Typisch Apulien: Zwischen den traditionellen Trulli-Häusern wachsen Olivenbäume und Reben.

Typisch Apulien: Zwischen den traditionellen Trulli-Häusern wachsen Olivenbäume und Reben.
© Shutterstock

Wein aus Apulien: Weit mehr als Primitivo

Lange Zeit war Apulien für Tafeltrauben und Fassweine bekannt. Damit wurden meist Weine aus dem Norden aufgepeppt. Das hat sich geändert.

Das hier sind unsere jüngsten Reben«, meint Nicola Chiaromonte vom Weingut Tenute Chiaromonte und lächelt dabei verschmitzt, »die sind erst zwischen siebzig und achtzig Jahre alt. Wir haben aber auch Weingärten, die über hundert Jahre auf dem Buckel haben.«
Doch es ist nicht nur das Alter der Reben, das einen staunen lässt, es ist vor allem die Art, wie sie angelegt sind. In Reih und Glied verteilen sich die alten, knorrigen Weinstöcke über das Feld, alle in der für Süditalien typischen Stockerziehung, dem Alberello. Und alle sind verbunden über einen Trieb, der einen Bogen beschreibt und unter dem nächsten Stock in der Erde verschwindet. »Unsere natürliche Rebenvermehrung«, erklärt Nicola, »wir nehmen einen Trieb, biegen ihn in die Erde und lassen die Spitze des Triebes herausschauen. Im nächsten Jahr schlägt der Trieb Wurzeln und bildet eine neue Rebe. Das ist die älteste Vermehrungsmethode für Reben.« Und die Reblaus? Die habe hier keine Chance, sagt Nicola, die Böden seien karg und sandig. Wurzelechter geht es nicht. Alle Stöcke wurden aus einer Handvoll Mutterreben gezogen und besitzen das gleiche genetische Material. 

Die Tenuta Ognissole erzeugt bei Taranto ausgezeichneten Negroamaro und Primitivo.
Foto beigestellt
Die Tenuta Ognissole erzeugt bei Taranto ausgezeichneten Negroamaro und Primitivo.

Apulien ist ein Gigant in Sachen Wein. Mit über 80.000 Hektar Rebfläche steht die Region in Italien mit Sizilien und Veneto mengenmäßig an der Spitze. Lange Zeit war Apulien für Tafeltrauben und Fassweine bekannt. Alkoholreich und dunkel wurden viele Weine aus dem Norden damit aufgepeppt. Das hat sich geändert. Junge, engagierte Winzer entdeckten den Wert der lokalen Sorten und der alten Weingärten. Etliche Weingärten waren bereits aufgelassen und verwildert, zu viel Arbeit, zu wenig Geld für die Trauben, ehe junge Winzer sie übernahmen und wieder pflegten. Gianfranco Fino etwa hat mit seinem »Es« gezeigt, was sich aus alten Primitivo-Reben rausholen lässt. Primitivo ist der bekannteste Wein Apuliens. Das verdankt er dem Glauben vieler, er sei identisch mit dem kalifornischen Zinfandel. Doch die beiden sind bloß verwandt, aber keineswegs identisch.

»Die Reblaus hat bei uns keine Chance, die Böden sind karg und sandig.« Nicola Chiaromonte Winzer.

© Vito Gallo

Der Geschmack Apuliens

Primitivo ist wuchtig und voll, hat dabei aber immer auch gute Frische und Eleganz. Die meistangebaute Sorte der Region ist allerdings Negroamaro. Er sorgt in den vielen Weinen des Salento, wie der südliche Teil Apuliens genannt wird, für das Gerüst. Eine andere spannende Sorte ist Nero di Troia, die vorwiegend im Norden Apuliens um Castel del Monte angebaut wird. Das berühmte achteckige Schloss Friedrich II. dient der Appellation als Wahrzeichen.
Neben diesen drei gibt es eine Vielzahl von lokal verbreiteten autochthonen Sorten. Susumaniello etwa war aufgrund ihres geringen Ertrags vom Aussterben bedroht und wurde von den Tenute Rubino zu neuem Leben erweckt. Er ergibt kraftvolle, dichte Weine mit erstaunlich frischer Säure und großer Langlebigkeit. Spannend sind auch Fiano Minutolo und Malvasia Bianca, zwei lokale Weißweinsorten. »Tenute Chiaromonte« steht – etwas großspurig – am Haus in den verwinkelten Gassen von Acquaviva delle Fonti. Hier befindet sich die Koststube. Als Keller dient Nicola Chiaromonte eine Lagerhalle außerhalb der Ortschaft. Demnächst will er ein neues Kellergebäude mitten in den Weingärten errichten, da kann er dann richtig loslegen, meint er. Seine Weine sind schon jetzt beeindruckend. »Contrada Barbatto« wurde im vergangenen Jahr vom »Gambero Rosso« zum besten Rotwein Italiens gekürt. 

