Wolfgang Hagn, Stefanie Renner und Stefan Tscheppe im Gespräch.

Wolfgang Hagn, Stefanie Renner und Stefan Tscheppe im Gespräch.
© Ian Ehm

Vom Wein zur Marke: KARRIERE im Interview mit drei Winzern

Viele nationale wie internationale Weine sind am heimischen Markt vertreten. Abheben von Mitbewerbern heißt hier das Motto - am besten mit einer Marke.

Die Vielfalt heimischer Weine ist groß, das internationale Angebot allgegenwärtig. Wer sich am Markt behaupten will, muss seine Stärken und Schwächen kennen und dem Kunden einen Zusatznutzen bieten. Das wissen auch die Winzer Stefanie Renner, Wolfgang Hagn jun. und Stefan Tscheppe – sie teilen offen ihre Erfahrungen und ihr Wissen, das zur Profilierung und Durchsetzung im Wettbewerb notwendig ist.

KARRIERE Wie schaffe ich es, mich als Winzer vom ­Mitbewerb abzugrenzen?
TSCHEPPE
Eine gute Weinmarke geht über die reine Weinproduktion hinaus. Abgesehen von der Weingartengröße und dem Geschmack braucht es also zusätzliche Akzente, um sich vom Nachbarbetrieb zu unterscheiden. Das funktioniert zum Beispiel über eine Person, die die Marke durch ihre persönliche ­Geschichte positiv auflädt und ihr damit Charakter verleiht.

»Eine gute Weinmarke geht über die reine Weinproduktion hinaus. Es braucht zusätzliche Akzente, um sich vom Nachbarbetrieb zu unterscheiden.«
Stefan Tscheppe, Weingut Esterházy

Gutes Stichwort: Welche Rolle spielt denn der Winzer als Teil der Marke?
HAGN
Die Qualität muss stimmen. Dann erst kommt die Person ins Spiel. Sie spiegelt das Produkt wider und vermittelt dem Kunden, was dahintersteckt. Das ist auch wichtig, denn was bringt es, den besten Wein zu haben, wenn ihn keiner kennt? Wenn die Positionierung aber nur über die Person läuft und im Hintergrund die Qualität leidet, haben das Weingut und die nachkommenden Generationen nichts davon.
RENNER
Da bin ich ganz bei dir: Das Produkt steht im Mittelpunkt. Aber natürlich prägt auch die Familiengeschichte die Marke, weil sich der Wein mit jeder neuen Generation weiterentwickelt. So wie bei uns: Meine Schwester und ich haben natürlich andere Vorstellungen als unsere Eltern – was nicht schlecht ist, aber natürlich Veränderung mit sich bringt.
TSCHEPPE
Grundsätzlich ist die Weinindus­trie sowohl in Europa als auch in Übersee ein persönlichkeitsgetriebenes Geschäft, aber es gibt Unterschiede. Österreich ist ein sehr kleiner Markt, da spielt die Familiengeschichte eine große Rolle, weil der Konsument mit dem Winzer in Berührung kommt. Je weiter man sich entfernt, desto mehr treten Faktoren wie das Weinbaugebiet und Anbautechniken in den Vordergrund.

»Das Produkt steht im Mittelpunkt. Aber natürlich prägt die Familiengeschichte die Marke, weil sich der Wein mit jeder Generation verändert.«
Stefanie Renner, rennersistas

Herr Tscheppe, Sie führen ein Weingut, das nicht Ihren Namen trägt. Wie stark forcieren Sie die Verbindung mit Ihrer Person?
TSCHEPPE
Aufgrund meiner 30-jährigen Weingeschichte stehe ich für Vertriebspartner und Lieferanten als Garant für eine gewisse Qualität und gewisse Produktionsgrundsätze, die eingehalten werden. Für den Endkonsumenten spielt mehr die Marke eine Rolle, die nicht nur durch den Weinbau aufgeladen wird, sondern auch durch die Geschichte und das Esterházy’sche Kulturangebot.

Wie präsent muss man als Winzer sein? Wie sehr sucht der Konsument das persönliche Gespräch?
HAGN
Ich bin in der Hinsicht ein Freak. Mir macht der persönliche Kundenkontakt sehr viel Spaß, dementsprechend häufig bin ich unterwegs und bei ca. 50 Prozent der Verkostungen dabei.
RENNER Die persönliche Präsenz bringt auch eine gewisse Authentizität mit sich, weil ich unsere Weine und Philosophie nun mal am besten kenne und vermitteln kann.
TSCHEPPE Ich halte es für einen Fehler, wenn Weingüter den Ab-Hof-Verkauf schließen, denn der persönliche Kontakt zum Weingut ist noch immer das wichtigste Markenbildungsinstrument.

