In der »D-bar« des »The Ritz-Carlton, Vienna« bieten Bar-Managerin Katharina Schwaller und ihr Team auch Drinks aus der »Savoury«-Ecke

In der »D-bar« des »The Ritz-Carlton, Vienna« bieten Bar-Managerin Katharina Schwaller und ihr Team auch Drinks aus der »Savoury«-Ecke
© Marko Zlouma Zlousic

Pikante Barszene: Gewürz-Cocktails im Trend

Wer beim Thema Gewürze im Cocktail nur an Zimt oder Muskat denkt, hat noch nie Bekanntschaft mit der neuen, pikanten Barwelt gemacht. Vom Gimlet bis zum Highball lautet das Prädikat derzeit: »Very spicy!«

Es gibt einen einfachen Test für die Qualität von Bars: Steht auch ein Drink der Kategorie »Savoury« auf der Karte, dann ist der Hausherr vermutlich ein Kenner der Cocktailgeschichte. Denn die mit »herzhaft«, »salzig« oder »pikant« übersetzte Geschmacksrichtung führt meist ein Schattendasein. Das könnte gut daran liegen, dass man sie früher gemeinhin als Katergetränk oder corpse reviverLeichenerwecker«) serviert hat. Und wer gibt schon gern zu, dass er es am Vortag übertrieben hat?

Intensität zählt

Geblieben ist davon auf den Cocktail-Menüs allenfalls die »Bloody Mary«. Sie entstand 1934 in der »King Cole Bar« des New Yorker »St. Regis Hotel«, dessen Barchef Fernand Petiot als Erfinder genannt wird, wobei es gewürzten Tomatensaft – mit Pfeffer, Kren oder Austernwasser – bereits im 19. Jahrhundert als Cocktailzutat gab. Dem ikonischen Status des Drinks tat das keinen Abbruch: Bis heute serviert jedes »St. Regis« weltweit seine eigene, mit lokalen Zutaten abgewandelte »Mary«. Wobei selbst der Name Teil der Legende ist. Der Milliardärsfamilie Astor als seinerzeitigem Eigentümer des Hotels war die Bezeichnung zu vulgär – bis heute steht die »Bloody Mary« dort als »Red Snapper« auf der Karte – ein Drink, der überall sonst auf der Welt allerdings eine »Mary« mit Gin statt Wodka bezeichnet. Aber wer möchte sich schon mit Milliardären anlegen…

Die originale »blutige Maria« ist insofern die Mutter aller Gewürzdrinks, weil im historischen Original ein komplexer Spice-Mix-Cocktail vorbereitet wird, den man dann mit Wodka und Eis vervollständigt: 150 Milliliter (!) Worcestershire-Sauce, drei Milliliter Tabasco-Sauce, 7 ¾ Liter Tomatensaft, 30 Gramm gemahlener schwarzer Pfeffer, 15 Gramm Selleriesalz, 30 Gramm Cayenne-Pfeffer und 30 Gramm ganze schwarze Pfefferkörner treffen auf den Saft von drei Zitronen

Varianten und Trends

Ein Fan solch intensiver Würzung ist auch Kan Zuo von der Wiener »Sign Lounge«, etwa bei seinem »Bloody Caesar« mit Clamato, dem in Nordamerika beliebten Mix aus Austernwasser und Tomatensaft. Aktuell ist es aber Umami, die herzhafte asiatische Note von Sojasauce oder Miso, die bei ihm in den Shaker kommt. Sogar einen eigenen Gin hat er kreiert, um noch mehr Würze in die Drinks, etwa in seine Version des klassischen »Hanky Panky«, zu bringen: Maggikraut, Currykraut und Safran kommen neben Steinpilzen zum Einsatz. »Wir bezeichnen den Shadow Play Umami Gin als Islay-Whisky der Gin-Kategorie«, spielt Zuo auf rauchig-würzige Single Malts an. 

Einen echten Schub hat den »gewürzten Gläsern« aber jüngst der Trend zu leichteren – mit Fillern wie Soda, Tonic oder Limonaden aufgegossenen – Highballs beschert. »Kaffir gewinnt!« nennt sich etwa jener Drink, der ab der Eröffnung der neuen Wiener »Kalamansi«-Bar von Kevin Koster zum Bestseller aufstieg. Neben dem witzigen Namen liegt das auch am Zusammenspiel aus der Süße vom erdigen Muscovado-Zucker, den fruchtigen Mango-Noten und der unerwarteten Säure der sauersten Zitrusfrucht der Welt, der namensgebenden Kalamansi. Die Kaffir-Limettenblätter, die man als Gewürz der Thai-Küche kennt, verbinden mit zitrischen, aber süßeren Aromen diese Komponenten. Oder, wie es der Hausherr in der Hirschengasse formuliert: »Einfach, geschmacklich vielfältig und leicht aufputschend.« Denn aufgegossen wird mit koffeinhaltigem Mate-Eistee.

Punsch-Alternativen

Gerne greift man an der Bar aber auch zu Gewürzen, wenn es keine frischen Kräuter mehr gibt. Winterlich-wärmende Getränke wie der »Egg Nogg« oder »Bishop« wurden von jeher mit Muskatnuss oder Zimt versehen. Ähnlich intensiv wirkt auch Kardamom, mit dem im Innsbrucker »Dunlin« gearbeitet wird. Barchef Kostas Karvounis sieht die scharfen Kapseln persönlich als eines der »Königsgewürze« an, warnt aber für die Hausbar vor: »Man muss sehr auf die Dosierung achten.« Dementsprechend bereitet er auch einen Cordial für seinen Gimlet zu – in der flüssigen Zutat lässt sich die Intensität von Ingwer und Kardamom nachkorrigieren. Und mit Honig und Orange als Abrundung des »Golden Sip Gimlet« kann der nächste Winter kommen. Es muss ja nicht immer Punsch sein, wie man sieht…


Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2020

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Roland Graf
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