Nach der Corona-Krise wollen die Menschen das ausgefallene Leben nachholen.

Nach der Corona-Krise wollen die Menschen das ausgefallene Leben nachholen.
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Vorbild Dänemark

Mit voller Wucht schlägt die Corona-Krise auf die Gastronomie durch. Zwar hat die Regierung umfangreiche Hilfen beschlossen, doch häufig sind damit Schulden verbunden. Wie es anders geht, zeigen die Dänen – ein Modell für Deutschland?

Existenzangst geht um in der Gastronomie. Spätestens seit dem vergangenen Wochenende, als bundesweit alle Gaststätten schließen mussten, ist die Lage ernst bis dramatisch. Zwar ist vielerorts Lieferung oder Abholung noch erlaubt, doch reicht das bei weitem nicht aus, die fehlenden Gäste zu ersetzen. Inhaber und Betreiber fürchten den Crash, egal ob es um eine Imbissbude oder um ein Sternerestaurant geht.

Die Regierung versucht dagegen zu steuern und hat ein Maßnahmenpaket geschnürt, das in Umfang und Höhe in der deutschen Geschichte einmalig ist. Kurzarbeit, Bürokratie-Erleichterungen, Stundungen und Darlehen gehören dazu. Doch gegen leere Läden helfen keine Kredite. Zudem dürften sich Betroffene fragen: Was bringt es, wenn ich die Krise durchstehe, danach aber hoch verschuldet bin?

Mitarbeiter müssen auf fünf Urlaubstage verzichten

Wie es anders gehen kann, zeigt das Beispiel Dänemark. Der Staat springt direkt ein, wenn kleine oder mittelständischen Betriebe von Insolvenz bedroht sind. Und zwar ganz praktisch: Wenn Firmenchefs aufgrund der Krise mindestens 30 Prozent der Belegschaft entlassen müssten, zahlt der Staat die Gehälter – vorausgesetzt, die Mitarbeiter bleiben im Unternehmen und werden nicht gekündigt. Auf bis zu 90 Prozent eines Gehalts, bis zu 3100 Euro im Monat, erstreckt sich die staatliche Hilfe. Außerdem beteiligt sich der dänische Staat an Gewerbemieten, springt bei Krankheitszahlungen ein und stundet Mehrwertsteuerzahlungen. Das Programm ist vorerst auf drei Monate angelegt und läuft rückwirkend seit dem 9. März. Mitarbeiter, die an diesem Programm teilnehmen, dürfen nicht arbeiten und müssen zuhause bleiben. Außerdem müssen sie auf fünf Urlaubstage verzichten.

Der Gedanke dahinter ist simpel: Die erhoffte wirtschaftliche Erholung wird viel länger dauern, wenn überlebende Firmen nach dem Ende der Krise erst wieder mühsam Mitarbeiter suchen und einstellen müssen. Viel wertvoller ist es, mit dem eingearbeiteten Team gleich wieder voll loslegen zu können. Die Kosten für das dänische Hilfsprogramm sind zwar immens hoch, doch wären sie wahrscheinlich noch höher, wenn etliche kleine und mittelständische Betriebe Insolvenz anmelden müssten. Eine Entlassungswelle, Steuerausfälle und steigende Sozialabgaben würden die Ausgaben des Hilfspakets noch übertreffen, so das Kalkül.

In vielen Branchen gibt es nicht weniger zu tun, sondern gar nichts mehr

Deutschland verfährt anders, hier setzt man auf Kurzarbeit. Zwar ist das Land mit diesem Konzept in schlechten Zeiten gut gefahren. Doch diese Krise ist anders. In vielen Branchen gibt es nicht weniger zu tun, sondern gar nichts mehr. Und sie schlägt sofort durch, selbst Branchengröße Tim Mälzer hat angekündigt, angesichts der Umstände maximal drei Monate durchhalten zu können. Viele unbekanntere Gastronomen schaffen wohl noch nicht mal drei Wochen.

Sicher, die Unterschiede zwischen Dänemark und Deutschland sind beträchtlich, ein direkter Vergleich wäre nicht fair. Trotzdem sollte der dänische Ansatz Schule machen. Sobald das öffentliche Leben nicht mehr lahmgelegt ist, wollen die Menschen wieder ausgehen. Sie werden danach gieren, das ausgefallene Leben nachzuholen. Essen, trinken, feiern, in Gesellschaft sein. Was wir dann brauchen, ist eine funktionierende Gastronomie. Wenn unser kulinarisches Leben bis dahin nicht »in Schutt und Asche« liegen soll, wie Tim Raue in der »Welt« befürchtete, muss sich die Regierung mehr einfallen lassen als bisher.  

Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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