© Lalo Jodlbauer

Staatsoperndirektor Bogdan Roščić im Falstaff-Talk

Im Interview erzählt der Chef der Wiener Staatsoper vom Essen in London und kulinarischen Sünden.

Falstaff: Als frischgebackener Staatsoperndirektor haben Sie viel zu tun – wie ernähren Sie sich im Alltag?
Bogdan Roščić Miserabel: Ich versuche zwar, die Leitsätze von Michael Pollan zu befolgen – »Eat food (also ›echte‹ Lebensmittel, kein hochverarbeitetes Zeug). Not too much. Mostly plants« –, aber die Realität sieht anders aus. Neulich gab es in der Kantine der Oper »Frühstück spezial: Leberkäse mit Gulaschsaft« – man muss dazu wissen, dass vor allem die Bühnenmannschaft ab dem frühen Morgen schwere Dinge zu bewegen hat, da braucht man etwas Handfestes. Aber ich habe das nicht, trotzdem musste ich meine gesamte Willenskraft aufbieten, das nicht zu essen.

Beschäftigen Sie sich damit, wo Lebensmittel herkommen oder wie sie hergestellt werden?
Ich versuche, das Schlimmste zu meiden, aber »toxisches Essen« gibt es, weil es Armut gibt und weil es Lebensmitteln nicht gut bekommt, betriebswirtschaftlich optimierte Ware zu sein.

Sie haben lange in London gelebt. Welche Küche hat Sie dort besonders angesprochen?
London ist, was gutes Essen betrifft, zum Nabel der Welt geworden. Vor allem, weil die diversen Landesküchen zumindest dem Geist nach das bleiben dürfen, was sie wirklich sind, statt zur Unkenntlichkeit banalisiert zu werden, wie es bei uns immer noch so oft vorkommt. Aber was man dort in einer Qualität bekommt, die es sonst in Europa nirgendwo gibt, ist natürlich indisches Essen, traditionell wie nouveau – da war ich tatsächlich täglich schwer gefährdet.

Ihre Mutter war Anästhesistin, der Vater Kieferchirurg, Ihre Familie kam 1975 aus Belgrad nach Linz. Wurde Wert auf gutes Essen gelegt? 
Wir stammen aus einem Land, wo das Essen einfach einen höheren Stellenwert hat und erwachsene Menschen bis aufs Messer über die Meriten von pršut (= Rohschinken aus dem Gebiet des früheren Jugoslawien) aus dieser oder jener Erzeugung diskutieren können. So gesehen ist oder vielmehr war es eben ein mediterranes Land. Meine Eltern hatten jedoch zu viel zu tun, um sich als Gourmets zu betätigen, und es wäre ihnen auch zu verschmockt gewesen. Aber diese Selbstverständlichkeit hervorragender einfacher Küche, also von dem, was der Italiener »cucina casalinga« nennt, das war immer präsent.

Und wohin gehen Sie selbst gerne essen?
Ich muss nach fast 20 Jahren Ausland mein diesbezügliches Adressbuch erst wieder aufbauen. In den 90er-Jahren war ich als Einzelperson ein bedeutender Umsatzfaktor für die Wiener Gastronomie, daher gehe ich jetzt ziemlich fantasielos in die Lokale, die ich damals schon kannte. Und viele sind ja nach wie vor hervorragend. Wenn ich auf den Parkplatz vom »Pogusch« fahre und das »Griaß di«-Schild sehe, fühle ich mich immer noch wie ein Kind, das in Disneyland ankommt. Aber ich lese von so vielen neuen Sachen, die man ausprobieren sollte … Ich muss mir da endlich einmal ein seriöses Arbeitsprogramm zusammenstellen.

Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2020

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Alex. Hesse
Redakteurin
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