Toskana – Perlen an der Küste

Zwar ist der Boom an der Küste abgeflaut, doch es gibt eine ganze Reihe Betriebe, die ausgezeichnete Weine machen.

Vor 15 Jahren lautete die Devise in der Weinwelt der Toskana: »Alle an die Küste!« Spitzenbetriebe wie die Tenuta San Guido, die Tenuta dell’Ornell­aia oder Le Macchiole in Bolgheri hatten gezeigt, dass man dort Top-Weine schaffen kann. Heute ist vom großen Boom nicht viel geblieben.

Insel Bolgheri
Bolgheri ist eine Insel, was Böden, Mikroklima und Güte der Weine betrifft. Aber selbst in diesem Anbaugebiet, das mit Sassicaia, Masseto, Ornellaia und Messorio Kultweine erzeugt, ist es nicht immer einfach, den Wein auch zu vermarkten, Bolgheri ist für viele Konsumenten nach wie vor nicht einzuordnen. Das ist schade, denn es gibt dort einige ausgezeichnete Adressen. Giovanni Chiappini etwa ist einer der wenigen Alteingesessenen. Viele Jahre war der Guado de’ Gemoli, eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot, Chiappinis Spitzenwein. 2004 führte er die Lienà-Linie ein, vier sortenreine Weine (Merlot, Cabernet Franc, Cabernet Sauvingon und Petit Verdot), die nur in den besten Jahrgängen erzeugt werden und dann beeindruckend sind. Auch der Zweitwein Felciaino und der einfache Ferruggini sind ein sicherer Tipp.

>>> Tasting: Küste Toskana 2013

Das gilt auch für das Weingut Tenuta Argentiera der Brüder Corrado und Marcello Fratini auf einer kleinen Hochebene rund 200 Meter über dem Meer. Damit sind diese Weingärten die mit Abstand höchstgelegenen in Bolgheri. 2002 wurde der erste Argentiera erzeugt, eine elegante Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot und etwas Cabernet Franc – ein Senkrechtstarter. Zu dieser Spitzencuvée gesellten sich jüngst zwei reinsortige Einzellagenweine, Giorgio Bartholomäus (Merlot) und Ophelia Maria (Cabernet Sauvignon).

Allegrini, einer der bekanntesten Erzeuger von Amarone im Valpolicella, ist seit 2002 auch in Bolgheri, jetzt mit 70 Hektar. Als Walter Allegrini, der sich um das Weingut Poggio al Tesoro besonders kümmerte, 2003 bei einem Unfall ums Leben kam, widmeten ihm seine Geschwister Marilisa und Franco den Dedicato a Walter, einen Cabernet Franc, tiefgründig und elegant. Auch die übrigen Weine von Poggio al Tesoro können sich sehen lassen.

Ein mächtiger Tropfen
Nördlich von Bolgheri befindet sich die Tenuta di Biserno. Das Weingut gehört den Brüdern Lodovico und Piero Antinori, auf rund 70 Hektar erstrecken sich die Weinberge. Wie schon auf Ornellaia ist auch auf Biserno Michel Rolland als Berater tätig. Der Einstiegswein nennt sich Insoglio del Cinghiale, ein saftiger und gefälliger Wein auf Basis von Syrah, Cabernet Sauvignon und Merlot. Der Super-Premium-Wein heißt wie das Weingut selbst: Biserno, ein mächtiger Tropfen, der vorwiegend aus Cabernet Franc und Merlot besteht. Interessant ist auch der Zweitwein, Pino di Biserno, der durch seine Finesse überzeugt.

Gian Annibale Rossi di Medelana macht auf Castello del Terriccio mit der Lupicaia, einer Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot, einen Wein ersten Ranges. Der Zweitwein Tassinaia besteht aus Cabernet Sauvignon, Sangio­vese und ein wenig Merlot. Die Weine von Terriccio zeigen sich in der Jugend etwas unzugänglich, nach einigen zusätzlichen Jahren der Reife aber strahlen sie.

Nahe Riparbella im Hinterland von Cecina gründete der Weinberater Luca d’Attoma vor gut zehn Jahren seinen eigenen, biodynamischen Betrieb. Seit 2004 sind die Weine Demeter-zertifiziert. Cifra ist ein einfacher, doch sehr interessanter Cabernet Franc. Altrovino, gewissermaßen der Gutswein, besteht je zur Hälfte aus Cabernet Franc und Merlot, der Spitzenwein Duemani aus Cabernet Franc
und Suisassi aus Syrah.

Gleich um die Ecke, in Casale Marittimo, macht der Top-Fotograf Oliviero Toscani seit zehn Jahren Wein: OT, eine Cuvée aus Syrah, Cabernet Franc und Petit Verdot, und Quadrato Rosso, ein saftiger, nur im Stahl ausgebauter Wein aus Syrah, Teroldego, Cabernet Franc und Petit Verdot. Oliviero Toscani und sein Önologe Attilio Pagli geben dem Wein Zeit zu reifen und heranzuwachsen. Vom OT kommt dieses Jahr der Jahrgang 2008 auf den Markt.

Enorm zugelegt
Petra liegt im Anbaugebiet von Val di Cornia, südlich von Bolgheri. Das Weingut ist Teil der Gruppe Terra Moretti, zu der auch Bella­vista und Contadi Castaldi in der Franciacorta gehören. Lange Zeit eher für den von Mario Botta errichteten Weinkeller als für die Weine berühmt, haben die Cuvée Petra, der Merlot Quercegobbe und der Cabernet Potenti enorm zugelegt. Im Süden der Maremma, bei Magliano, steht die Tenuta Ammiraglia, das jüngste Weingut der Marchesi de’ Frescobaldi. Nahezu 100 Hektar umfasst das Weingut heute. Neben einem frischen Weißwein aus Vermentino und einem ordentlichen Morellino di Scansano Riserva (Pietraregia) ist es vor allem der Spitzenwein Ammiraglia, ein reinsortiger Syrah, der das Weingut so interessant macht.

Nur wenige Minuten entfernt trifft man auf die Fattoria di Magliano von Agostino Lenci. Top-Wein ist der Poggio Bestiale aus Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon mit große Tiefe und Dichte. Der spannendste Wein ist Heba, ein Morellino di Scansano, der zeigt, wie gut solche Weine sein könnten: einfach aber nicht banal, saftig und mit samtigem Tannin.

Text von Othmar Kiem

Aus Falstaff 06/13 bzw. Falstaff Deutschland 5/13

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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