Best Beef: Rinder grasen auf schier endlosen Weiden und schaffen dabei die Grundlage für exzellente Fleischqualität.

Best Beef: Rinder grasen auf schier endlosen Weiden und schaffen dabei die Grundlage für exzellente Fleischqualität.
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USA kulinarisch: Jenseits von Fast Food

Burger, Pommes und Cola – dafür steht die US-amerikanische Küche im Ausland. Wer solche Klischees aber überwindet, taucht ein in facetten- und variantenreiche kulinarische Welten.

Es ist leicht, über die amerikanische Esskultur zu spotten, wird doch deren bloße Existenz von manchen schon in Abrede gestellt. Essen aus den USA weckt Assoziationen an Fast Food, künstliche Aromen und Zusatzstoffe. Selbst Freunde des transatlantischen Verhältnisses müssen zugeben: Es gibt im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Produkte, die man leicht für einen schlechten Scherz halten könnte: Käse aus der Sprühdose zum Beispiel. Kirsch-Vanille-Cola. Oder Kekse mit Bratensoße (Biscuits & Gravy), die zum Frühstück serviert werden. Doch wer sich ernsthaft mit dem Essen in den USA beschäftigt, findet viele Perlen jenseits manch abschreckender Beispiele.

Denn natürlich hat ein Land, das so groß und vielfältig ist und von so vielen Kulturen bereichert wird, eine Menge zu bieten. Fangen wir ganz oben an. Die Avantgarde, also Sterneküche made in USA, findet sich – anders als in Europa – fast ausschließlich in den großen Städten, verteilt überwiegend an Ost- und Westküste. Von den rund 200 Sternerestaurants der USA liegen 68 in New York, 90 in Kalifornien und jeweils knapp zwei Dutzend in Washington D.C. und Chicago. Fairerweise muss man allerdings sagen: Dies ist keine Qualitätsaussage über die Küche im Landesinneren, sondern hängt vielmehr mit der Entscheidung des Guide Michelin zusammen, nur Städte und Regionen abzudecken, in denen eine Zielgruppe für anspruchsvolle Küche vermutet wird.

Bis 1836 war Texas Teil von Mexico, danach eigenständige Republik und seit 1845 ist es ein Bundesstaat der USA. Der mexikanische Einfluss, vor allem auch auf die Küche, ist bis heute massgeblich.
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Bis 1836 war Texas Teil von Mexico, danach eigenständige Republik und seit 1845 ist es ein Bundesstaat der USA. Der mexikanische Einfluss, vor allem auch auf die Küche, ist bis heute massgeblich.

Es kann also nicht mit letzter Gewissheit ausgeschlossen werden, dass nicht doch irgendwo im Mittleren Westen eine einsame Köchin auf höchstem Niveau kocht und ihr nur die Sterne fehlen. Klar ist aber: Wie für nahezu sämtliche relevanten Themen liefert New York auch für die Spitzenküche wegweisende Impulse. Zuletzt zeigte das etwa die Entscheidung des Schweizer Spitzenkochs Daniel Humm, der sein Restaurant »Eleven Madison Park« fast vollständig auf vegane Küche umstellte.

Abseits der Metropolen dominiert meist einfache Küche, die häufig von Convenience-Produkten unterstützt wird und zum schlechten Ruf amerikanischen Essens beigetragen hat. Kulinarisch interessant wird es immer dann, wenn man die Einflüsse von Einwanderern und Ureinwohnern genauer betrachtet. Gemäß der Weisheit, dass sich die Geschichte eines Landes immer auch in der Küche widerspiegelt, haben die USA besonders viel zu bieten. So zeugen etwa in Texas Ortsnamen wie New Braunfels oder Weimar von deutschen Pionieren, die im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hierher übersiedelten und dabei auch kulinarische Spuren hinterließen – auf Sauerkraut, Hackbraten oder »Beef Rouladen« stößt man in texanischen Speisekarten immer wieder.

