Meister des Savoir-vivre und Savoir-faire.

Meister des Savoir-vivre und Savoir-faire.
© Alexandra Pauli

Portrait: Karl-Friedrich Scheufele nimmt sich Zeit für Wein

Schon in jungen Jahren entdeckte Scheufele seine Leidenschaft für Wein. Mit dem Kauf des Château Monestier ­La Tour im Herzen von Bergerac erfüllte sich der Unternehmer einen Lebenstraum.

Schon von Berufes wegen weiß er den Wert der Zeit zu schätzen, vor allem den der Freizeit, die für einen Manager seines Kalibers stets knapp bemessen ist. Karl-Friedrich Scheufele lenkt gemeinsam mit Schwester Caroline das Uhren- und Schmuckimperium Chopard, das größte von einer Familie geführte Unternehmen dieser Art. Er ist als leidenschaft­­licher Hobbyrennfahrer mit feinen Oldtimern bekannt, legendär ist auch seine Weinkennerschaft, wobei der Wein von Château Haut-Brion bislang als sein Favorit galt. 
Bereits im Jahr 1996 eröffnete der damals junge Unternehmer eine feine Vinothek unter dem Namen »La Galerie des Arts du Vin« in Genf – bis heute wird dort mit den berühmten Grands Crus Classés aus Bordeaux gehandelt; bevorzugt werden alte Jahrgänge und große Formate. »Meine Leidenschaft für Wein hat wohl mein Großvater erweckt; er ließ mich schon in sehr jungen Jahren rote Burgunder mit verkosten.« Drei Jahre später wurde »Le Caveau de Bacchus«, ebenfalls in Genf, eröffnet; es folgten weitere Filialen in Gstaad und Gland. In seinen Vinotheken setzt Scheufele auf eine Topselektion von Weinen aus Bordeaux, Burgund und dem Rhônetal. Auch beste Weine aus Italien, ­Spanien und der Schweiz sind gut vertreten. Beraten wird man von exzellenten Experten, darunter einige Sommeliers des Jahres aus der Schweiz. Man ist, noblesse oblige, ebenso diskreter wie offizieller Repräsentant der weltweit gesuchten Weine der Domaine de ­la Romanée-Conti aus dem Burgund. Im privaten Keller schlägt das Pendel eher in Richtung Bordeaux. »Genau weiß ich es nicht, aber ich schätze mal, zwei Drittel meiner Weine werden aus der Gironde kommen.«
Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis Karl-Friedrich Scheufele auch über den Kauf eines Weinguts nachzudenken begann. »Da meiner Gattin Christine die Idee eines Rückzugsorts im Grünen gefiel, begannen wir, ­uns einfach ein bisschen umzuschauen. Gut erreichbar sollte das Objekt sein, da kamen verschiedene Regionen von der Toskana bis Bordeaux infrage. Fündig geworden sind wir schließlich in Bergerac an einem Platz zwischen Saint-Émilion und dem Périgord.« Geworden ist es ein Bilderbuch-Anwesen, eingebettet in die erhabene Ruhe ausstrahlende hügelige Grünlandschaft des Bergerac. 

Das Anwesen der Familie Scheufele: Château Monestier La Tour.
© Peter Moser
Das Anwesen der Familie Scheufele: Château Monestier La Tour.

