Montblanc: Ein Stück für neue Meister

Der Produzent weltberühmter Füllfedern schreibt sich auch in den Club der Hersteller von Luxusuhren und Schmuck ein.

Er ist der Inbegriff für die Macht des handgeschriebenen Wortes: der Füllfederhalter Montblanc Meisterstück 149. Groß, schwarz, eindrucksvoll. Wenn Staatsmänner mit einem Federstrich Verträge besiegeln, die den Lauf der Welt verändern, greifen sie zu einem Meisterstück. Auch wenn Manager Millionen bewegen, bringt ein Montblanc die Zahlungen ins Rollen. An der Wall Street wird der Füller deshalb ehrfurchtsvoll »Power Pen« genannt. Die Broker wissen schon, warum. Diebe offensichtlich auch: Dem ehemaligen deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher wurde sein Meisterstück, mit dem er die Maastricht-Verträge unterzeichnet hatte – Gravur: Maastricht 7-2-1992 –, gestohlen.

Bescheidener Beginn einer Luxusmarke
Die schwarze Füllfeder ist aber auch jenes Stück, das den Ruf der Marke Montblanc

Montblanc-CEO Lutz Bethgeals Manufaktur für Luxusprodukte begründet hat. Seit über 100 Jahren kommt der schwarze Montblanc-Füller aus den Produktionsstätten in Hamburg. Er ist alles andere als Massen­ware, sondern ein mit Liebe zum Detail hergestelltes Edelstück. Eine wechselvolle Geschichte hat die Fertigung der Füllfederhalter begleitet. Heute gehört das einstige Familienunternehmen zur Richemont-Gruppe. Der weltweit zweitgrößte Anbieter von Luxusmarken (z. B. Baume & Mercier, Jaeger-LeCoultre, Cartier, Lange & Söhne) erzielte im Geschäftsjahr 2011 bei einem Umsatz von 6,9 Milliarden Euro einen Gewinn von 1,3 Milliarden Euro.Der Beginn von Montblanc war deutlich ­bescheidener. Der Schreibwarenhändler Claus-Johannes Voss und der Bankier Alfred Nehemias aus Hamburg sowie der Berliner Ingenieur August Eberstein entschlossen sich 1906, in die Produktion und den Handel mit Füllfedern ­einzusteigen. Bei einer Reise in die USA hatten sie erste Füller gesehen, die mit einem Tinten­behälter ausgestattet waren. Dieses noch un­ausgereifte Patent wollten sie in Deutschland perfek­tionieren. Sie gründeten in Berlin das ­später Simplo Filler Pen Company benannte Unternehmen, das 1908 nach Hamburg umzog. 1910 kam der erste Füllfederhalter unter dem eingetragenen Markennamen Montblanc auf den Markt. Er hatte noch einen ganz runden, weißen Kappenkopf. Eine einfache weiße ­Kappe konnte jedoch markenrechtlich nicht ­geschützt werden. Und so entstand der legendäre Montblanc-Stern, ein Symbol für den schnee­bedeckten ­Gipfel des französisch-­italienischen Berges mit seinen sechs Tälern.Die (Wieder-)Geburt der »Kunst des Schreibens«Ab 1924 wurde die höchstwertige Produkt­linie als sogenanntes Meisterstück vermarktet. Doch dies war noch nicht die Geburtsstunde des Füllers, der heute den Namen Meis­terstück trägt. Es war damit auch noch nicht eine spe­zielle Designform gemeint, sondern höchste handwerkliche Qualität. So wird die Feder heute noch aus einem Stück Gold gestanzt, gewalzt, geprägt, mit einem Platinband versehen, poliert, die eingeschnittene Spitze mit einem Punkt aus Iridium geschützt, damit sich das Gold nicht abschabt, und zuletzt von Hand so ­lange eingeschrieben, bis sie weich und sanft wie ein Flügelschlag über das Papier gleitet. Schon seit jeher hat man bei Montblanc viel Gefühl für feine Details gezeigt: Um die Verbindung der Marke zum Bergmassiv noch zu verstärken, wurde die Höhe des Mont Blanc, 4810 Meter, in jede Feder eingraviert. Im Jahr 1952 kam letztendlich der heute als Stilikone für perfektes zeitloses Design bewunderte Füllfederhalter Meisterstück 149 auf den Markt.Die Montblanc-Writers-Edition: Für Sammler fertigt Montblanc jedes Jahr neue Modelle mit den Namen großer Schriftsteller und Schriftstellerinnen an Die Montblanc-Writers-EditionMontblanc zeigte in seiner Entwicklung der Handwerkskunst stets Konsequenz. Dies ­bewahrte das Unternehmen jedoch nicht vor ­gro­ßen Veränderungen: 1977 stieg die Alfred Dunhill Ltd. bei Montblanc ein, und 1993 übernahm die Vendôme Luxury Group wiederum Dunhill. Aus dieser Verbindung entstand später Richemont, der weltweit zweitgrößte Anbieter von Luxusmarken. In dieser wechselhaften Zeit übernahm Norbert Platt 1987 die Federführung bei Montblanc. Und nun begann das zweite ­Leben von Montblanc. Zuerst wurde mit Billigprodukten Schluss gemacht. Kein Füller unter 150 Euro, lautete das Motto. Der Füllfederhersteller kreierte den Spruch »Montblanc – die Kunst des Schreibens« und läutete damit in den Achtzigerjahren die Wiedergeburt des Füllfederhalters ein. »Füllfedern wurden immer mehr zu Kunst- und Sammlerstücken«, erklärt ­Mont­blanc-Öster­reich-Geschäftsführer Thomas ­Mönnich. »Anfang der Neunzigerjahre lancierte Mont­blanc ­zu Ehren von herausragenden Kunstmäzenen die limitierte Patron-of-the-Art-Edition. Das erste Stück dieser Serie war Lorenzo di Medici gewidmet. Und die Modelle Marcel Proust, Agatha Christie und Hemingway der Writers Edition sind bei Sammlern weltweit begehr­te Meisterwerke feinster Handwerkskunst.