Rezepte mit Huhn: Klassisch und modern

Paul Bocuse, Juan Amador und Gerhard Fuchs verraten ihre Rezepte und Tricks.

Bei Hühnern gute Qualität zu bekommen ist so einfach nicht. Tiere aus konventioneller Mast sind für Gourmets in­diskutabel – aber es gibt Alternativen. Biohühner haben mehr Platz und Zeit bis zur Schlachtreife zur Verfügung. Zudem führt streng biodynamisches Futter dazu, dass eine Kontami­­nation durch Antibiotika – wie sie in der ­industriellen »Produktion« immer wieder vorkommt – so gut wie nicht zu ­befürchten ist. Biobauern greifen inzwischen immer häufiger auch auf alte Rassen zurück. Die Tiere liefern dann als sogenanntes »Zweinutzenhuhn« Fleisch und Eier.

Förderpreis für das Zweinutzenhuhn
Die Schweisfurth-Stiftung, 1985 vom ehemaligen Wurstfabrikanten Karl-Ludwig Schweisfurth gegründet, der sich vom Inhaber des größten Fleisch verarbeitenden Unternehmens in Europa zum Pionier ökologischer Landwirtschaft wandelte, stellte jüngst bei den Hermannsdorfer Landwerkstätten in Glonn bei München Varianten eines Zwei­nutzenhuhns vor: ein österreichisches Landhuhn, das französische »Les Bleus« und eine Kreuzung aus beiden Rassen. Alle liefern Eier hoher Qualität und gutes Fleisch aus bio­dynamischer Aufzucht, allerdings sind sie mit einem Kilopreis von rund 30 Euro schwierig zu vermarkten. Immerhin aber gab es den Förderpreis Ökologischer Landbau 2012.

Das Gourmetparadies von Jean-Claude Mieral
Einfacher hat es der Feinschmecker mit französischem Geflügel der Qualität »Label Rouge«. Die Bedingungen für dieses staat­liche Gütesiegel wurden 1965 definiert: ­mindestens 75 Prozent Getreidefutter, 81 bis 110 Tage Lebensdauer, kleine Betriebs­größen, zwei Quadratmeter Auslauffläche pro Tier, maximal elf Hühner pro Quadratmeter im Stall, der höchstens 400 Quadratmeter groß sein darf. Die Chefs der Sterne­gastronomie favorisieren hier zumeist Schwarz­federhühner – vor allem, wenn sie von Jean-Claude Mieral stammen.

Ein Klassiker der französischen Küche: Coq au Vin à la Bocuse
Ein Klassiker der französischen Küche: Coq au Vin à la Bocuse

Der Name Mieral steht für ein Paradies, eines für Hühner wie für Gourmets gleichermaßen. Der grauhaarige Mann mit dem scharf ­geschnittenen Gesicht gilt als ungekrönter König der Bresse, auch wenn er seinen ­Betrieb mittlerweile an seine beiden Söhne weitergegeben hat. 1957 rang Mierals Vater gemeinsam mit seinen Freuden Paul Bocuse und Alain Chapel dem französischen Staat eine AOC (»Appellation d’Origine Contrôlée«) für Bressehühner ab – die erste überhaupt für eine Nutztierart in Frankreich, das sonst vor allem seinen Wein und seinen Käse mit einem höchst strengen AOC-Regelwerk schützt.

Strenge Regeln für Züchter
»Nur knapp ein Zehntel der rund 400 Bressehuhn-Züchter erfüllte Mierals ­Anforderungen. Doch so einfach wird man nicht einer von ›seinen Männern‹«, sagt Wolfgang Otto vom Online-Fleisch­versand Otto Gourmet. »Mit der gleichen Penibilität, wie Mieral die besten Hühner bestimmt, wählt er auch deren Züchter aus. Diese bestehen nur dann seine Feuertaufe, wenn sie ruhige, gewissenhafte und ordentliche Menschen sind. Seiner Meinung nach färben solche positiven Charaktereigenschaften der Züchter auch auf die Tiere ab und lassen sie entspannt in einer sauberen Umgebung aufwachsen.« Otto Gourmet hat die Tiere im Sortiment. »Da Mierals Vor­stellungen von traditioneller, artgerechter ­Haltung mit unserer Firmenpolitik der Nachhaltigkeit, Verantwortung und Rückverfolgbarkeit konform gehen, lag es auf der Hand, ihn ins Boot zu holen«, so Wolfgang Otto, »denn obwohl ihnen ein Ende im Kochtopf vorausbestimmt ist, können seine Hühner ihre angeborenen Bedürfnisse wie beispielsweise das Baden im Sand oder die selbstständige Futtersuche ohne Einschränkungen ausleben.«

