Wein aus dem Saarland: Zustand feinherb

Gerade an Mosel, Saar und Ruwer will man auch beim Jahrgang 2011 auf »feinherb« nicht verzichten, wie eine Falstaff-Verkostung erneut gezeigt hat.

Der Jahrgang 2011 wurde an der Saar bereits recht früh über den grünen Klee gelobt. Vielleicht etwas zu früh, wie unsere umfassende Blindprobe auf Schloss Monaise zeigte (Ergebnis siehe Tasting ab Seite 168). Falstaff hatte die Produzenten um feinherbe Rieslinge aus dem Jahrgang 2011 gebeten – eine mutige Aufforderung, denn »feinherb« lässt Spielraum für viele Interpretationen und ist als Wort im Grunde genommen ein Unding.

Feinherber Kniff
Wie vieles erklärt sich auch dieser Begriff historisch: Einst sahen sich die Riesling-Winzer der Mosel mit einem Dilemma konfrontiert, erzeugen sie doch von jeher zumeist Weine, die die gesetzlich vorgeschriebenen Restzuckergehalte für »trocken« oder gar »halbtrocken« deutlich überschreiten. Gleichwohl können die Weine eine derart markante Säure und Mineralik aufweisen, dass sie weder ganz trocken noch wirklich süß schmecken. Zudem verlangte der inländische Markt ab dem Ende der Achtziger­jahre zunehmend nach trockenen Weinen. Dieser Nachfrage wollte man mit einer zusätzlichen Geschmacksangabe auf dem Etikett quasi ein Schnippchen schlagen, und »feinherb« wurde zum Begriff der Wahl. »Einen geschickten Marketinggag« nennt der Journalist und Sommelier Sebastian Bordthäuser die Bezeichnung, die zwar weingesetzlich nicht definiert, jedoch erlaubt ist. In seiner Begründung konnte der Gesetzgeber nämlich keine »gesicherte Verbraucher­erwartung« bei dem Begriff »feinherb« erkennen und schloss eine Irreführung des Konsumenten damit aus.

Max von Kunow erzeugt feine Saarweine und mit Starköchin Lea Linster die »Crossmosel«-Weine / Foto: Falstaff (Stephan Pick)

Scheu vor dem »Coming out«
Trotz aller Unkenrufe hat »feinherb« bis heute vor allem an Mosel, Saar und Ruwer rege Verbreitung gefunden – und wird ganz unterschiedlich interpretiert. Winzer Nik Weis vom Weingut St. Urbans-Hof in Leiwen unterstellt ihm gar eine gewisse Alibifunktion: »Natürlich kommt die Geschmacksangabe auch den Weintrinkern entgegen, die zwar gerne etwas Süßeres trinken, sich vor einem Coming-out aber noch scheuen.« Die kühleren, weil höher gelegenen Schieferlagen an der Saar zwischen Filzen und Serrig waren bislang Garanten für Rieslinge mit rassiger Säure und markanter Mineralik, denen ein höherer Restzucker immer gut zu Gesicht stand. Ob man jene Weine dann als »feinherb« bezeichnet oder am Ende einfach ihre unnachahmliche Brillanz und Balance lobt, bleibt dem Gaumen des Zechers überlassen.

>>> Das Falstaff-Tasting: Saar feinherb

Nicht alle kamen auf ihre Kosten
Der Jahrgang 2011 brachte den Saarwinzern hohe Mostgewichte bei gleichzeitig moderaten Säurewerten. Diejenigen, die bei unserer Verkostung nach Rasse in den Weinen suchten, kamen dabei nicht immer auf ihre Kosten. Zudem bringt das rund 735 Hektar kleine Gebiet mittlerweile eine große Vielfalt unterschiedlichster Weinstile hervor. Ausgedehnte Mai­schestandzeiten, radikale Spontanvergärung sowie der Einsatz von neuem Holz führen mitunter zu eigenwilligen und opulenten Rieslingen, denen es keineswegs an Güte mangelt, die aber aufzeigen, dass der klassisch-rassige Saar-Riesling mindestens Konkurrenz bekommen hat. Das machte der Jahrgang 2011 nur allzu deutlich, denn knapp ein Jahr nach der Füllung der Weine wird er nicht nur bejubelt. Von 58 eingereichten Weinen scheiterten 17 an der erforderlichen Marke von 85 Punkten. Dennoch: Wie interessant und vielfältig die Saar sich derzeit präsentiert, davon legte diese Verkostung ein spannendes und am Ende – wie wir glauben – auch faires Zeugnis ab.

Text von Axel Biesler
aus Falstaff Deutschland 03/13

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