Peter und Christoph Münzenrieder vom Weingut PMC Münzenrieder aus Apetlon wurden mit dieser höchsten Auszeichnung für Süßwein bereits bedacht. Nur ein einziges Mal seit 2010 ging dieser Preis nicht ins Burgenland – eine beachtliche Kontinuität.


Top-Süßweine

Foto beigestellt
  • Kracher, Illmitz
    Gerhard Kracher führt das bekannteste österreichische Süßweingut bereits in dritter Generation. Sein Großvater legte mit dem legendären 1981er den Grundstein, der legendäre Vater Alois Kracher sorgte für weltweite Begeisterung und Anerkennung.
    Weintipp: 2016 TBA No. 3 Grande Cuvée Nouvelle Vague
     
  • Tschida-Angerhof, Illmitz
    Einige der weltbesten Süßweinwinzer stammen aus dem Burgenland. Einer davon ist Hans Tschida aus Illmitz. Sein Qualitätsstreben bei der Traubenproduktion und sein feinsinniges Gespür im Keller bestimmen seine vielfach ausgezeichneten Weine.
    Weintipp: 2017 TBA Sämling 88
     
  • Haider, Illmitz
    Der traditionsreiche Familienbetrieb wird mittlerweile in vierter Generation geführt. Von der Spätlese über Eiswein bis hin zur Trockenbeerenauslese – das Weingut Haider ist national wie international ein Begriff für Spitzen-Prädikatsweine vom Seewinkel.
    Weintipp: 2015 TBA Riesling
     
  • PMC Münzenrieder, Apetlon
    Mit ihren unzähligen internationalen Goldmedaillen und anderen hohen Auszeichnungen für ihre weißen und roten Prädikatsweine gehören die beiden Brüder Peter und Christoph Münzenrieder zu den Spitzenproduzenten edelsüßer Kreszenzen.
    Weintipp: 2017 TBA Welschriesling
     
  • Weingut Velich, Apetlon
    Heinz Velich ist für seine großen trockenen Chardonnays wie den Tiglat über die Landesgrenzen hinaus bekannt, seine fassgereiften Süßweine verdienen aber höchste Beachtung.
    Weintipp: 2006 TBA Welschriesling

Erschienen in
Burgenland Special 2019

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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