Der Flaschenpreis für die Premier Crus aus Meursault beträgt 300 bis 400 Euro.

Der Flaschenpreis für die Premier Crus aus Meursault beträgt 300 bis 400 Euro.
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Roulot 2019: ein Jahrgang der Präzision

Derzeit ist es für Menschen Corona-bedingt fast unmöglich zu reisen. Aber Fassmuster können sich auf den Weg machen.

Jean Marc Roulot gehört zu den namhaftesten Weißwein-Winzern Burgunds, seine Premiers Crus aus Meursault werden für 300, 400 Euro die Flasche gehandelt bis hin zum ultrararen Perrières, der mit hohen dreistelligen Beträgen zu Buche schlägt. Inmitten der Corona-Krise schickte Roulot nun seinem deutschen Importeur Sébastien Visentin Fassproben der 2019er Weine. Wenn man schon nicht nach Burgund reisen kann, so Roulot, dann wolle er etwas dazu beitragen, dass sich seine Handelspartner trotzdem einen Einblick in den aktuellen Jahrgang verschaffen könnten. »Das ist eine grosse Geste«, so der Kommentar von Sébastien Visentin, »wenn man weiss, wie schwer sich die meisten Winzer tun, Fassproben aus dem Haus zu geben. Und dass dann eine Domaine von diesem Renomée ihre Weine schickt, das finde ich grossartig. Roulot hätte das überhaupt nicht nötig, es gibt sowieso immer zu wenig Wein für die hohe Nachfrage.«

Nach dem Vorbild des Vaters

Dabei ist Roulots Karriere ohnehin ungewöhnlich. Die Familie ist seit 1830 in Meursault nachweisbar, doch Jean-Marc Roulot hatte zunächst andere Pläne, als seinen Vorfahren nachzueifern und Winzer zu werden. Als sein Vater Guy im Jahr 1982 starb, lebte Roulot als Schauspieler in Paris. Es dauerte noch bis 1988, ehe er nach Burgund zurückkehrte, seitdem leitet er das 10-Hektar-Weingut gemeinsam mit seiner Schwester Michèle. Gleich nach seiner Rückkehr begann auch die Umstellung des Betriebs auf Bio-Bewirtschaftung.

Stilprägende Einflüsse

Roulots Stil gehört weder zu den extrem reduktiven, noch zu den stark holzgeprägten Ausprägungen der Herkunft Meursault. Gerade bei der Probe der Jungweine in der konzentrierten Stille der Corona-bedingt leeren Berliner Weinhandlung »Passion Vin« wurde deutlich, wie sehr Roulot stilprägende Einflüsse zurücknimmt, um der Herkunft zu ihrem größtmöglichen Ausdruck zu verhelfen. Selbst auf dem Niveau der Villages-Weine mit Nennung eines Lieu-Dit findet man ausgesprochen starke Charaktere im Glas, die weitaus deutlicher ihre Lage zeigen als irgendeinen Gestaltungswillen des Winzers. Und so geht es weiter, bis zum fulminanten Premier Cru »Charmes«.

Die 2019er, deren Fassmuster nun in Berlin auf dem Probentisch standen, wurden im August nach einjähriger Fasslagerung zur Homogenisierung in Inoxtanks gelegt. Dort werden sie noch bis zur Abfüllung bleiben, die für April 2021 vorgesehen ist. Physisch erhältlich werden die 2019er Weine dann zum Jahresende 2021 sein.


Verkostungsnotizen

  • 2019 Bourgogne blanc
    Von Parzellen nördlich des Orts Meursault, angrenzend an Meursault Villages-Parzellen. Etwas Holz, aber unaufdringlich, Gelbfrucht, Mais, Flachs. Blutorange, Fenchel. Im Mund mit gehaltvollem Auftakt, leicht viskos, aber eben auch saftig und zart phenolisch, reife, lang anhaltende Säure, eine Spur taktile Mineralik im Abklang. Wunderbares Ebenmass, Cremigkeit ist da, aber auch Frische.
    93 Falstaff-Punkte
     
  • 2019 Meursault Villages
    Floral, zitrisch, fast unmerkliches Holz. Blutorange. Nach Standzeit im Glas würziger, Bouillon. Geschmeidiger Ansatz, dann getragen, feine (aber auch recht feste) Phenolik, komplett in sich ruhend, reife Säure, kraftvoll im Körper, dezent in der Mineralik, hat die Verschlossenheit seines Alters und wirkt derzeit unscheinbarer als der Bourgogne, geht aber auch mit deutlich größeren Reserven in die Flaschenreife.
    93+ Falstaff-Punkte
     
