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Moët Hennessy verzichtet ab 2021 auf Herbizide

Der vor zwei Jahren angetretene CEO Philippe Schaus drückt beim Umbau der LVMH-Weinsparte aufs Gaspedal.

Auf der erstmals in Paris stattfindenden Messe Vinexpo lädt Moët Hennessy zu einem dreitägigen Austausch mit Speakern aus aller Welt zum Thema Nachhaltigkeit. Gleich zu Beginn sorgte eine beiläufige Bemerkung in der Eröffnungsrede von CEO Philipp Schaus für die Nachricht des Tages, und wer weiß, vielleicht sogar die Nachricht der Messe. In einem Nebensatz kündigte der CEO der LVMH-Wein- und Spirituosensparte an, dass alle Champagnermarken im Portfolio (Moët & Chandon, Dom Pérignon, Veuve Clicquot, Mercier, Ruinart, Krug) ab Ende 2020 in ihren eigenen Weinbergen auf den Einsatz von Herbiziden verzichten werden. Wie Schaus die Nachricht nahezu beiläufig einstreute, erinnerte etwas an den lakonischen Tonfall, in dem einst Steve Jobs »one more thing« anzukündigen pflegte.

Der Schritt hat Tragweite. Gewiss, andere Champagnerhäuser haben deutlich früher und vollständig auf Bio-Bewirtschaftung umgestellt. Doch durch die Marktmacht von LVMH sind Entscheidungen des Konzerns ein Fingerzeig für die Champagne als ganzes. Ein Viertel der gesamten Champagner-Produktion von jährlich 300 Millionen Flaschen läuft durch die Keller der LVMH-Marken. Die von Moët und Schwesterbetrieben selbst bewirtschafteten Weinberge umfassen 1600 Hektar. Auch die Weinberge der nahezu 3000 Traubenlieferanten sollen dem Herbizid-Verzicht folgen, allerdings, so sagt Schaus, »peu-à-peu«, bis zum Jahr 2025 möchte der Champagnerverband CIVC das ganze Gebiet herbizidfrei sehen. Dabei stehen beim Ersatz von Glyphosat und anderer chemischer Unkrautvernichter neue technische Hilfsmittel zur Verfügung: Moët & Chandon hatte auf seinem Pariser Messestand auch einen autonom fahrenden Leichtbau-Traktor dabei, der durch Schwenkarme so zwischen den Stöcken pflügen kann, dass Gras und Unkraut ausgerissen werden, ohne dass das Holz Schaden erleidet.

Innovatives Standkonzept

Dass es dem Unternehmen Ernst ist mit Veränderungen, war schon an der Gestaltung des Messestands abzulesen. Gebaut aus Kork (vom Kork-Giganten Amorim) und Holz (vom Fassbauer Taransaud), wird der Moët & Chandon-Stand nach der Messe komplett recycliert werden. In Form einer »Agora« angeordnet (und so betitelt), bildeten mehrere Kreise von schmucklosen Holzbänken das Zentrum des Stands. Im innersten Kreis nahmen alle 45 Minuten andere Experten und ein Moderator Platz. Diskutiert wurden in diesen Sitzungen Themen wie die Bewahrung lebendiger Böden, Biodiversität, oder ein wassersparendes Regime im Weinbau. Wie auf einem antiken Marktplatz konnten Passanten und Gäste mit den Experten interagieren. »Wir brauchen ein Forum, auf dem wir mit der gesamten Industrie diskutieren können, auch mit Mitbewerbern«, so Philippe Schaus, »denn darauf zu hoffen, dass man irgendwo einen Wissensvorsprung bewahren kann, ist nutzlos, wir müssen ohnehin alle schnell sein bei der Umsetzung.«

Bei den Diskussionen erfuhr man auch interessante Fakten aus der Wissenschaft, etwa, dass vor der holländischen und deutschen Nordseeküste früher einmal ein 300 Kilometer langes Austernriff lag, das offenbar durch Umwelteinflüsse verschwunden ist. Auch in Schottland sind die Austernbänke rar geworden, weshalb die LVMH-Whiskeymarke Glenmorangie Meeresbiologen bei der Wiederansiedelung von Austern unterstützt. Die Umweltwissenschaftlerin Professor Angel Hsu von der Yale University Singapore wiederum berichtete sehr aktuell, dass nach neusten Zahlen die weltweiten Emissionen von Treibhausgasen in 2019 wieder gestiegen seien und das Fenster, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, immer kleiner werde.

Der Zulauf zu den Veranstaltungen und die regen Wortmeldungen von Gästen belegen, dass das Moët’sche Messekonzept einen Nerv getroffen hat. »Wir dürften hier auf der Messe der einzige Stand sein, auf dem keine Verkaufsgespräche stattfinden«, so Philippe Schaus mit sichtlicher Genugtuung im Gespräch mit Falstaff.

Das ist natürlich auch ein Stück weit Inszenierung. Doch dies aus einer Haltung heraus, die die Augen vor den Problemen des Planeten nicht nur nicht verschließt, sondern sie aktiv öffnet. Und die über all dem die Verheißung eines guten Lebens, und von Genüssen, nicht vor den Kopf stößt.

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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