Der ehemalige Spitzenkoch Hansi Baumgartner hat den Kochlöffel weggelegt und affiniert nun Käse. 

Der ehemalige Spitzenkoch Hansi Baumgartner hat den Kochlöffel weggelegt und affiniert nun Käse. 
© fotodesign.it

So ein Käse

Käse hat in Südtirol eine lange Tradition. Eine neue Generation von Käsern besinnt sich ihres Erbes – sie belebt das alte Handwerk neu.

Neue Wege gehen – das wollte ­Alexander Agethle aus dem ­kleinen Dörfchen Schleis im Obervinschgau. Schon seit über 200 Jahren bewirtschaftet seine Familie den Englhof. Agethle, studierter Agrarwissenschaftler, hält nichts von der modernen Hochleistungslandwirtschaft, die aus den Kühen den letzten Tropfen Milch herauspresst. »Also habe ich die Kühe hier auf dem Hof nach und nach durch die robuste alte Rasse Braunvieh ersetzt und betreibe nun eine nachhaltige Landwirtschaft«, erzählt er – und widmet sich somit auch der Zucht der alten Rinderrasse

Mit der Milch der robusten, alten Rasse Braunvieh macht Alexander Agethle Spitzenkäse. 
© Frieder Blickle
Mit der Milch der robusten, alten Rasse Braunvieh macht Alexander Agethle Spitzenkäse. 

Irgendwann kam er auf die Idee, aus der Milch Käse herzustellen. Die ehemalige Dorfkäserei, die an den Hof grenzt, stand zum Verkauf, und Agethle schlug zu. Nun verwendet er die Milch seiner zwölf Kühe ausschließlich zur Käseherstellung, von einem befreundeten Bauern kauft er noch etwas Milch zu.

Hier auf dem Englhof geht alles etwas ruhiger und langsamer zu: Die Kälber bekommen genug Zeit bei der Mutterkuh. Dabei belebt Agethle auch die alte Tradition der Transhumanz wieder. Darunter versteht man eine Art Wanderweidewirtschaft: Den Winter verbringen die Jungtiere in den biologisch-dynamisch bewirtschafteten Weinbergen seines Freundes Alois Lageder, wo sie während der kalten Jahreszeit weiden. Agethle will möglichst wenig in die Natur eingreifen. »Deshalb wird die Milch bei uns auch nicht in die Kessel gepumpt, sondern kann von der Straße her der Schwerkraft folgen«, erklärt der Landwirt.

Das Geheimnis von gutem Käse liegt in der Milchqualität. ­Bergwiesen und Alpenkräuter ­tragen dafür Sorge.
© Frieder Blickle
Das Geheimnis von gutem Käse liegt in der Milchqualität. ­Bergwiesen und Alpenkräuter ­tragen dafür Sorge.

Senner Maximilian Eller greift dem Milchbauern dabei unter die Arme und stellt drei Rohmilchkäsesorten her, die nach den umliegenden Berggipfeln der Sesvennagruppe benannt sind: den Weichkäse Arunda, den Schnittkäse Tella und den Hartkäse Rims, der mit seinem feinen nussig-fruchtigen Geschmack unser Favorit ist.
Eine ähnliche Philosophie verfolgt die Sennerei Burgeis im gleichnamigen Dorf im oberen Vinschgau unterhalb des Berges Watles. Auch hier weiden die Kühe auf Bergwiesen mit vielen Wildkräutern und trinken aus Gebirgsbächen. Das führt zu einer besonderen Milchqualität. Produziert wird rund ein Dutzend verschiedener Käse, unter anderem auch der bekannte Stilfser, ein zylindrischer Schnittkäse, der mindestens 60 Tage reift.

Käse als Event

In weitaus größerem Stil wird Käse in der Feinkäserei Capriz in Vintl im Pustertal produziert. Capriz ist auf Erlebniswelt getrimmt: Hier gibt es eine Schaukäserei, einen Laden, ein Bistro und sogar ein Käsemuseum, wo man Wissenswertes rund um die Käserei erfahren kann.   

Die Feinkäserei Capriz ist eine Käse-Erlebniswelt der Superlative, bei der die Ziege im Mittelpunkt steht.
© Helmuth Rier
Die Feinkäserei Capriz ist eine Käse-Erlebniswelt der Superlative, bei der die Ziege im Mittelpunkt steht.