Gemessen am Einfluss des südlichen Nachbarn sind die deutschen Zeugnisse allerdings eher marginal. Bekanntlich wird Texas nicht nur seit jeher von mexikanischer Kultur beeinflusst, sondern war bis zur Unabhängigkeit im Jahr 1836 sogar Teil Mexikos. Die heute weltweit populäre Tex-Mex-Küche zeugt davon – ihr einprägsamer Name geht übrigens auf eine Zuglinie zurück. Die Vorliebe für (scharfe) Gewürze, Fladen aus Weizen- und Maismehl, Bohnen und viele weitere Bestandtteile der traditionellen mexikanischen Küche findet man bis heute genauso auf texanischer Seite. Hybridspeisen wie die Texas BBQ Brisket Nachos zeigen die Koexistenz zweier kulinarischer Welten.

In keiner US-Stadt leuchten mehr Sterne über den Top-Restaurants als in New York. Die Stadt liefert auch für die Foodszene weltweit Impulse.
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In keiner US-Stadt leuchten mehr Sterne über den Top-Restaurants als in New York. Die Stadt liefert auch für die Foodszene weltweit Impulse.

Zugleich ist damit ein weiterer essenzieller Bestandteil der US-Küche angerissen: Barbecue, oder abgekürzt BBQ, spielt fast überall in den USA eine große Rolle, besonders aber in den Südstaaten. Jede Region ist stolz auf eigene Rezepte und Traditionen, was sich schon an den Namen ablesen lässt: etwa die Ribs im »Kansas City Style«, »Nashville Barbecue Sauce« oder »Memphis-style Pulled Pork«. Wie groß der Anteil der afroamerikanischen Bevölkerung an diesem Kulturgut (und an weiteren Elementen der US-Küche) ist, wird erst seit ein paar Jahren angemessen gewürdigt – zuletzt beleuchtete etwa die Netflix-Serie »High on the Hog« die Rolle des schwarzen Amerikas an der Landesküche.

Während im Barbecue das lange Garen großer Fleischstücke bei niedrigen Temperaturen entscheidend ist, kommt es beim Grillen von Ribeyes, Flank Steaks und Co auf große Hitze für eine relativ kurze Zeit an. Die Steakhouse-Kultur der USA ist sprichwörtlich, Restaurants wie das »Keens« in New York ziehen Fleischliebhaber aus aller Welt an. Als das vielleicht berühmteste Steakhouse der Stadt, »Peter Luger« in Brooklyn, 2019 vom Kritiker der »New York Times« massiv abgewertet wurde, war die Kulinarikszene der Stadt in Aufruhr – gleich so, als hätte der Guide Michelin einen Drei-Sterner fallen gelassen.

Lange bevor Craft Beer auch in Europa ein Trend wurde, machten Kleinstbrauereien aus den USA damit auf sich aufmerksam.
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Lange bevor Craft Beer auch in Europa ein Trend wurde, machten Kleinstbrauereien aus den USA damit auf sich aufmerksam.

Gute Steaks zählen zum Kulturgut – die dafür verantwortlichen Züchter sitzen in den Staaten des Mittleren Westens. Weltbekannt ist etwa Dan Morgan aus Nebraska, auf dessen Ranches in Burwell nicht nur Herford-Rinder, sondern auch Wagyu-Kühe stehen. Ihr Fleisch schmeckt nicht zuletzt deshalb so gut, weil die Tiere zusätzlich zum Freilandfutter eine spezielle Mast aus Getreide, Mais, Luzerne und Maische erhalten, die hoch energiereich ist und zur gewünschten Maserung des Fleischs führt.