  • 2019 Meursault Villages Lieu-Dit Luchets
    Ein Hauch reduktiv, klart aber schnell auf. Birne. Orangenblüte. Torf. Jasmin. Mit Luft immer mehr Kalk. Im Mund kraftvoll und griffig, mit einer feinen, aparten Bitternis, eine unglaubliche Feinheit in den Phenolen, nachgerade fruchtarm am Gaumen, ein derzeit völlig in sich gekehrter Wein mit großem innerem Reichtum, die Säure ist komplett verschmolzen mit dem Körper, wird zu keinem Zeitpunkt isoliert wahrnehmbar. Edel und finessenreich, im Abgang den feinen Faden der Stoffigkeit und Mineralität fortspinnend. Frisch.
    94 Falstaff-Punkte
     
  • 2019 Meursault Villages Lieu-Dit Les Meix Chavaux
    Verschlossen, aber in Untertönen fast Terpen-würzig, blumig, Blattgrün, Bergamotte. Etwas Holz. Steinstaub. Mit sehr viel Luft, nach 30 Minuten Standzeit im Gals auch Nougat. Im Mund kompakt, mit straffem Säuregerüst und prägnanter Phenolik, ein Klotz von Wein, muskulös und stämmig, mit einer nachgerade abweisenden Art zu diesem Zeitpunkt. Kraftvoll in allen Komponenten, auch im Alkohol. Die Substanz ist großartig, das große Reifepotenzial steht außer Frage. Im Abklang intensiv taktil-mineralisch. Die ältesten Reben in der Parzelle stammen von 1928.
    95 Falstaff-Punkte
     
  • 2019 Meursault Villages Lieu-Dit Clos du Haut Tesson »à mon plaisir«
    Dies war die Lieblingsparzelle des Vaters, drum der Zusatz »à mon plaisir«. Sehr duftig, etwas Anis, nuanciertes, zart würziges Holz, mit Luft immer mehr ein Idealtyp von Meursault: mit steinigen und nussigen Noten, etwas Jasmin, Safran, traubige Noten, blondes Karamell. Feuchter Kalk. Im Mund druckvoll, Alkohol und Stoffigkeit dicht ineinandergewoben, kreidig, sehr komplett in seinem Stil, grosse Tiefe, und eine spannungsreiche taktile MIneralität, auch etwas Eisen-Mineralität, endet auf Kreidigkeit, Salz, Stoff.
    96 Falstaff-Punkte
     
  • 2019 Meursault Premier Cru Le Porusot
    Mandarine und ein Hauch Reduktion. Eher auf der zitrischen Frucht, wenig Stein. Eine Spur Röstkaffee. Nach Standzeit geröstete Haselnuss. Im Mund von großer Homogenität, ein sachter Druckaufbau, der in eine lang anhaltende Plateauphase überleitet, reife Säure, moderate Phenolik, sehr kräftige, zuletzt fast etwas adstringierend wirkende Mineralität. Ein kraftvoller, fast mächtiger Wein. Endet so, dass man Kauen möchte. Und sehr salzig.
    95 Falstaff-Punkte
     
  • 2019 Meursault Premier Cru Clos des Bouchères
    Im Duft Orangenschale, »kühl« in der Anmutung, fast kein merklicher Holzeinsatz, mit Luft dann aber etwas Hefe, Anisbrötchen, Kümmel. Im Mund feingliedrig mit unscheinbarer Dichte, ganz zurückhaltend, vornehm, zarter Säurefaden, wirkt komplett unforciert, mit sehr vielen Zwischentönen, saftig auflösend im Abgang mit zarter taktiler MIneralität, unglabliche Eleganz. Im Abgang zuletzt dann reiffruchtig, und würzig.
    96 Falstaff-Punkte
     
  • 2019 Meursault Premier Cru Les Charmes
    Schon im Duft, in der Aromatik, weit gefasst, Apfel, etwas Karamell, Feuerstein, Getreide und ein Anklang an Gelbfrucht. im Mund eine aussergewöhnlich fein inszenierte Dichte, intensiv mineralisch geprägt, aber auch körperlich präsent, dabei äußerst homogen und mit einer absolut nahtlosen Integration von Geschmeidigkeit und Stofflichkeit. Ein feiner, aber auch spannungsreicher Säurenerv ist flankiert von einem Hauch aparter Bitternis. Kreidig im Abklang. Ein ganzes Universum von Meursault-Elementen, von der Finesse zur Kraft, von der Frucht und Würze zur Mineralik. Tolle Länge.
    97 Falstaff-Punkte
     
  • 2019 Corton Charlemagne Grand Cru
    Aus Traubenzukauf. Hefewürzig, Flachs und Polenta, dezentes Holz. Très Charlemagne. Kalkwürze im Hintergrund. Rauchig. Im Mund Wucht, Kraft, ein Hauch von reduktiven Noten im Gaumen, fest gefügt und druckvoll, sehr kompakt und von stämmiger Statur, die Mineralität hält den stattlichen Bau im Lot. Ein idealtypischer Corton Charlemagne.
    95 Falstaff-Punkte

www.passion-vin.de

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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