Herr Hagn, Sie haben es schon angesprochen: Wer seine Stärken kennt, muss diese auch klar kommunizieren können. Gelingt das über Neue Medien heute besser, einfacher?
HAGN
Es braucht einen guten Mix aus klassisch und neu. Die sozialen Medien ermöglichen aber zum Beispiel keinen neuen Vertriebsweg, dazu sind die User zu kurz angebunden.
RENNER Soziale Medien können aber sehr wohl ein Multiplikationsfaktor sein, vor allem wenn jemand mit einem weinaffinen Netzwerk eine Flasche Wein postet. Das ist zumindest meine Erfahrung. Die Bekanntheit wächst schneller.
TSCHEPPE Man kann viel Zeit und Geld liegen lassen, wenn man in die falschen oder in zu viele Kanäle investiert. Ich finde, es wirkt auch sehr bemüht, wenn man permanent präsent ist. Je größer die Erfahrung, desto mehr Gefühl bekommt man für die richtigen Kommunikationskanäle.

Herr Tscheppe, Sie waren lange Zeit in Kalifornien: Welche Unterschiede gibt es in puncto Markenaufbau im Vergleich zu Österreich?
TSCHEPPE
Der US-Markt ist größer, die Leute treten mit den Weingütern weniger in Interaktion und sind mehr an den Produkten und der Lage interessiert. Diese romantische Vorstellung der Österreicher, dass man die heimi­sche Landwirtschaft unterstützt und Gutes tut, wenn man bei einem kleinen Weingut zwölf Flaschen Wein kauft, gibt es in Amerika nicht. Dort geht es mehr um Image und schöne Dinge, die man sich leistet. Man kann eine Marke in den USA auch leichter an die unterschiedlichen Märkte anpassen, weil mehr Daten über vergleichbare Markenwelten ­verfügbar sind, das fehlt in Österreich.

Zurück zum Thema Generationswechsel: Bleibt Alt(-bewährt-)es bestehen oder positioniert man die Marke neu?
HAGN
Wir haben vor sieben Jahren alles auf den Kopf gestellt: Stilistik, Design, Marketing. Ich war aber schon immer der risikofreudige Typ. Natürlich kann das auch schiefgehen, aber man muss nicht immer jedem Trend ­folgen. Sich neu zu erfinden, ist eine Herausforderung, man schafft aber auch ein neues Erlebnis für den Kunden.
RENNER Wir wollten unseren Eltern einerseits Respekt zollen und Wertschätzung entgegenbringen für das, was sie uns vorgelebt und ermöglicht haben, andererseits aber auch unsere eigene Handschrift einbringen. Das ist uns gelungen, indem wir zwei Linien parallel fahren: die Elternlinie und die Schwestern­linie, über die wir unser Interesse für Naturweine ausleben können.

»Wir haben alles auf den Kopf gestellt. Sich neu zu erfinden, ist eine Herausforderung, schafft aber auch ein neues Erlebnis für den Kunden.«
Wolfgang Hagn Jun., Weingut Hagn

Markenaufbau ist ein langjähriger Prozess. Wie leicht oder schwer haben es Quereinsteiger, im Markt Fuß zu fassen?
TSCHEPPE
Eine neue Marke zu etablieren, ist ambitioniert, aber möglich, das zeigen Beispiele auf der ganzen Welt. Viele Quereinsteiger unterschätzen jedoch den Aufwand. Die Frage ist: Wie wird man gehört, was gibt es für ein Netzwerk, in welche Nische passt das Produkt, wo kann ich mich abgrenzen? Für einen kompletten Neustart braucht es Entschlossenheit, Überzeugung, Leidenschaft und Glück.
RENNER Wer bei null startet, braucht eine Geschichte und kann zudem keine langjährige Qualität vorweisen. Wir haben mit den rennersistas auch eine neue Marke aufgebaut, hatten durch das Weingut der Eltern aber eine andere Ausgangssituation.
HAGN Eine Marke muss langsam, sprich: gesund wachsen. Es braucht Zeit, bis der Konsument Vertrauen zum Produkt aufbaut.

