Wein aus Sachsen: Rar, aber charakterstark

Eng schmiegen sich die Weinberge an den Flusslauf der Elbe – auf die wärmende Nähe des Wassers können die Reben so weit im Norden nicht verzichten.

Restaurieren hat er von der Pike auf gelernt, sein Schaden war das nicht. Im Gegenteil. Bevor der 36-Jährige zum Winzer wurde, verdingte er sich als Steinmetz am Kölner Dom und später in Meißen auf Schloss Proschwitz. Zum Winzer ist Karl Friedrich Aust schon während seiner Kindheit herangewachsen, weil Reben in Radebeul schon immer zu seiner Familie gehörten. Die Gesellenprüfung zum Winzer legte er in Weinsberg ab, das Fingerspitzengefühl für die Weine und ein unsichtbarer Draht zu dem Boden, auf dem sie wachsen, kamen von selbst.

Aust will seine einmaligen Terrassenlagen mit ihren Trockenmauern auch als Symbole seiner Heimat verstanden wissen. Weil er gelernter Steinmetz ist, könnte man meinen, dass er in dieser Sache Einzelkämpfer ist. Doch auch die anderen Winzer haben den Wert ihrer Terrassen für den Wein erkannt, ihre Symbolkraft für die ganze Region. Wie uneinnehmbare Festungen ruhen sie in den Bergen aus Granit und Syenit. Atemberaubend schön.

>>> Bildergalerie: Best of Sachsen

Gelernter Steinmetz, heute begeisterter Winzer: Karl Friedrich Aust / Foto: © beigestellt

>>> Verkostung: Sachsen – Die Weine von der Elbe

Weinbau in Steilhängen ist entbehrungsreich, doch gleichzeitig Garant für delikate Weine. In Sachsen werden sie mitunter aus Sorten bereitet, die in anderen Anbaugebieten nur wenig Beachtung finden. Kerner, Müller-Thurgau oder Bacchus, hier besitzen sie Kultstatus und sind ihr Geld wert. »Meine Weine sind preiswert«, sagt Aust, »aber nicht billig.« Seinen 2013er Bacchus Kabinett veredelt Jens Pietzonka zu einem grandiosen Hochgenuss: Der Sommelier im Dresdner Restaurant »bean & beluga« paart die zart-tropische Köstlichkeit mit einer Komposition aus Königskrabbe, Auster und Holunder. Auf Schloss Wackerbarth lässt sich der geeignete Aperitif dazu erstehen. Das Staatsweingut in Radebeul spielt seine Stärken traditionsgemäß bei den Sekten aus – besonders eindrucksvoll mit einer Cuvée aus Weiß-, Grau- und Spätburgunder des Jahrgangs 2006, die erst im letzten Jahr degorgiert wurde. Schloss Wackerbarth ist die Einflugschneise in die Welt der sächsischen Weine. Dabei vermeidet das barocke Anwesen mit seinem sachlichen Neubau eine Walt-Disney-World des Weins zu sein, bleibt mit seinen 100 Hektar Reben, den prächtigen Terrassen und Gartenanlagen zwar ein touristisches Ziel, aber eines mit Stil und Sinn für Nachhaltigkeit.

Ein Hort von Rebsorten
Der Tourismus in dem rund 450 Hektar kleinen Anbaugebiet boomt. Sachsen ist ein Sammelsurium, ein Hort von Rebsorten, die anderswo schlecht beleumundet sind. Auch das macht die Region einzigartig. »Vor der Wende war geeignetes Rebenmaterial rar«, sagt Tim Strasser, »da pflanzte man an, was aus benachbarten Ostblockländern oder dem Westen zu bekommen war.« Der Winzer bekam nur Wein aus jener Sorte anteilig zurück, die er auch an die Genossenschaft abgeliefert hatte. Ein bisschen Abwechslung im Kelch sollte es schon sein, also wurde die auch gepflanzt. Der heute wieder angesagte »Gemischte Satz«, in der DDR war er pragmatische Wirklichkeit. Ein Glasballon mit eigenem Wein vergor ohnedies in jeder Küche, Ehrensache. Vergangene Zeiten. Tim Strasser ist gerade einmal 28 Jahre alt und hat sein Leben schon bis zur Rente geplant. 2009 erwarb er einen bis auf die Grund­mauern abgebrannten Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert und restauriert ihn nun peu à peu zu einem Weingut nach seinen Vorstellungen. Das braucht Zeit. Strasser nimmt sie sich. Er investiert, wenn er inves­tieren kann. Aus den ehemaligen Gesindezimmern sollen einmal komfortable Zimmer für seine Gäste werden. Stattliche elf Hektar bewirtschaftet er heute. Seine Reben wachsen auf sanft geschwungenen Hängen mit lehmigen Lössböden. Hier wachsen Rebsorten, die anderswo keinen Ruf haben – nicht einmal einen schlechten. Aus der pilzresistenten Neuzüchtung Hibernal etwa gelingt Strasser ein säurefrischer Weißwein mit aparter Süße und herbem Würzspiel, den er ausschließlich in Halbliterflaschen abfüllt. Der Mann hat Courage – und das ist gut.

>>> Die besten Adressen Sachsens: Restaurants, Hotels, Weingüter

Den vollständigen Text von Axel Biesler – u.a. mit einer Schilderung des Wiederaufbaus der Weinregion, Schloss Proschwitz, das Weinhaus Schuh und Klaus Zimmerling – lesen Sie im aktuellen Falstaff Deutschland 07/14. Das Heft ist jetzt am Kiosk erhältlich

Mehr zum Thema