Sachsen: Auf dem Sprung in die kulinarische S-Klasse

In Dresden und Leipzig haben sich in den vergangenen Jahren Gourmetrestaurants etabliert, zusätzlich ist eine Reihe bemerkenswerter ­Restaurants ­hinzugekommen.

Dresden führt diese Entwicklung an, auch der Tourismus beginnt sich zu verändern. Das Image von Elbflorenz wird jünger und internationaler – die barocke Schwere wandelt sich in Leichtigkeit.

Das Paradebeispiel dafür ist das Restaurant »Elements«. Hier vereinen sich kreative Kochkunst, lässig-professioneller Service und elegantes Ambiente. Das durchgestylte Restaurant im Fabrik-Loft mit Amphoren und alten englischen Möbeln lebt von der farbenprächtigen Küche von Stephan Mießner. Die Weinkarte kommt von Roswitha und Silvio Nitzsche aus der »WEIN|KULTUR|BAR«. Dazu gibt es eine Deli-Tagesbar und eine Zigarrenlounge – das »Elements« hat das Zeug zum Kultrestaurant. »Das Plüschige verschwindet aus Dresden«, sagt Silvio Nitzsche, »die Gastronomie wird innovativer und lockerer.«

Das »Lesage« in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden / Foto: www.rene-gaens.de

Wie im hippen »Villandry« mit seiner urbanen und unkomplizierten Farm-to-Table-Philosophie, dort kommen regionale Produkte vom Bauern direkt auf den Teller. Und das Restaurant »Lesage« in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen ist ein Symbol moderner Dresdner Handwerkskunst. Eine weitere kreative Location ist das Kneipenrestaurant »Lila Soße« im Dresdner Kunsthof. Hier bekommt der Gast ungewöhnliche, aber schmackhafte Kleinigkeiten in Weckgläschen serviert – Spinatsalat mit Ziegenkäse und Lavendeldressing oder Currywurst im Glas mit Hibiskusblüte.

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Immer mehr Zweitlokale
Der Platzhirsch »bean&beluga« beweist mit Elan, dass er sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruht. Unten im Erdgeschoss haben Stefan Hermann und Jens Pietzonka die Tagesbar in eine Weinbar umgewandelt. Leckere Gerichte zu erschwinglichen Preisen sind das Ergebnis. Nebenan lockt weiterhin ein erlesenes Fein­kostangebot mit Weinen, Gemüse und Marmeladen aus der Region. Jens Pietzonka hat jüngst iPads eingeführt, auf denen die Karten zu lesen sind. »Das Publikum wird lockerer und flexibler«, sagt Pietzonka, »vor ein paar Jahren noch hätte das hier nicht funktioniert.« Und es gibt einen neuen Ableger des »bean&beluga«: das »william« im Schauspielhaus. Im eleganten Mix aus Restaurant, Cocktailbar und Lounge bieten die Küchenchefs aus dem »bean&beluga« Klassiker wie Backhuhn oder Kartoffelrösti sowie kulinarische Neukreationen wie Kalbs-Dim-Sum mit Salsa verde oder Saibling mit Miso-Hollandaise – das alles bei einladendem Preis-Leistungs-Verhältnis.

Das »bean&beluga« baute aus und ist nun um eine Weinbar reicher / Foto: Juliane Mosterz, www.fotografisch.de

Der Besuch in der »WEIN|KULTUR|BAR« von ­Silvio Nitzsche ist ein Muss. Das kleine ­Eckbistro bietet eine fantastische Auswahl an Weinen aus Sachsen und Saale-Unstrut, natürlich auch glasweise. Dazu leckere Kleinigkeiten wie Suppen und Käse. Auch die »WEIN|KULTUR|BAR« hat einen Ableger bekommen: das »Genussmensch« von Silvios Frau Roswitha, eine Art gemütliches Wohnzimmer, in dem der Genießer entspannt auf Wein­entdeckungstour geht.

Klassiker mit frischem Wind
Die Klassiker sind aber keineswegs abgemeldet. Die räumlichen Veränderungen im »Caroussel« im Bülow Palais sind ja nun ­bereits einige Zeit her, warmes Ambiente bei zarten Goldnoten und sanften Grüntönen überwiegen, Lüster aus Dresdner Porzellan und helles Holz versprühen Eleganz. Seit diesem Jahr hat sich auch am Herd etwas getan. Der neue Koch Benjamin Biedlingmaier kommt aus dem »La Mer« auf Sylt und bringt den frischen Wind von der Insel gleich mit. Seine zeitgemäß leichte und frische Küche aus erstklassigen Zutaten wird nicht nur von den Stammgästen begeistert aufgenommen und bedeutet einen Schritt nach vorn.

Ein Gericht aus dem »Caroussel«: Ferkel mit Karotten, Kamille und Waldfrucht / Foto: beigestellt

In dieser Klasse kann das Hotel Taschenbergpalais erstaunlicherweise nicht mithalten. Das Restaurant »Intermezzo« im wunderschönen Kempinski-Haus bleibt seit Jahren hinter den Erwartungen zurück. Einzig die »Karl May Bar« zeigt große Klasse. Erwähnenswert in Dresden sind außerdem das »Daniel« mit dem akribisch und sorgfältig arbeitenden Daniel Fischer, das »Henricus« an der Frauenkirche und die »Villa Marie«, die nach dem Hochwasser im Juni jetzt wieder in alter Schönheit erstrahlt und wo man stilvoll und authentisch italienisch essen kann.

