Pu-Erh-Tee: Der rotbraune Aufguss mit seinem erdig-würzigen Geschmack wird durch einen einzigartigen Fermentationsprozess gewonnen.

Pu-Erh-Tee: Der rotbraune Aufguss mit seinem erdig-würzigen Geschmack wird durch einen einzigartigen Fermentationsprozess gewonnen.
© Falstaff

Pu-Erh: Der Pinot Noir unter den Tees

Erdig-sanfte Noten machen den Genuss eines echten Pu-Erh-Tees aus. Dass er bisweilen für mehrere Hundert Euro gehandelt wird, hat aber auch viel mit seiner faszinierenden Geschichte und der Form des Anbaus zu tun.

Pu-Erh ist purer Luxus für Teeliebhaber. Sein reichhaltiger Geschmack ist einzigartig und seine Herstellung erfordert handwerkliche Präzision – nicht umsonst investieren Gourmets für einige Tee-Jahrgänge bereitwillig ein paar Hundert Euro. Die Faszination für diesen chinesischen Tee reicht bis ins erste Jahrtausend zurück. Aber was macht sie aus?

Der Ursprung

Pu-Erh erhielt seinen Namen von der gleichnamigen Stadt in der chinesischen Provinz Yunnan. Seit zwei Jahrtausenden wird hier Tee angebaut und produziert. Tees nach Pu-Erh-Art werden zwar auch in den Nachbarprovinzen und in den Grenzgebieten von Nordvietnam hergestellt, aber als »echter« Pu-Erh gilt nach wie vor nur jener, der in einem bestimmten Gebiet Yunnans produziert wird. Die Teeplantagen befinden sich in Höhenlagen von mehr als 1500 Metern und gedeihen in Yunnans feuchtwarmen Klima besonders gut.

Eine von Yunnans größten Teeplantagen befindet sich in den alten Wäldern des Jing-Mai-Mangjing-Gebiets. Einige Teebäume sind hier über tausend Jahre alt. Und je älter der Baum, desto wertvoller sind seine Blätter und der aus ihnen gewonnene Pu-Erh-Tee. »Bevor ich zum ersten Mal den Wald der Gushu-Bäume in Yunnan betrat, hielt ich Geschichten über Tee, der von tausend Jahre alten Bäumen stammt, für einen Werbetrick«, schreibt die Tee-Expertin Meng-Lin Chou in ihrem neuen Buch »Der Tee aus den Wäldern«. Sie betreibt in Zürich das Teegeschäft »Shui Tang« und ist dem Pu-Erh inzwischen leidenschaftlich verfallen. Auf ihren Reisen, erzählt sie, konnte sie sich selbst davon überzeugen, dass die Geschichten vom traditionsreichen Pu-Erh-Anbau kein Mythos sind.

Bereits im vermutlich ersten Tee-Fachbuch der Welt, das im Jahr 780 nach Christus veröffentlicht wurde, wird Pu-Erh als Tee beschrieben, der über allen anderen Sorten steht. Damals begannen die Yunnanesen, wie die Bürger der Provinz Yunnan genannt werden, ihren Tee in Ziegel- oder Kuchenform zu trocknen, um ihn leichter transportieren zu können – eine Pferdekarawane brauchte damals mitunter ein Jahr, um Tibet zu erreichen. Diese langen Transporte förderten auch eine einzigartige Eigenschaft des Tees zutage: Die zähen Blätter des Pu-Erh-Baumes gewannen mit der Zeit an Qualität, entwickelten einen komplexen Geschmack. Schließlich ließen die Chinesen ihre Tees mit Absicht altern, um deren Wert zu steigern. Und Yunnan wurde aufgrund des Handels mit Pu-Erh-Tee eine der wohlhabendsten Regionen des gesamten Reichs.

Die Zukunft des Pu-Erh

Der technische Fortschritt bei der Produktion und das steigende Einkommen in China haben die Preise für hochwertige Tees wie Pu-Erh in die Höhe getrieben. Gleichzeitig ist die Qualität des Tees durch den Klimawandel und industrielle Produktionsmethoden, die Quantität über Qualität stellen, zunehmend gefährdet. Umso wichtiger ist es, auf gewisse Gütekriterien beim Einkauf zu achten. »Die Wahl des Gartens, aus dem der Tee kommt, ist entscheidend«, sagt Sonja Klement vom Wiener Traditionsbetrieb »Demmers Teehaus«. »Die Pu-Erh-Blätter eines älteren Teebaumes eignen sich besser als jene aus einer Plantage.« Denn sie würden eine geschmackvollere Tasse ergeben. Außerdem sei die Produktion nachhaltiger: »Bei der traditionellen Anbauweise werden die Teebüsche gezielt von größeren Bäumen beschattet und der Boden durch kleinere Pflanzen bewachsen. Diese Anbauweise hat sich als besonders schonend für die Pflanzen herausgestellt. Sie wird deshalb heute noch ohne den Einsatz von Pestiziden praktiziert.« Ihre Kollegin Meng-Lin Chou ergänzt: »Aus Gründen der Nachhaltigkeit sollte der Tee aus der Frühlingsernte stammen, die natürlich etwas teurer und wertvoller ist.« Aus der Herbst- oder Sommerernte ist der Tee zwar günstiger, das fördere aber seine Überpflückung.