Die Kombination aus Curry, Kokos und Mango gibt dem Mieral-Huhn ein asiatisch-exotisches Aroma. Und auch optisch ist das Gericht ein Genuss
Die Kombination aus Curry, Kokos und Mango gibt dem Mieral-Huhn ein asiatisch-exotisches Aroma. Und auch  optisch ist das Gericht ein Genuss

Die Besten unter den Hühnern
Das Bressehuhn ist schlichtweg das beste. Eine mindestens 500 Jahre alte Rasse in den Farben der Grande Nation: blaue Stelzen, weißes Gefieder, knallroter Schopf. Die Tiere sind halbwilde Geschöpfe, hochbeinig, mit langer Brust. Das Fleisch ist derart fein strukturiert, dass es – wie beim Wild – ­reifen muss, bevor es sein Potenzial ent­faltet. Die von ­einer einzigen Zuchtanstalt, dem »Centre de sélection de la volaille de Bresse« in Bé­channe, ausgebrüteten Küken werden zu einem Stückpreis von rund einem Euro an die Züchter verkauft. Wenn das ­Federkleid ausgebildet ist, geht es frühmorgens nach einer kräftigen Milch-Mais-Mahlzeit (von eigenen Maisfeldern und eigenen Kühen) auf die Wie­se. Pro Kopf garantiert die AOC jedem Bressehuhn zehn Quadratmeter Platz. Der Auslauf ins Grüne mit Gras und Kräutern, ­Insekten und Würmern, ­Bäumen und schützenden Sträuchern sowie Sandplätzen zum Scharren umfasst viele Hundert Meter Abenteuerstrecke. Nach vier bis fünf Monaten Mindestlebenszeit in diesem Hühner-Dorado werden die Tiere schonend geschlachtet.

Eine neue Essphilosophie
Weil das Fleisch der halbwilden Vögel ­mindestens eineinhalb Wochen Reifezeit benötigt, werden sie in Frankreich »étouffée«, also nicht ausgenommen, sondern nur vom Enddarm befreit und mit Kopf und Krallen gehandelt. Ausgenommene Bressehühner sollte man meiden, sie können nicht lange ­genug reifen. Der Kilopreis beträgt bei Spezialversendern um die 25 Euro. »Den Preis muss man dann eben auch ­zahlen«, sagt die Wiener Kochikone Ewald Plachutta, »bei keinem anderen geschlachteten Tier ist der Unterschied zwischen industriell gezüchteter und Bio-Ware so groß wie beim Huhn.« Um das gute Fleisch schätzen zu können, muss sich beim Verbraucher ­seiner Meinung nach eine Änderung der Essphilosophie durchsetzen.

Das typische steirische Backhuhn wird vor der Zubereitung in ­kleinere Stücke zerteilt und langsam in Schmalz ausgebacken
Das typische steirische Backhuhn wird vor der Zubereitung in ­kleinere Stücke zerteilt und langsam in Schmalz ausgebacken

»Über ein Bresse­huhn würde ein Österreicher wahrscheinlich sagen, es sei zäh und schmecke nicht. Wir haben 90 Prozent Schlucker und nur zehn Prozent Beißer«, sagt Plachutta. »Die meis­ten wollen eben, dass das Fleisch auf der Zunge zergeht.« Zudem bedauert er, dass oft auch in der Spitzenküche das Dressieren, also das Binden und In-Form-Bringen, weit­gehend abhanden gekommen ist. Seine Art, ein Huhn zu braten, geht so: von allen Seiten anbraten, am Anfang eher rasant, dann im Backofen bei reduzierter Hitze garen, dabei öfter übergießen und wenden. »Ich brate nicht mit Umluft, sondern statisch, dann trocknet es nicht aus.«

Die Rezepte der Star-Köche

Coq au Vin von Paul Bocuse

Mieral-Huhn Purple Curry von Juan Amador

Steirisches Backhuhn von Gerhard Fuchs

Text von Jan Brinkmann
Aus Falstaff Nr. 06/2012 / Aus Falstaff Deutschland Nr. 04/2012