Ausflug nach Radebeul
Etwas weiter westlich liegt Radebeul, quasi ein Vorort von Dresden. Das Restaurant »Charlotte K.« mit Patronin und Köchin Ines Kuka präsentiert in einem charmanten Fachwerkhäuschen bodenständige Küche der Region unter dem Motto »Vom Einfachen das Beste«, wie das Kotelett vom Großdobritzer Landschwein mit Schwarzkümmelkrapfen. Die enge Zusammenarbeit mit heimischen Erzeugern wie Gartenbaubetrieben und Agrargenossenschaften ist lobenswert.

Ebenfalls in Radebeul findet sich die Villa Sorgenfrei. Im Rahmen eines festlichen »Dîner Maison« wurde sie in den Kreis der »Chaîne des Rôtisseurs« aufgenommen und ist würdiger Botschafter einer gehobenen Tisch- und Tafelkultur. Das Ambiente des historischen Fest- und Gartensaals aus dem 18. Jahrhundert ist eine echte Entdeckung im »Sächsischen Nizza«, wie Radebeul als Ausflugsziel der Dresdner genannt wird.

Für spannende Ausflüge in die Umgebung lohnen sich die Weingüter um Dresden: Im gemütlichen Ambiente des Gutshauses auf Schloss Proschwitz wird eine feine Auswahl frischer regionaler Spezialitäten serviert. Vorher hatte Spitzenkoch Mario Pattis das »Lippe’sche Gutshaus« auf Kurs gebracht. Die Restaurantpläne von Pattis in Dresden haben sich leider wieder zerschlagen, er befindet sich derzeit in der kulinarischen Warteschleife.

Leipzig auf dem Höhenflug
Szenewechsel. Auch in Leipzig tut sich was, die Stadt gilt als cooler und lebendiger als Dresden. Der Leuchtturm der sächsischen Gourmandise bleibt das »Falco«. Das mondäne Restaurant im 27. Stock des Hotels The Westin verteidigt seit Jahren seine Vorherrschaft – und schafft es, sich kontinuierlich zu steigern. Bei unserem Besuch zeigte sich das Team um Patron Peter Maria Schnurr noch besser eingespielt.

Einfach, aber genial: Peter Maria Schnurr besinnt sich auf das Wesentliche und kommt damit bis ganz nach oben / Foto: Ralf Müller

Schnurr ist ein detailversessener Chef, präsentiert seine Kunstwerke auf 36 verschiedenen Meisterwerken von Porzellan Hering oder lässt getrocknetes Brot von Möhren und Mohn auf Holzplatten aufschichten – so einfach wie genial. Schnurr ist der Rockstar der Szene, vergleichbar mit dem Niederländer Jonnie Boer aus dem »De Librije« in Zwolle.

Das Menü ist reine Poesie, es muss hier niedergeschrieben werden:
Austern mit gedämpfter Entenstopfleber und Tonic-Orangen-Yoghurt, dann Aal mit Birne, Limette, chinesische Petersilie, Schwarzwurst und Pistazien-Softeis, weiter Kabeljau mit Creme von gebeizter Entenstopfleber, Maronen und lauwarmer Vinaigrette vom Ochsengaumen, es folgt ein Kalbsherz mit Kreuzkümmel, Koriander und Jahrgangssardinen mit Artischocke, zum Hauptgang die Mieral-Taube mit japanischem Meer­rettich, Mandarine und Wasserkastanien.

Essbare Kunst, wahre Passion – nicht Effekthascherei, sondern perfekte Harmonie und Balance. Der Gast hat das Gefühl, an einer spirituellen Messe teilgenommen zu
haben. Maître Oliver Kraft und Sommelier Christian Wilhelm begleiten, nein, zelebrieren diese auf lockere und professionelle Weise. Das »Falco« ist auf seinem Höhenflug von konstanter Beständigkeit und verbessert sich sogar ständig. Ein Ausnahmerestaurant, das in ganz Deutschland seinesgleichen sucht.

Hotspot in Leipzig: die »Falco Bar« / Foto: beigestellt

Das »Stadtpfeiffer« ist das klassische Gegenstück zum »Falco«. Die Küche des Res-
taurants mit dem herzlichen Service ist berechenbarer, auch die Nähe von Gewandhaus und Oper spricht eher älteres Publikum an. Perfekt für die Abende, an denen man erstklassig speisen möchte, aber nicht ganz hoch hinauswill. »Niemanns Tresor« gibt es leider nicht mehr, Peter Niemann will Ende des Jahres ein neues Restaurant eröffnen.
  
Den coolen Part für Leipzig hat das »Max Enk« übernommen, es sorgt im Städtischen Kaufhaus für Furore. Im modern-verspielten Ambiente des Lichthofes verfolgen Dietrich Enk, Küchenchef Torsten Hempel und ­Maître Udo Barthelmann das Ziel einer ­ehrlichen Gastronomie. Bevorzugt natur­verbundene und handwerklich arbeitende Wurst-, Wein- und Käseproduzenten finden hier ihre Bühne. Ein vielversprechender Hotspot für Leipzig.

Text von Nikolas Rechenberg

Aus Falstaff Deutschland 1/14

Titelfoto: (c) Buntschatten / www.pixelio.de