Hochzeitserinnerung

Die Augen des Neo-Winzers beginnen zu strahlen, wenn er vor Ort erzählt, wie ihm der Zufall dieses Juwel in die Hände gespielt hat. »Es waren Freunde aus Holland, die wie wir in der Schweiz leben und deren Kinder mit unseren Töchtern reiten gehen. Die erzählten uns von einem holländischen Bekannten, der sich von einem Weingut in der Nähe von Bordeaux trennen wollte. Nachdem wir uns die Unterlagen angesehen hatten, kamen wir hierher, um die Sache mit eigenen Augen zu sehen. Der Charme dieses Ortes und die vorhandenen Möglichkeiten machten meiner Frau und mir die Entscheidung leicht. Vielleicht spielte auch die Tatsache, dass wir bereits vor Jahren zufällig auf unserer Hochzeitsreise hier waren, eine gewisse Rolle.« 
Seit dem Kauf vor fünf Jahren hat sich auf Château Monestier La Tour, das einst Wohnsitz der in Neuseeland geborenen Operndiva Kiri Te Kanawa war, einiges getan. Es wurde saniert, renoviert und gebaut, und zwar mit größtmöglichem Feingefühl für die Substanz und mit jener Liebe für das Detail, das ein Entwickler kompliziertester Uhrenkaliber wohl in den Genen haben muss. Neben dem Schloss, das als Refugium für die Familie dient, wurde eine Kellerei eingerichtet, die bestens ausgestattet und funktionell ist und nicht auf Repräsentation schielt. Der Grundbesitz ist mit 100 Hektar durchaus stattlich, es gibt einen See, weitläufige Wiesen und Wälder, rund 25 Hektar sind mit Reben bestockt. Im Weingarten setzt man auf Nachhaltigkeit und geht konsequent den biodynamischen Weg. Das Weingut ist offen für Besucher, die hier in einem eigens eingerichteten Raum – im Herbarium, aber auch in den Gärten selbst – die Welt der Kräuter und Natursubstanzen kennenlernen und mit allen Sinnen nachfühlen können. Sie sind für die biodynamische Bewirtschaftung im wahrsten Wortsinn grundlegend.
»Nicht wenige haben sich anfänglich gewun­dert, dass gerade wir in einem fast unbekannten Weingebiet wie Bergerac investiert haben. Vielleicht hätten wir uns auch ein berühmtes Weingut in einer sogenannten Paraderegion leisten können. Aber ich sehe Monestier La Tour eher als langfristige Investition für viele Generationen. Man muss eben etwas Besonderes daraus machen.« Wieder blitzen die Augen Scheufeles auf wie ein Versprechen, auf das man sich verlassen kann. Und da ist schon was dran. Die kalkreichen Lehmböden kann man mit jenen des nahen Saint-Émilion vergleichen; kein Wunder, dass hier auch die gleichen Rebsorten bestens gedeihen. Beim Rotwein dominiert Merlot, gefolgt von Cabernet Franc, dazu etwas Cabernet Sauvignon und Malbec. Bei den Weißweinen führt Sémillon vor Sauvignon Blanc; der Muscadelle-Anteil wird in Zukunft durch Ankauf geeigneter Weingärten steigen. Die Weine tragen die Appellationen Bergerac, Côtes de Bergerac und im Falle des Süßweins jene von Saussignac. 

Karl-Friedrich Scheufele mit seiner Frau Christine.
© Alexandra Pauli
Karl-Friedrich Scheufele mit seiner Frau Christine.

Vielversprechende Zukunft

Im Weingarten wie im Keller hat man einen prominenten Berater gefunden: Stéphane Derenoncourt und sein Consultant-Team sind Garant dafür, dass das ambitionierte Programm der Restrukturierung der Weingärten rasch Form annehmen wird. Teile der 25 Hektar wurden bereits neu ausgepflanzt, bei anderen wurde die Stockdichte intensiviert, das gesamte Rebsortiment neu evaluiert. Simon Blanchard, Derenoncourts Partner, der Weingüter von Spanien bis in die Ukraine betreut, ist vom Potenzial der Weine aus Bergerac voll überzeugt. »Dieses Gebiet stand immer im Schatten des nahen Bordeaux. Nichts spricht jedoch dagegen, dass wir hier in Zukunft ebenso gute Weine produzieren können. Die Herausforderung ist, dass wir mit Weißwein, Rosé, Rotwein und Süßwein in einem Weingut zu tun haben. Das gibt es in Bordeaux so gut wie nicht.«
Die Verkostung der aktuellen Einstiegsweine aus dem Jahr 2016 und 2015, die unter dem Namen »Cadran« angeboten werden, geben eine Idee vom Potenzial dieser Bergerac-Weine. Deutlich komplexer zeigt sich der rote Château Monestier La Tour, ein Côtes de Bergerac AC, der aktuell die Qualitätsspitze des Hauses bildet. Er zeigt eine feine Edelholzwürze von der Lagerung in neuen kleinen Eichenfässern, einen Hauch von Lakritze und Trockenkräutern, dunkles Waldbeerkonfit im Hintergrund. Am Gaumen saftig und elegant, ausgestattet mit frischen Herzkirschen und gut eingebauten Tanninen, gefällt dieser straffe, mineralische Rotwein mit einer zarten Nougatnote im Abgang. 

