Pfalz, erste Klasse

In der Pfalz hat der Verband VDP die »Erste Lage« als Analogie zum »Premier Cru« eingeführt. Falstaff testete, ob die Weine den Anspruch erfüllen. Und: Wie schlagen sich Nicht-VDP-Winzer in denselben Lagen?

Peter Stolleis bückt sich und liest ein paar Kalksteine auf. Er steht am Rand der Lage Gimmeldinger Biengarten – an einer Stelle, wo das Muttergestein des Bodens zutage tritt. Nachdem Stolleis die Steine in der Hand hin- und hergewendet und betrachtet hat, wirft er sie zurück auf die Erde. »Der Biengarten ist seines Kalkbodens wegen hoch angesehen. Meiner Meinung nach ist das Mikroklima eines Weinbergs aber noch wichtiger als der Bo­den.« Stolleis ist die vierte Generation einer Familie, die sich schon 1863 in Mußbach an der Mittelhaardt niederließ, um Weinbau zu betreiben. Über die Eigenschaften der Weinbergslagen hier am Fuße des Pfälzer Walds wird man ihm kaum etwas Neues er­zählen können – er kennt die Gegend wie seine Westentasche. Doch ob man eine Klassifikation benötigt, wie sie der Verband der Prädikatsweingüter im letzten Jahrzehnt für seine Mitglieder erstellt hat? Stolleis ist kein Mitglied des VDP. Er zuckt mit den Achseln: »Für meinen Betrieb spielt das keine Rolle.«

Im Falstaff-Test war der Winzer mit dem Wein einer anderen Lage erfolgreich. Auch die Reben dort, in der Haardter Lage Herzog, zeigt Stolleis gerne: An einem leichten Hang gelegen, wachsen sie auf sandigem Lehm. Gemäß VDP ist der Herzog ebenso wie der Biengarten als »Erste Lage« eingestuft, also auf der zweithöchsten von vier Klassifikationsstufen: tiefer als die »Großen Lagen«, aber über den Lagen für Ortswein. Die neue Klassifikation – seit dem Jahrgang 2012 in Kraft – hat für Diskussionen gesorgt. Zunächst im VDP selbst, wo manche Landesverbände das vierstufige, an der qualitativen Schichtung Burgunds orientierte Konzept verworfen haben: An Mosel und Nahe etwa gibt es nur drei Stufen: Wein aus »Großer Lage«, Ortswein, Gutswein. So blickt die Weinwelt nun gespannt auf die Pfalz, wo die »Erste Lage« als vierte Stufe auf besonders große Akzeptanz stieß. Für den Weinliebhaber ist vor allem die Mittelhaardt ein spannendes Testgelände, denn hier liegen VDP-Betriebe und Nicht-VDP-Betriebe dicht bei­einander und teilen sich dieselben Lagen.     

Eine Pfälzer Côte D’or
Und auch die Naturgegebenheiten sind ideal für eine Nagelprobe. Denn im Relief der Landschaft und in der Struktur der Weinbergslagen gibt es augenfällige Ähnlichkeiten zwischen der Mittelhaardt und dem Filetstück Burgunds, der Côte d’Or. Beide Gebiete werden im Westen durch einen Höhenzug mit einer Abbruchkante begrenzt: Die Zone, in der die Weinberge liegen, ist durch flache Hänge gekennzeichnet, nicht durch Steillagen. Die Mittelhaardt besitzt wie die Côte d’Or ihre schlichtesten, von Schwemmland gekennzeichneten Lagen östlich im Flachen, während die geologisch wie kleinklimatisch wertvollsten Weinberge in der Hangmitte zu finden sind. Idealtypische »Premiers Crus« oder »Erste Lagen« liegen in direkter Nachbarschaft der »Großen Lagen«, oft aber in etwas kühlerem Kleinklima höher am Hang – man denke an den legendären Cros Parantoux in Vosne-Romanée, der oberhalb des Grand Cru Richebourg liegt.

Einen seelenverwandten Weinberg nennt auch Sabine Mosbacher-Düringer ihr Eigen, und im Falstaff-Test landete der 13er aus dieser Lage ganz vorne: »Der Forster Musenhang ist eine meiner Lieblingslagen, der liegt schon fast am Wald oben. Der oberste Streifen bekommt am Nachmittag früher Schatten als die anderen Forster Lagen, daher ist er etwas kühler. Dazu kommt dann noch ein Kalkriff im Boden.« Mit seinen Zitrus-Aromen und seinem »kühlen«, nervigen Schliff ist Mosbachers Musenhang archetypisch für einen Premier Cru: weniger komplett als ein Grand Cru, aber in seiner Betonung einzelner Eigenschaften stilistisch ebenso interessant. Ähnliches ließe sich auch vom Ruppertsberger Reiterpfad des Weinguts von Winning sagen: »Die pure Eleganz«, so Stephan Attmann. »Und die sonst oft zu trockene Lage hat vom regenreichen Jahr 2013 profitiert.«

Es geht auch ohne Adler
In Bad Dürkheim freut sich Thomas Hensel, dass gleich zwei seiner Weine beim Falstaff-Test vorne mit dabei sind. Wie Peter Stolleis ist auch Hensel kein VDP-Mitglied. »Es geht auch ohne Adler«, lacht der Winzer. Hensels Verkaufsleiter Patrick Dachnowski fügt an: »Manchmal fragen Kunden schon, warum wir nicht im VDP sind. Aber die Leute kennen auch unsere eigenen Begriffe gut, wie ›Höhenflug‹.« Einen neugierigen Blick wirft Hensel dann aber doch auf die VDP-Karte, in der mit den Lagen Spielberg und Hochbenn zwei Flächen als »Erste Lagen« eingefärbt sind, in denen auch er Weinberge besitzt.

So ganz bis ins letzte Detail lässt sich die Analogie der VDP-Klassifikation zum Vorbild Burgund dann eben doch nicht treiben. Denn im Burgund waren es nicht die Winzer selbst, die die Hierarchie der Lagen schufen, sondern der Staat, und zwar auf der Grundlage von Listen und Publikationen, die schon lange zuvor unter Fachleuten anerkannt waren. Daher ist im Burgund ein guter Weinberg Premier oder Grand Cru, unabhängig davon, welchem Verband ein Winzer angehört. Wäre das nicht auch hierzulande sinnvoll?

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Text von Ulrich Sautter

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