Das Gebäude ist modern: Hier hat ein Architekt seinen Ideen freien Lauf gelassen und ein riesiges Stück Käse auf einem Kupferkessel nachempfunden, doch der Komplex fügt sich gut in die Landschaft ein. Dahinter steckt ein Südtiroler Textil- und Sportartikelhersteller, der sich damit einen Traum erfüllte. »Wir wollen hier hochwertigen Käse herstellen und auch die Tradition des Ziegenkäses wieder aufleben lassen«, sagt Betriebsleiter Christoph Niederkofler. Die Feinkäserei Capriz stellt zwar keine Rohmilchkäse her, doch Käsemeister Hubert Stocker verwendet sogenannte mesophile Bakterien, die bei niedrigeren Temperaturen arbeiten und so bei seinen rund 20 Käsesorten für ein breites Geschmacksspektrum sorgen. Und er experimentiert gerne: So macht er einen Bierkäse, den er mit dunklem Bier und Malz der Bozener Hausbrauerei Batzen Bräu verfeinert, den »Ginepro«, der mit gewalzten Wacholderbeeren aromatisiert und am Ende der Reifung mit Gin affiniert wird, oder »Hofer’s Alptraum« mit einer Kruste aus gemahlenem Schüttelbrot. Man sieht, den Südtiroler Käsemachern gehen die Ideen beim Beschreiten neuer Wege jedenfalls nicht aus.

Affineur-Kunst

Die Heu-Affinage geht auf die Tradition zurück, Almkäse im Heu ins Tal zu transportieren.
© Max Lautenschläger
Die Heu-Affinage geht auf die Tradition zurück, Almkäse im Heu ins Tal zu transportieren.

Wer die ganze Palette des Südtiroler Käses probieren will, angefangen beim berühmten Stilfser über den Bergkäse bis hin zum Graukäse, den es von mild bis extrem kräftig gibt, der kann dies bei Degust in Vahrn tun. In einem unscheinbaren Gebäude mitten in einem Industriegebiet findet man alles, was Käseliebhaber glücklich macht. Hansi Baumgartner, der gelernter Koch ist und mit seinen Brüdern einst ein Sternerestaurant betrieb, hat der Gastronomie den Rücken gekehrt und widmet sich seit 1994 ganz dem Käse. Seine Leidenschaft ist das Affinieren, also die Veredelung des Käses. »Käse ist ein sehr komplexes Produkt, dessen Eigenheiten sich hervorragend mit neuen Zutaten hervorheben lassen«, erklärt Baumgartner. Und so legt er den Südtiroler Graukäse in Holzkohle ein, verfeinert Blauschimmelkäse mit Gewürztraminer und Schokoladensplittern oder einen Camembert-ähnlichen Weichkäse mit Birnenschnaps und gemahlenen getrockneten Birnen und nennt ihn dann Kloaznkas. Die Käse dafür kauft er nicht nur in Südtirol, sondern auch im Rest von Italien und Europa und lässt sie in einem ehemaligen Bunker reifen. Wer mag, kann vor Ort an einer geführten Käsedegustation teilnehmen.
Degust
Bsackerau 1, 39040 Vahrn
T: +39 0472 849873
www.degust.com

Zum Hinschauen

In der Schaukäserei »Drei Zinnen« in Toblach wird man in die Welt des Käsemachens eingeführt. Bedient werden alle Sinne, schließlich ist Käse ­ja auch ein sinnliches Produkt.
© Marion Lafoglar
In der Schaukäserei »Drei Zinnen« in Toblach wird man in die Welt des Käsemachens eingeführt. Bedient werden alle Sinne, schließlich ist Käse ­ja auch ein sinnliches Produkt.

Wie wird eigentlich Käse hergestellt?
Das kann man in der Schaukäserei »Drei Zinnen« in Toblach im Pustertal erfahren. Die Sennerei ist eine Genossenschaft, deren Wurzeln bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Auf einer Tour durch den modernen Betrieb kann man den Weg von der Milch bis zum fertigen Käse verfolgen. Am Anfang steht der Besuch eines kleinen Käsemuseums, dann erzählt ein Film vom Leben der Bauern in der Region.

© Frieder Blickle

Anschließend kann man von einer Galerie aus die Käseherstellung in der Sennerei beobachten, ein Film liefert zusätzliche Informationen. Außerdem kann man auch dabei zusehen, wie Sahne, Butter oder Joghurt hergestellt werden, und den Reifekeller besichtigen – hier wird dann auch das Geheimnis gelüftet, wie die Löcher in den Käse kommen. Und damit es nicht nur bei der Theorie bleibt, kann man die Ergebnisse hinterher auch gleich noch ganz praktisch probieren.
Drei Zinnen
Pustertaler Straße 3/c, 39034 Toblach
T: +39 0474 971300
www.3zinnen.it

INFO

Alexander Agethle
Hofkäserei Englhorn
Schleis 8, 39024 Mals
T: +39 0473 835393
www.englhorn.com

Sennerei Burgeis

Burgeis 77, 39024 Mals
T: +39 0473 831220
www.sennereiburgeis.it

Capriz Feinkäserei

Pustertaler Straße 1/b, 39030 Vintl
T: +39 0472 869268
www.capriz.bz

Aus dem Falstaff Südtirol Spezial 01/2017.

Johannes Weiss
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