Foto beigestellt

Viel Frucht, kräftiger Gerbstoff und eine für diese Breiten überraschend anregende Säure prägen die Weine von Goia del Colle.

Chiaromontes Weingut liegt in Gioia del Colle, einem kleinen Anbaugebiet im Hinterland von Bari. Die kargen Böden und die Höhenlagen von 300 bis 500 Metern See­höhe verleihen dem Primitivo hier Eleganz und Frische. Das große Zentrum des Primitivo aber liegt weiter südlich, um Manduria und im Salento. Die Eisenbahn brachte dem Süden einst den Anschluss an die große weite Welt. Ihre Waggons beförderten viel Wein Richtung Norden. Daher liegt die große Kellerei der Produttori Vini Manduria gleich gegenüber dem Bahnhof. Man wollte die Wege kurz halten. Produttori Vini Manduria ist eine Winzergenossenschaft mit 400 Mitgliedern, die rund 900 Hektar bearbeiten. In einem Ort mit 30.000 Einwohnern eine wichtige Größe. 

Fulvio Filo Schiavoni, Präsident der »Produttori Vini Manduria«.
Foto beigestellt

»Die Produttori sind eine Institution in Manduria«, erklärt Giovanni Dimitri, polyglotter Exportleiter der Kellerei. Noch immer verlassen fünfzig Prozent der Menge als Fasswein den Keller, gesteht er ein, der Anteil sinkt aber ständig. Bei den Flaschenweinen konzentriert man sich klar auf den Primitivo, den es in den Spielarten Rosé bis Süß gibt.
Aushängeschild der Produttori ist jedoch der »Sonetto«, ein Primitivo, dessen Trauben ausschließlich von alten Alberello-Stöcken stammen. Aber auch der einfacher gehaltene »Lirica« bietet viel Wein für wenig Geld.Luigi Rubino sprüht vor Ideen und Tatendrang. Er will zeigen, dass auch ein Unternehmen aus dem Süden erfolgreich sein kann. Vier Weingüter mit insgesamt 280 Hektar und eine Jahresproduktion von 1,2 Millionen Flaschen sind beachtliche Zahlen. Seit Luigi Rubino gemeinsam mit seiner Frau Romina in den 1990er-Jahren den Betrieb vom Vater übernommen hat, machten die Tenute Rubino Quantensprünge. Anfangs konzentrierte sich Luigi Rubino auf klare, duftige Weißweine. Sein Malvasia Bianco Giancola zählt zu den besten Weißweinen Süditaliens. Dann wurden Negroamaro, Primitivo und Susumaniello auf ein neues Qualitätsniveau gehoben. Sein neuestes Liebkind ist der Sumaré, ein Flaschengärsekt aus Susumaniello, der bis zu 36 Monate auf der Hefe reift. Am besten genießt man ihn im »Numero Uno«, direkt am Hafenbecken von Brindisi gelegen. Eine quirlige Weinbar, die auch zu den Tenute Rubino gehört. 

Das Zentrum des Primitivo liegt im Salento. Aushängeschild der Produttori Vini Manduria ist der »Sonetto«: ein Primitivo, dessen Trauben von alten Alberello-Stöcken stammen.
Foto beigestellt
Das Zentrum des Primitivo liegt im Salento. Aushängeschild der Produttori Vini Manduria ist der »Sonetto«: ein Primitivo, dessen Trauben von alten Alberello-Stöcken stammen.

Stationen einer Weinreise

Castel del Monte, die mächtige achteckige Burg von Friedrich II., bestimmt die Landschaft im Hinterland von Andria, nördlich von Bari. Hauptsorte dort ist Uva di Troia. Viel Frucht, kräftiger Gerbstoff und eine für diese Breiten überraschend anregende Säure prägen die Weine. Auf der Tenuta Cefalicchio bei Canosa di Puglia wird seit 1992 biologischer Weinbau betrieben. Mittlerweile ist das gesamte Weingut Demeter-zertifiziert. Auf Cefalicchio hat man sich auf zwei Sorten spezialisiert. Jalal (Moscato Bianco) und Romanico (Nero di Troia) sind beides charaktervolle, individuelle Weine mit beachtlichem Reifepotenzial.
2014 wurde Cefalicchio von Feudi di San Gregorio aus Kampanien übernommen. Zusammen mit der Tenuta Ognissole, die bei Taranto ausgezeichneten Negroamaro und ­Primitivo erzeugt, bildet Cefalicchio das ­»Magna Grecia«-Projekt von Feudi. Unser Tipp für Weinreisende: Die Osteria Cefalicchio bietet herzhafte apulische Küche und eine breite Auswahl an Weinen aus Castel del Monte. Sollte der Rückweg zu weit sein, kann man auch in einem der vier Zimmer gepflegt übernachten. 

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2017

Zum Magazin

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
Mehr zum Thema
Rezeptsammlung
Top 10 Rezepte aus Wien
Sie ist weltbekannt und hat eine lange Tradition: die Wiener Küche. Falstaff präsentiert die...
Von Julia Heger