© Richard Haughton

Pasteten: Renaissance im Teigmantel

Lange galten sie als altbacken und öde, nun aber feiern sie ein fulminantes Comeback: Von Paris bis Tokio backen Spitzenköche und Charcuterie-Meister wieder prächtige Pasteten und Terrinen. Zurecht: sie vereinen nämlich gleich drei Künste in einem.

Das Burgund mag vor allem für seine Winzer weltberühmt sein, seine Fleischer haben es aber mindestens ebenso drauf: Wer durch Beaune oder Lyon spaziert, kommt an unzähligen Läden mit prächtigen Vitrinen vorbei: Zart glänzende Kuppeln von Jambon Persillé, wabernde Schweinsfüße in Aspik, üppig rustikale Pâtés de Campagne oder goldgelb gebackene Pâtés en Croûte stehen da wie Geschmeide in einer Juweliersvitrine. Manche sind noch ganz, andere schon angeschnitten, sodass die Kunden grüne Pistazien, bernsteinfarbenes Aspik, weiße Haselnüsse oder rosa Gänseleber leuchten sehen. Neben Schwein und Kalb werden stets auch saisonale Delikatessen wie Wildhase und Fasan verarbeitet.

Außerhalb solcher traditioneller Hochburgen hat es die Pastetenkunst allerdings in den vergangenen Jahrzehnten schwer gehabt. Pâtés und Terrinen galten als altmodisch, zu fett und schwer. So out waren sie, dass fast alle schon vergessen hatten, wie großartig sie sein können. Aber nur fast. Seit Kurzem erlebt die Welt nämlich eine glückliche Pasteten-Renaissance.

In ihrem Heimatland Frankreich gründen junge, talentierte Menschen derzeit nicht nur Start-ups, sondern auch wieder Pasteten-manufakturen, vor den erfolgreichen, etwa dem »Lastre sans Apostrophe« in Paris, stehen die Kunden regelmäßig Schlange. Alte Hasen wie das berühmte Pariser Charcuterie-Unternehmen »Maison Vérot« freuen sich plötzlich wieder über wachsende Umsätze und Tausende Instagram-Follower, die ihre prächtigen Kreationen bewundern. Und gleich über der Grenze, in Belgien, ist Karen Torosyan vom Restaurant »Bozar« vor allem dank seiner Pâté en Croûte zum Starkoch avanciert. So gut ist sie, dass der Gault Millau bei seiner jährlichen Preisverleihung eigens die Kategorie »Artisan of the Year« eingeführt hat, um ihn auszuzeichnen.

Der Pasteten-Boom ist bei Weitem nicht nur auf ihr traditionelles Kernland beschränkt: In London hat mit »The Pie Room« ein höchst edler Shop eröffnet, der ganz dem Meat Pie, dem englischen Cousin der Pastete, huldigt. Und bei Isetan in Tokio, dem wahrscheinlich tollsten Shoppingtempel der Welt, liegen neben Sushi, Sashimi und Kobe-Rind in den Vitrinen auch prächtige Fleischkuchen, groß wie Wagenräder, kunstvolle, wie Perlmutt schimmernde Sulzen oder zierlich gebackene Pâtés. So begeistert sind die perfektionistischen Japaner von der Pastetenkunst, dass bei der letzten Pâté-en-Croûte-Weltmeisterschaft (natürlich ausgetragen in Frankreich) die drei ersten Plätze an Japaner gingen.

Wer einmal eine gute Pastete gekostet hat, versteht, warum sie Menschen begeistert: Sie verbindet das Beste aus vielen Welten. Die berühmte Pâté en Croûte, die Pastete im Teigmantel (und Königsklasse des Gewerbes), vereinigt gleich drei Künste, jene des Fleisches, des Kochs und des Bäckers in ihrem köstlich-prächtigen Laib. Aber auch weniger aufwendige Charcuterie-Produkte haben ihren zeitgemäßen Reiz: In ihnen wird auf wunderbare Weise Fleisch jenseits des Filets geadelt, eine perfekte Umsetzung der nachhaltigen Nose-to-Tail-Idee; sie erfordern jede Menge Können und Handarbeit und setzen sich damit wohltuend von Supermarkt-Convenience-Produkten ab. Und sie sehen einfach umwerfend gut (heute noch wichtiger: instagrammable) aus.

Pasteten und Terrinen sind wohl fast so alt wie das Fleischergewerbe selbst: In der Antike wurde Fleisch in Tontöpfen gekocht und mit Fett bedeckt, im Mittelalter kam die Praxis auf, es auch im Brot zu backen (das damals allerdings nicht mitgegessen wurde). Was jahrhundertelang vor allem der Konservierung diente, entwickelte sich dann in der französischen Hochküche zu einem eigenen, köstlich-prächtigen Genre und verbreitete sich mit ihr um die Welt. Erst in den 1980er- Jahren verschwanden Pasteten und Terrinen heimlich, still und leise aus unserem Leben, gemeinsam mit dem Buffet, ihrem natürlichen Lebensraum, das ebenfalls stark an Popularität eingebüßt hat.

Eine gute Pastete vereint gleich drei Künste in sich, jene des Bäckermeisters, des Kochs und des Fleischers.

Mittlerweile tut sich auch in Österreich langsam wieder etwas in Sachen Pastete: Traditionelle Hersteller wie Hink freuen sich über steigenden Absatz, motivierte Fleischer wie Franz Dormayer experimentieren mit Pasteten im Töpfchen, und Top-Koch und Feinkostbetreiber Alexander Mayer stellt Jambon Persillé, eine klassisch burgundische Sulz, in die Auslage. Im Westen ist das Angebot, wohl auch wegen der Nähe zu Frankreich, traditionell besser als im Osten des Landes. Trotzdem ist der Trend bei uns noch nicht ganz so angekommen. Wer nicht bis ins Burgund fahren, sondern sich bis dahin selbst an der schönen Kunst des Pastetenmachens versuchen will: Im Kasten rechts erklären wir Ihnen wie.

How to Pâté en Croûte

Die Pâté en Croûte, die im Teigmantel gebackene Pastete, gilt als die Königsklasse der Charcuteriekunst, ihr ist daher in Frankreich seit 2009 auch eine eigene Weltmeisterschaft gewidmet. Wir erklären hier beispielhaft, wie sie entsteht.


Kleines Charcuterie-Einmaleins

Charcuterie bedeutet auf Französisch so viel wie »gekochtes Fleisch« und ist ein Oberbegriff für viele verschiedene Köstlichkeiten. Wir erklären hier einige der wichtigsten Begriffe.


Erschienen in
Falstaff Rezepte 04/2019

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Tobias Müller
Autor
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