Pu-Erh gibt es in zwei Varianten: roh, bekannt als sheng, und »gekocht«, bekannt als shou. Alle Tees beginnen als sheng, wenn die grünen Teeblätter zum Welken ausgebreitet, gerollt und in der Sonne getrocknet werden. Das Shou-Verfahren wurde in den 1950er-Jahren erfunden, um den langen Reifeprozess in einem schnelleren Fermentationsprozess zu imitieren. Der Tee fermentiert in einer warmen, feuchten Umgebung bis zu einem Jahr lang. Die Aromen werden dadurch tiefer, zunehmend komplexer. Aber ob roh oder gekocht, Pu-Erh hat einen ausgeprägt herben und tanninhaltigen Charakter. Und so wie sich der Geschmack eines Weins im Laufe der Zeit entwickelt, verändern sich auch die Pu-Erh-Aromen, wenn der gepresste Tee und die nützlichen Pilze, die er beherbergt, weiter interagieren. Forscher haben 390 Pilze und 600 bakterielle Organismen in Pu-Erh feststellen können.

Traditionell fand die Reifung in Berghöhlen statt, heute passiert sie meist in Lagerhäusern, in denen Temperatur und Feuchtigkeit präzise kontrollierbar sind. Es kann bis zu 30 Jahre dauern, bis ein Pu-Erh-Tee als voll ausgereift gilt – obwohl einige Experten meinen, dass er nicht länger als 15 Jahre reifen sollte. Dann schmeckt er scharf, erdig und sanft zugleich, sein Geruch erinnert an Gartenerde oder einen herbstlichen Laubhaufen, oft mit gerösteten oder süßen Untertönen.

Vielfältiger Geschmack

Trotz seines spannenden, komplexen Geschmacks fristet der Luxustee hierzulande noch ein Nischendasein. Expertin Sonja Klement sieht dafür zwei Gründe: »Einerseits, weil der traditionelle Pu-Erh sehr hochpreisig ist und das Verständnis fehlt, warum er so teuer ist. Bei Rotwein ist uns sofort klar, dass aufgrund der händischen Ernte, aber auch der langen Lager- und Reifezeiten der Preis steigt. Allerdings wachsen wir auch mit Wein auf, wir kommen mit ihm an verschiedenen Orten in Berührung, wir wissen, wie er hergestellt wird.« Dieses Verständnis fehle für den Pu-Erh-Tee. »Tee hat bei uns leider immer noch nicht den Stellenwert, den er eigentlich verdient«, sagt Klement. »Dabei ist er ein Genussmittel, das den Gaumen verwöhnt und außerdem um einiges vielfältiger ist als Wein

Dazu kommt: Pu-Erh ist kein Neuankömmling im Westen. Vermutlich brachten ihn chinesische Einwanderer im späten 19. Jahrhundert nach Amerika. In den letzten Jahren scheint die Nachfrage nach Pu-Erh-Tee in den USA wieder zu steigen. Alice Cravens, Tee-Einkäuferin für gehobene Restaurants wie dem »Chez Panisse« in Berkeley, Kalifornien, sagt, dass Pu-Erh nicht nur mit chinesischem Essen harmoniert. Sie empfehle ihn Lokalen, die Holzofengerichte und Gegrilltes anbieten: »Rotweintrinker mögen die robusten Aromen und weinähnlichen Tannine dieser reichhaltigen und intensiven Tees.« »Pu-Erh-Tees weisen Aromen auf, die auch in Weinen wie Pinot Noir vorkommen: Erde, Waldboden, Pilze.« Pu-Erh ist aber auch bei Barkeepern beliebt, wie in Brooklyns »Marlow & Sons«. Der Hot Iced Tea besteht hier aus Pu-Erh, Orangenbitter, Whiskey und einer Himalaya-Langpfeffer-Infusion.

Die neue Popularität hat aber auch eine Kehrseite: Mit der Nachfrage nach Pu-Erh sind auch die Preise gestiegen. Vintage-Tees aus den 1960er-Jahren, bekannt als »Masterpiece Pu-Erh«, können Preise bis zu 5000 Euro pro Kuchen erzielen. Und: Nicht immer wird Pu-Erh als Genussmittel erworben. Viele schätzen die Teekuchen auch als Investition – sie kaufen, um ihn später gewinnbringend weiterzuverkaufen.

Ganz gleich aber, wie sehr die Preise steigen, die chinesischen Verbraucher scheinen durstiger denn je nach Pu-Erh zu sein. Und auch immer mehr Genießer im Westen tauchen in den Teegenuss ein, angezogen von der Mystik, dem Ritual, dem Prestige – aber vor allem dem Geschmack: jener nuancierten, erdigen Komplexität, die Pu-Erh von jedem anderen Tee unterscheidet.


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Hier bekommt man Pu-Erh

Vielfalt bei der Auswahl und erstklassige Beratung kennzeichnen Top-Teehändler.

Demmers Teehaus

Der Wiener Traditionsbetrieb hat seit vielen Jahren Pu-Erh-Tee zu moderaten Preisen im Angebot. Geschmack: Erdig, dezent süß und samtig.

Mehrere Filialen in Wien, auch online zu bestellen: tee.at

Shui Tang

Der Zürcher Teeladen führt gleich mehrere erstklassige Pu-Erh-Tees (auch online zu bestellen). Betreiberin Meng-Lin Chou hat dem Pu-Erh-Tee sogar ein Buch gewidmet: »Der Tee aus den Wäldern«, Edition Spuren (2022).

Spiegelgasse 26, CH-8001 Zürich

shuitang.ch

Tushita Teehaus

Verschiedene Pu-Erh-Tees in losen Blättern oder als Kuchen gibt es in dem Münchner Teeladen zu erwerben oder online zu bestellen.

Klenzestraße 53, D-80469 München

teehaus.tushita.eu


Julia Staller-Niederhammer
Autor
Deborah Parker Wong
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Von Rafaela Mörzinger