«Mehr als nur edle FüllfedernDoch der große Erfolg der exklusiven Füll­federn der Marke Montblanc sollte noch ausgebaut werden. Warum nicht neben Füllern auch noch andere, dazu passende Produkte unter dem Logo mit dem weißen Stern entwickeln? Und so wurden exklusive Herrenaktentaschen und andere Lederwaren hergestellt. Die Produkte ­kamen an. Also nahm man auch Accessoires wie Manschettenknöpfe ins Montblanc-Programm auf. Auch das ging gut. Dann aber war die Zeit gekommen, da sich Montblanc entschloss, mit der Fertigung von Uhren zu beginnen. Nun ist der Verkauf von Lederwaren und kleinen Schmuck­accessoires eine Sache. Der Einstieg in die Welt der großen Luxusuhren mit raf­fi­niertesten Komplikationen, frei liegenden ­Mechaniken in skelettierten Gehäusen, ­guillochierten Ziffernblättern und Markennamen, die seit Jahrzehnten für höchste Handwerkskunst ihrer Uhrmacher stehen, aber eine gänzlich andere. Doch auch dieses unternehmerische Wagnis ging gut.Montblanc war klug genug, sich für diesen Schritt mit Experten zu verbinden. Die tradi­tionsreiche Uhrenmanufaktur Minerva wurde übernommen. Und durch deren Höchste Uhrmacherkunst: die Nicolas Rieussecreiches Know-how konnte ein eigenes Chronografenkaliber entwickelt werden – ein wesentlicher Erfolg, denn bei den teuersten Luxusuhren zählen nur diese Werke. Montblanc nannte seinen Chrono »Nicolas Rieussec«. Das Außergewöhnliche an der Uhr ist die Darstellung der Stoppzeiten auf einer Scheibe statt mit Zeigern. Die Erfindung geht eben auf Nicolas Rieussec zurück, der vom französischen König Louis-Philippe den Auftrag bekommen hatte, ein Werk zu erfinden, mit dem bei Pferderennen die genaue Zeit für mehrere einzelne Pferde ermittelt werden konnte. Und so erfand Rieussec den Zeitschreiber – den Chronografen. Auf einer rotierenden Scheibe wurde per Knopfdruck mit Tinte die Laufzeit der Pferde aufgezeichnet. Mit dem neuen Kaliber katapultierte sich Montblanc schlag­artig in die vorderste Reihe der Luxusuhren­hersteller. »Mit der Nicolas Rieussec hat sich Montblanc in der Riege der Luxusuhrenhersteller absolut etabliert«, bestätigt der renommierte Linzer Juwelier Michael Mayrhofer. Auch Andrea Daum-Hübner vom Wiener Uhrmachermeister Hübner meint: »Wir waren von der Nicolas Rieussec sofort begeistert. Mit dieser einzigartigen Entwicklung konnte uns Montblanc sofort überzeugen.«Ein weiteres Meisterstück der Uhrmacherkunst hat Montblanc mit seiner Uhr Meta­morphosis geliefert. Das aus 567 Einzelteilen be­stehende Chronografenkaliber ist Die Metamorphosis ist mit 567 Einzelteilen eine der kompliziertesten Uhren der Welteiner der kompliziertesten Zeitmesser, die es gibt. Mit geschlossenem Ziffernblatt präsentiert sich die Metamor­phosis als schlichte Uhr. Betätigt man einen Schieber, öffnet sich das Ziffernblatt, und der darunter­liegende Chronograf hebt sich an die Oberfläche. Mit der Nicolas Rieussec und der Metamorphosis hat Montblanc seine Wand­lung vom reinen Hersteller von Füllfedern zu einem Produzenten von Luxusartikeln und zu einer in der Welt der Sammler und Experten ­anerkannten Uhrenmanufaktur vollzogen. So wurde das Meisterstück zur Basis für Meisterwerke in anderen Bereichen. Doch das Unternehmen denkt noch weiter: Nach Luxusuhren will Montblanc jetzt seinen Namen auch auf edelsten Juwelen stehen sehen. Montblanc-Boss Lutz Bethge erklärt das so: »Das 20. Jahrhundert war für Montblanc das Jahrhundert der Schreibgeräte, das 21. Jahr­­hun­dert wird das der Uhren und des Schmucks.«Mit eigenen Schmuckkollektionen möchte Montblanc auch die Damenwelt erobernMit eigenen Schmuckkollektionen möchte Montblanc auch die Damenwelt erobernText von Thomas MartinekAus Falstaff Nr. 03/2012

Thomas Martinek
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