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Rum: Die trockene Wahrheit

Es ging anfangs um mehr Transparenz und endete im Vorjahr mit neuem Rum-Geschmack. Die radikale Neuorientierung der boomenden Spirituose – und wie es dazu kam.

Es überrascht in der Mehl­speisen-Hochburg Österreich ja nicht: Hierzulande mag man
es gerne süß beim Rum. Seit Pioniere wie »Zacapa« dafür gesorgt haben, dass Rum abseits von Mojito und Cuba Libre als Genuss gesehen wird, liebt man den »spanischen« Stil. Südamerikanische Abfüllungen mit einem weichen, schokosüßen Geschmacksprofil sind für viele der Inbegriff der Kategorie – und die Topseller bei den »Sipping Rums«. Unter den 800 Flaschen des größten Spezialhändlers im Lande hat man eine eigene Bezeichnung dafür: »Schmeichler« stehen standardmäßig in den Verkostungen. Doch gleichzeitig wird es komplizierter, ihre Entstehung in wenigen Sätzen zu skizzieren. Denn seit dem Vorjahr gibt es plötzlich eine Rum-Kategorie mehr.

Sie trägt statt den drei Buchstaben, die ein Synonym für karibische Lebensfreude sind, lange Alternativ-Bezeichnungen wie »Superior Spirit drink made from premium matured Rum«. Was war geschehen? Seit Inkrafttreten der neuen Spirituosenverordnung der EU am 25. Mai 2021 gilt eine Obergrenze für Zucker. Sie beträgt 20 Gramm pro Liter, sofern man weiterhin wie gewohnt »Rum« auf seine Flaschen schreiben will. Damit allerdings stand eine Reihe von Herstellern vor einem Problem, die zuvor nach der Destillation ihre Rume mit Zucker geschmeidiger machten. Entweder war das Rezept zu ändern, sprich: weniger süß zu gestalten. Oder man musste dem Konsumenten erklären, warum er nun plötzlich einen »spirit drink« im Glas hat.

Die Grundlage jedes Rums ist das Zuckerrohr. Die grasartigen Halme wachsen innerhalb eines Jahres bis zu vier Meter in die Höhe.
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Die Grundlage jedes Rums ist das Zuckerrohr. Die grasartigen Halme wachsen innerhalb eines Jahres bis zu vier Meter in die Höhe.

Der veränderte Geschmack

Mehrheitlich entschied man sich für neue, trockenere Rezepte. Womit so mancher Lieblingsrum Anno 2022 nicht mehr ganz so gefällig ist wie gewohnt. »Der Zusatz von Zucker oder Melasse macht ›spanische‹ Rummischungen süßer als andere Sorten, zumal dadurch der Schnapsgeschmack abgerundet wird«, formuliert man bei A. H. Riise ein Argument für das »Aufzuckern«. Der dänische Hersteller entschied sich als einer der weniger prominenten Erzeuger gegen die Änderung seiner Rezepturen, die teils bis zu 100 Gramm Zucker/Liter (!) aufwiesen.

Während als anderes Extrem ein Verbot jeglicher nachträglicher Süßung auf den französischen Antillen für »Rhum agricole« aus Zuckerrohrsaft gilt, hadert man anderswo in der Karibik mit dieser Kompromisslösung der Europäer. »Die ältesten und angesehensten Rum-Erzeuger der Karibik verwenden diese Praktik nicht«, ist sich der Eigentümer der »Foursquare Rum Distillery« auf Barbados sicher. Richard Seale ist als Destillateur, auch für andere Marken, nicht zuletzt wegen seiner transparenten Haltung (und somit Rumen mit unter vier Gramm Restzucker) gefragt. Doch selbst ein Gigant des Rumgeschäfts und »Nachbar« Seales, die 1703 gegründete Rumbrennerei »Mount Gay«, spricht von einer »verpassten Gelegenheit, bei der die EU eine eigene Klasse für Rum mit zugesetztem Zucker schaffen hätte können«.

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»DAC« für die Rum-Welt

Diese verwirrende Dreiteilung in praktisch trockene, leicht und stärker gezuckerte Destillate, von denen sich zwei »Rum« nennen dürfen, kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Jahrelang galt »laissez-faire« als Markenzeichen der Rumwelt, auch außerhalb der Karibik. Doch mittlerweile plädieren die mittelamerikanischen Erzeuger ebenso wie viele Festland-Destillerien selbst für strengere Regeln. Zumal es dem Rum-Konsument mit dem Bezeichnungs-Wirrwarr nicht leicht gemacht wird. Nach wie vor wirkt nämlich das koloniale Erbe der Karibik bis ins Cocktailglas nach: Englischsprachige Länder brennen Pot-Still-Rum mit einer Altersangabe wie beim Single Malt, also dem jüngsten Destillat in der Flasche. Daneben stehen die nach aufwendigen Blendings aus leichten und kräftigen Rumen mit einem Durchschnittsalter versehenen Abfüllungen des „»spanischen« Stils. Während also ein »Solera 15« lediglich einen Fingerhut 15-jährigen Rums enthalten muss, ist jeder Tropfen eines »15 years« zumindest so alt.

Der Weg zu mehr Transparenz führt über eine »geographische Herkunftsbezeichnung« (kurz: »GI«) ähnlich wie in vielen Weinregionen. Jamaica etwa hat vor vier Jahren eine solche definiert, die sich an der Whisky-Praxis – der jüngste Rum in der Flasche definiert die Altersangabe – orientiert. Federführend unter den sechs Destillerien der Reggae-Insel waren dabei »Appleton Estate« und »Wray & Nephew« (berühmt für seinen Overproof Rum). Clement »Jimmy« Lawrence sieht in der neuen Regelung, die auch Zuckerzugabe nach der Destillation verbietet, »ein


Roland Graf
Autor
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