Wenn man schwierige Jahrgänge hat, muss man durchbeißen können.Wie wichtig sind Auszeichnungen für die Marke?
HAGN
Sie sind in erster Linie eine Bestätigung für dich selbst. Ich habe das bei uns gesehen: Leo, unser Kellermeister, ist ein kompletter Quereinsteiger. Für ihn, der 365 Tage im Jahr im Weinkeller steht, waren Auszeichnungen vor allem zu Beginn wichtig, um sich im Betrieb zu positionieren. Der Konsument muss dann ohnehin selbst entscheiden, ob es ihm schmeckt.

Das heißt, Kunden greifen nicht bevorzugt zu Flaschen mit entsprechendem Aufkleber?
HAGN
Nein. Sie probieren den prämierten Wein natürlich genauso, aber wenn er ihrem Geschmack nicht entspricht, bringt die Auszeichnung wenig.Renner Auszeichnungen sind schmeichelhaft, danach zu streben, menschlich: Wer würde sich nicht darüber freuen? Viel ­wertvoller und persönlicher ist für mich aber positives Kundenfeedback.
TSCHEPPE Die Zeiten, in denen sich eine Auszeichnung verkaufsmäßig sofort niederschlägt, sind vorbei. Aber natürlich erwartet sich der Konsument vor allem bei etablierten Weingütern, dass die Weine kontinuierlich gut bewertet sind. Diese Art der Verlässlichkeit macht auch eine gute Marke aus. Für mich ist es nach wie vor wichtiger, vom Mitbewerb empfohlen zu werden. Das zeigt, dass man auch in der Weinszene als Marke angesehen wird.

Die Interviewpartner im Portrait

Stefanie Renner
Gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Susanne stieg Stefanie Renner 2014 in den elterlichen Betrieb ein. Seither produzieren die Töchter des Pannobile-Winzers Helmuth Renner aus Gols unter der Marke rennersistas ihre eigenen ­biologischen – ab der Ernte 2018: biodynamischen – Naturweine.
www.rennerundsistas.at

Wolfgang Hagn jun.
Er führt seit 2006 gemeinsam mit Cousin und Kellermeister Leo Hagn jun. das über 300 Jahre alte Fami­lien­weingut Hagn in Mailberg in Nieder­österreich. Hagn, der für Vertrieb und Marketing zuständig ist, legt seit der Übernahme besonderen Wert auf eine nachhaltige und zukunfts­orientierte Bewirtschaftung.
www.hagn-weingut.at

Stefan Tscheppe
Er ist seit 2012 General Manager des Weinguts Esterházy im burgenländischen Trausdorf. Unter seiner Führung entwickelte sich der geschichtsträchtige Betrieb, der zuvor vor allem für seine ­Kunstsammlung und sein Schloss bekannt war, zu einem modernen Weingut.
www.esterhazywein.at

Je größer die Erfahrung in der Weinbranche, desto besser die Positionierung. Wichtig ist neben der Qualität vor allem der Zusatznutzen für den Konsumenten.

Markenjargon

Oliver Heiss, Managing Partner der ­Branding-Agentur »Brainds« und Spezialist für ­innovative Marken­führung und markt­orientierte Unternehmens­entwicklung, erklärt die wichtigsten Begriffe im Bereich Markenaufbau:

  • Marke
    Aus strategischer Sicht ist eine Marke das Instrument, um aus der eigenen Identität – also den dahinter ­liegenden Werten, Kompetenzen, Besonderheiten – eine marktorientierte und auf die Zielgruppen ­abgestimmte Positionierung abzuleiten – quasi den Leitstern und Leitfaden für alle zukünftigen Maß­nahmen und Aktivitäten, von der Marktbearbeitung und Kommunikation bis zur Produktentwicklung und Mitarbeiterführung.
  • Marketing
    Marketing umfasst die operative Umsetzung der Markenstrategie in der Marktbearbeitung. Ausgerichtet auf die in der Positionierung festgelegten Inhalte und Ziele einerseits und die Anforderungen der ­Zielgruppen andererseits, wird ein Maßnahmen-Mix über die definierten Kanäle entwickelt, implementiert und anschließend evaluiert.
  • Branding
    Branding bezeichnet die Übersetzung einer Strategie in eine visuelle, wahrnehmbare Form. Das beginnt bei Namen und Logo und setzt sich fort über das Design von Etiketten, Shop oder Website bis zum Story­telling. Branding führt alle Elemente zu einer zusammenhängenden und wiedererkennbaren Markenwelt.

Artikel aus Falstaff Karriere 04/17.

Sonja Planeta
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