Julia Komp glaubt, dass in der Krise das Bewusstsein für Qualität gewachsen ist. 

Julia Komp glaubt, dass in der Krise das Bewusstsein für Qualität gewachsen ist. 
© Melanie Bauer

»Unser Aufwand wird mehr wertgeschätzt«

Bevor Julia Komp auf Weltreise ging, war sie Deutschlands jüngste Sterneköchin. Kurz vor Ausbruch der Pandemie eröffnete sie ihr eigenes Restaurant in Köln. Im Interview lobt sie ihre Gäste – und sagt, worauf sie sich am meisten freut.

Falstaff: Sie sind seit einem halben Jahr in Zwangspause – können Sie kurz Ihren momentanen Tagesablauf beschreiben?
Meine Motivation morgens aufzustehen ist aktuell nicht so groß wie sonst. Ich vermisse meine Gäste in meinem Restaurant »Lokschuppen«, versuche aber, die Zeit dafür zu nutzen, neue Ideen umzusetzen. So arbeite ich an einem Kochbuch, kreiere ständig neue Gerichte und kümmere mich um die neue Bio-Olivenölernte meiner eigenen Marke Kenzolie. Ich hatte nie Pause, sondern habe immer weitergemacht. Ein Unterschied zu früher ist aber: Abends koche ich mittlerweile selbst, weil es kein Personalessen mehr gibt. 

Haben Sie durchgerechnet, wieviel Geld Ihnen durch den Lockdown verloren gegangen ist? Um welche Summe handelt es sich ca.?
Es handelt sich mit Sicherheit um einen hohen sechsstelligen Betrag. Gerade die Stornierung vieler Weihnachtsfeiern und Hochzeiten schmerzt uns. Außerdem hatten wir zusätzliche Ausgaben, um das To-Go-Geschäft zu ermöglichen.

Mussten Sie Mitarbeiter entlassen? Haben Mitarbeiter selbst gekündigt?
Wir mussten keinem Mitarbeiter kündigen, auch wenn wir ein sehr großes Team sind. Darüber bin ich sehr froh, da mir mein Team am Herzen liegt. Allerdings sind alle in Kurzarbeit.

Wie sehen Sie Ihre Perspektive?
Aktuell sehe ich keine große Perspektive. Es wäre wirklich cool, mal wieder ein Ziel vor Augen zu haben. 

Was fehlt Ihnen am meisten?
Mir fehlt es, einfach ganz normal zur Arbeit zu gehen, um sechs Uhr die Gäste empfangen, ein Full House zu haben und danach kaputt nach Hause zu gehen. Kurz gesagt: Mir fehlt das Leben.

Was macht Ihnen Hoffnung?
Mir macht Hoffnung, dass das Wetter hoffentlich bald besser wird und die Sonne mehr scheint. So kommen auch wieder mehr Gäste im Anker vorbei, wo wir Snacks to Go verkaufen. Denn bei gutem Wetter haben wir deutlich mehr Laufkundschaft.

Hören Sie hin und wieder von Gästen?
Unsere Gäste sind richtig cool und unterstützen uns voll und ganz. Manche bestellen jedes Menü to Go, das wir im Lokschuppen anbieten, und kommen regelmäßig im Anker vorbei. Es hat sich eine richtige Community gebildet: Manche Gäste antworten auf meine Newsletter oder kommentieren meine Beiträge bei Facebook und Instagram. Ich habe wirklich Glück: Unsere Gäste sind einfach super! 

Gibt es irgendetwas Positives, das Sie der Krisenzeit abgewinnen können?
Ich finde es super, dass das Auge für Qualität in der Krise geschärft worden ist. Es ist spürbar, dass mehr Wert darauf gelegt wird, woher die Produkte kommen. Viele Leute waren nun auch einmal beim Bauern um die Ecke. Auch unser Aufwand in der Spitzengastronomie wird noch mehr wertgeschätzt. Für meine Menüs to Go haben wir die Gänge weitestgehend präpariert, das Anrichten findet dann aber in der heimischen Küche statt. Dadurch haben viele Gäste ein Gefühl dafür bekommen, wie viel Aufwand hinter dem Anrichten eines Tellers steckt. Was außerdem positiv in der Krise ist: Ich hatte mehr Zeit, um an meinem Kochbuch und meinem Olivenöl zu arbeiten.

Was stört Sie?
Es wäre schön, wenn die Politik in ihren Öffnungsszenarien und Erklärungen die Gastronomie häufiger erwähnen würde. Schließlich gibt es mehr als zwei Millionen Beschäftigte in der deutschen Gastronomie und Hotellerie, das ist schon einiges.

Welche Rolle spielt das To-Go-Geschäft für Sie?
Zu Beginn der Krise hätte ich niemals gedacht, dass ich einmal das 13. Menü-to-Go anbieten werde. Aufwand und Gewinn stehen allerdings in keinem guten Verhältnis. Es ist ein schmaler Grat, noch etwas Gewinn zu erwirtschaften, wenn man das Personal aus der Kurzarbeit heraus kurzfristig aufstockt. Auch die Mengen an Plastik und Verpackung ärgern mich. Mir ist das To-Go-Geschäft allerdings wichtig, um mit meinen Gästen in Kontakt zu bleiben. Bei gutem Wetter öffnet deswegen auch der Anker, wo es Tacos oder die klassische Currywurst gibt. 

Würden Sie sagen, Sie haben das Beste aus der Krise gemacht?
Auf jeden Fall haben wir etwas aus der Krise gemacht: Da wir ja erst letztes Jahr eröffnet haben, konnten wir noch die letzten Baustellen schließen. Das hat sich gelohnt, unsere Architektin wurde sogar für die Innenarchitektur im Lokschuppen ausgezeichnet. Außerdem konnten wir neue Konzepte entwickeln: die Menüs-to-Go, der Verkauf von Snacks im Anker oder Onlinekurse wie ein Tea Tasting.

Für wann rechnen Sie mit der Wiedereröffnung?
Ich habe schon nach dem November-Lockdown mit der Wiedereröffnung gerechnet. Dann nach Karneval, dann nach Ostern. Jetzt weiß ich es auch nicht mehr. 

Gibt es etwas aus Ihrem aktuellen Corona-Angebot, das Sie nach dem Lockdown behalten werden? 
Ich denke nicht, dass wir die Menüs-to-Go weiter anbieten werden. Sie binden viele Ressourcen und belegen das Kühlhaus vollständig. Außerdem müssen wir das ganze Restaurant umbauen, um die Menüs zu verpacken. Stattdessen freue ich mich darauf, wieder ein volles Haus zu haben und meine Gäste persönlich zu begrüßen.

Dieses Interview ist Teil des Artikels »Sechs Monate Lockdown – Top-Gastronomen ziehen Bilanz«. Einen Überblick und den Verweis auf weitere Koch-Interviews finden Sie hier.

Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
Autor
Mehr entdecken
Restaurant
Lokschuppen
Viel Flair und gute Küche in liebevoll restaurierter Industriearchitektur. Serviert wird in der...
Hafenstraße 7, 51063 Köln
Mehr zum Thema