© Gina Mueller

Um Schimmels Willen!

Es gibt Schimmel zum Ekeln, und es gibt Schimmelarten, die Feinschmecker verzücken. Doch wo liegt der Unterschied?

Camembert und Roquefort, Edel-Salami und Schinkenspezialitäten – sie alle erhalten erst durch die besonderen Edelschimmelkulturen ihr typisches Aroma. Andere Schimmelpilze sind Gift für unseren Körper und machen Lebensmittel für uns ungenießbar. Die Art des Pilzes entscheidet über Sein oder Nichtsein.

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Nicht nur, dass Edelschimmel keine Giftstoffe bildet, er ist sogar sehr nützlich, konserviert er doch Lebensmittel und schützt sie vor der Besiedelung mit gefährlichem Schimmel. Penicillium
nalgiovense ist jener Schimmel, der vor allem Salami veredelt. Er wächst dicht und gleichmäßig auf der Außenhaut. Hier verhindert er einen Befall mit anderen, unerwünschten Schimmelpilzen. 
Penicillium nalgiovense gleicht nach außen also einer zusätzlichen Schutzhaut, nach innen wirkt er aromaverstärkend. Ihm ist der kräftige, fleischige und vollmundige Geschmack der Salami zu verdanken. Zur vollen Geltung kommt sein Potenzial mitunter auch bei luftgetrocknetem Rohschinken. Das Highlight unter ihnen ist der in der italienischen Po-Ebene produzierte Culatello di Zibello. Dieser Schinken von Nera-Parmigiana-Schweinen reift in warmen, feuchten Kellern in einer mit dem Edelpilz beimpften Schweineblase. Das Aroma in den Kellern ist angeblich unvergesslich, der Geschmack sowieso. Und dass die Schweine fast nur Kastanien und Eicheln fressen, mag auch das Seine dazu beitragen. 
Bei Käse sind andere Penicillium-Stämme aktiv. So ist Penicillium roqueforti für die Blauschimmelkäse und deren kräftiges Aroma zuständig. Roquefort gilt als der König der Edelschimmelkäse, aber auch seine Verwandten können sich sehen lassen: Bleu d’Auvergne aus den französischen Pyrenäen, englischer Stilton oder spanischer Cabrales zählen ebenso zu den bekanntesten und besten Käsen der Welt. Sie werden als jungen Käse mit dem Pilz geimpft und reifen gemeinsam zu einem harmonischen Ganzen. Für den weißen Schimmel sorgen Penicillium candidum und Penicillium camemberti – und damit für die weiche, weiße Außenrinde und das zarte Aroma von Camembert und Brie. 
Bleibt noch ein edler Pilz zu erwähnen, der die Welt der Kulinarik erfreut: Botrytis cinerea. Das ist jener Edelpilz, der den Weintrauben den Saft entlockt, die Aromatik verändert und so für komplexe Süßweine sorgt. Seine Enzyme bohren zuerst winzig kleine Löcher in die Haut, wodurch Wasser verdunsten kann und der Traubensaft konzentrierter wird. Außerdem verändert der Pilz das Zucker-Säure-Verhältnis und sorgt für den charakteristischen Honigton der Botrytis-Weine.

Finger weg!

Viele Schimmelpilze produzieren jedoch giftige Stoffwechselprodukte. Diese Mykotoxine sind weitgehend hitzestabil und werden bei der Nahrungsmittelherstellung in der Regel nicht zerstört. 
Problematisch für die Gesundheit ist vor allem die Langzeitaufnahme geringer Mengen. Mykotoxine sind krebserregend, wirken erbgutschädigend und schwächen das Immunsystem. Relevant sind vor allem die Aflatoxine und Ochratoxin A. Aflatoxine können die Leber schädigen und entstehen bevorzugt in tropischem und subtropischem Klima, weswegen vor allem Pistazien, Trockenfeigen oder Mandeln häufig betroffen sind. Ochratoxin A kommt hauptsächlich in Getreide vor und löst mitunter eine tödliche Nierenerkrankung aus, die in einigen Regionen des Balkans gehäuft auftritt. 
In der Regel gehören von Schimmel befallene Lebensmittel daher entsorgt. Es gibt nur wenige Ausnahmen. Zu ihnen zählen jene Produkte, in denen sich der Schimmel nur schwer ausbreiten kann. Dies ist bei Nahrungsmitteln mit hohem Zucker- oder Salzgehalt, mit sehr fester Konsistenz oder harter Kruste der Fall . Bei Edelschimmelprodukten ist Vorsicht geboten, wenn sie einen untypisch gefärbten Schimmel aufweisen.

Aus dem Falstaff Magazin Nr. 03/2017

Marlies Gruber
Autor
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