Facettenreiche Lagen

Dabei ist dieser Wein aus 2014 nur ein Vorbote dessen, was die Zukunft bringen wird, eine erste Ahnung der Möglichkeiten, die der Winemaker hier vorfindet. »Im Weinbau muss man einfach langfristig denken; dann kommen noch Komponenten wie das Global Warming dazu. Die Weichen in eine vielversprechende Zukunft sind auf Château La Monestier La Tour jetzt gestellt«, so Blanchard. Absehbar ist jedenfalls, dass eine Investition von jener Qualität und Intention, wie sie die Familie Scheufele hier gesetzt hat, dem Image der gesamten Region von Nutzen sein wird. 
Noch gilt Bergerac mit seinen dreizehn Unterzonen als eher unbeschriebenes Blatt. Vielen ist es am ehesten durch die Lektüre der Krimis von Martin Walker bekannt: Dessen Charakter »Bruno, Chef de Police« spricht den besten Tropfen der Region gern zu. Fachleute wissen, dass selbst die besten Rotweine heute erstaunlich preiswert sind; und mit wachsender Bekanntheit wird auch außerhalb Frankreichs die Nachfrage nach diesen facettenreichen Produkten weiter wachsen – Château Monestier La Tour wird dank des Engagements von Karl-Friedrich Scheufele seinen Teil zur Popularisierung der Weine aus Bergerac beitragen können. Sollten Sie bei Ihrem nächsten Paris-Besuch zufällig im legendären Luxushaus L’Hôtel de Vendôme absteigen, so wundern Sie sich nicht, wenn Sie eine Flasche von Château Monestier La Tour in der Minibar finden. Chopard hat das Fünf-Sterne-Haus im Herzen der Seine-Metropole im Jahr 2014 erworben. 

© Alexandra Pauli

Geheimtipp Bergerac

Das Weinbaugebiet Bergerac schließt östlich an die Bordeaux-Regionen am sogenannten »rechten Ufer« an und wird in seiner Mitte vom Fluss Dordogne durchquert. Nach einer guten halben Stunde Autofahrt von Saint-Émilion erreicht man dieses malerisch gelegene, von Wäldern durchsetzte Rebland im Südwesten Frankreichs. Rund 12.000 Hektar sind hier mit Weinstöcken bepflanzt und werden von 800 Winzerfamilien betreut; im milden Klima wächst ein vielfältiges Angebot heran. Bergerac verfügt über zehn kontrollierte Herkünfte wie Bergerac AC,  Pécharmant, Saussignac AC, Montravel AC, Rosette AC und das für Süßweine legendäre Monbazillac AC – wie die beispielhafte Cuvée Madame von Château Tirecul La Gravière. Dazu gesellen sich die roten oder süßen Weine der Côtes de Bergerac und die süßen Côtes de Montravel. Bei den Weißweinen spielt der Sauvignon Blanc die dominierende Rolle, in Rot dominiert der Merlot vor Cabernet Sauvignon, und beim Süßwein hat Sémillon den Hauptanteil.
www.vins-bergeracduras.fr

Château Monestier La Tour

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2018

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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