Amerika wäre aber nicht Amerika, wenn neben ein solches Steak nicht zuweilen noch ein Hummer oder große Garnelen gepackt würden – unter der Bezeichnung »Surf’n turf« hat das Gericht als Signet des schlechten Geschmacks weltweit Karriere gemacht. Dabei bräuchte es diese Extravaganz gar nicht, schließlich schmecken Hummer von der Ostküste auch solo ziemlich gut. Populär sind sie vor allem in den Ostküstenstaaten: Von Maine bis Florida genießt man ihn am liebsten in der Lobster Roll – zur Wahl stehen der Connecticut-Style (warm, mit zerlassener Butter) und der Maine-Style (gekühlt, mit Mayonnaise). Über Hummer-Gerichte wie »Lobster Mac and Cheese« breiten wir lieber den Mantel des Schweigens …

In Liedern oft besungen, Schauplatz vieler Filme: der Mississippi und New Orleans prägen das Südstaaten-Bild.
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In Liedern oft besungen, Schauplatz vieler Filme: der Mississippi und New Orleans prägen das Südstaaten-Bild.

Vom Saloon zur Bar

Die Geschichte einer amerikanischen Ikone

Frühes Marketing
Cowboys, die lässig durch schwingende Türen in den Saloon kommen und am Tresen einen Whiskey bestellen, sind dank Comics und Filmen ikonisch geworden – Saloons prägten das Bild des Wilden Westens. Weniger bekannt ist, das Saloon-Betreiber mit dem Versprechen des »Free Lunch« einen frühen Marketingtrick entwickelten: Wer einen Drink bestellte, bekam ein (deutlich teureres) Mittagessen gratis dazu – mit dem Kalkül, dass es nicht bei einem Drink bleiben würde.

Prohibition
Ein jähes Ende fanden die Saloons durch den Beginn der Prohibition im Jahr 1920. Sie waren der Temperance-Bewegung ein besonderer Dorn im Auge. Die Blütezeit von »Moonshine«, schwarzgebranntem Alkohol, begann, Speakeasy-Bars entstanden – und das organisierte Verbrechen erlebte einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung dank regen Schmuggels. Erst im Jahr 1933 wurde das »ehrenhafte Experiment« beendet. Präsident Roosevelt bat persönlich darum, eine Rückkehr der Saloons nicht zuzulassen.

Küstlertreff Bar
Tatsächlich kam der Saloon nicht zurück, seine Nachfolge trat mit der Bar ein gediegenerer Ort an, der Küstler und Schriftsteller wie Edward Hopper und Jack Kerouac inspirierte.


Bier-Land USA

Amerikanische Micro Breweries schufen einen weltweiten Biertrend.

Die Heimat der Craft-Beer-Macher
Lange bevor Craft Beer auch in Europa ein Trend wurde, machten Kleinstbrauereien in den USA bereits auf sich aufmerksam – die ersten US-Mikrobrauereien entstanden schon in den 1960er-Jahren. Wer schon mal eines der dünnen US-Standard-Biere wie Miller Lite oder Bud Light getrunken hat, versteht, weshalb die Nachfrage nach Bier mit Charakter vorhanden war (und nach wie vor ist). Seither haben etliche Betriebe mit fruchtigen und sonstwie kreativen Bieren auf sich aufmerksam gemacht, in vielen größeren Städten existiert eine vitale Brauer-Szene. Stile wie Indian Pale Ale oder fassgereiftes Bier haben erst dank den USA den Sprung über den Atlantik geschafft, Aromahopfen wird selbst in so traditionellen Bierländern wie Deutschland immer häufiger auch von großen Brauereien eingesetzt. Insgesamt gibt es in den USA heute etwa 4000 Craft-Beer-Brauereien.

Unbedingt erwähnt werden muss hingegen die bunte, gewürzlastige Cajun- und Kreolen-Küche von New Orleans und Louisiana, in der Seafood eine wichtige Rolle zukommt. Erstaunlicherweise hat sich diese Küchenspielart nicht zum Exportschlager entwickelt, obwohl sie ihrerseits aus verschiedensten Einflüssen entstand, darunter spanischen, französischen und westafrikanischen. Hierzulande kennt man noch am ehesten die gratinierten »Austern Rockefeller« sowie den kräftigen Eintopf Gumbo, der mit Fisch, Geflügel und geräucherten Würsten gespickt ist. Sicher ist aber jedenfalls: Wer die US-Küche auf Burger reduziert, entlarvt sich als Ignorant.


Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2021

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Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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